Die zweite Entscheidung des Tages, das OLG Zweibrücken, Urt. v. 25.01.2023 – 1 U 100/22 – befasst scih ebenfalls mit der Unfallschadenregulierung, und zwar hier mit den Kosten für einen Mietwagen. Gestritten wird um den Schadensersatz aus einem Unfall, für den der Beklagte unstreitig zu 100 % haftet. Das LG hatte der Klage nur teilweise stattgegeben. Das OLG spricht hingegen weiter teilweise zu. Hier sollen nur die Ausführungen des OLG zum Ersatz der Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges eingestellt werden. Dazu das OLG:
„2. Die Kosten der Anmietung von Ersatzfahrzeugen bis zum 29.07.2020 kann der Kläger nur in Höhe von 3.893,71 € ersetzt verlangen. Weitergehende Ansprüche bestehen nicht, da der Kläger insoweit gegen das aus § 254 Abs. 2 BGB folgende Gebot verstoßen hat, den Schaden möglichst gering zu halten.
a) Da der vom Kläger neu erworbene Pkw infolge des Unfalls nicht fahrbereit war, löste die Anmietung der diversen Ersatzwagen grundsätzlich ersatzfähige Unfallfolgekosten aus; diese Vermögenseinbußen (in Form herausgeforderter Aufwendungen) wären ohne den Unfall nicht entstanden. Ohne Erfolg bleibt insoweit der Berufungseinwand des Beklagten, dass Mietwagenkosten nicht zu erstatten seien, weil die zugehörigen Verträge nicht vorgelegt worden sind. Dass – nicht formbedürftige – Mietverträge abgeschlossen worden sind, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass entsprechende Rechnungen nach dem jeweiligem Ende der Nutzungszeit gestellt und bezahlt bzw. erfüllungshalber Abtretungen der zugehörigen Schadensersatzansprüche gegen die unfallgegnerische Versicherung vorgenommen wurden. Für die Schlüssigkeit der Klage genügte der Vortrag, dass während der Dauer der Reparatur in konkreten Zeiträumen (belegt durch die Rechnungen) Mietwagen kostenpflichtig genutzt worden sind.
b) Entgegen der Annahme des Beklagten ist ein Verstoß des Klägers gegen seine Obliegenheit zur Schadensminderung nicht schon darin zu erblicken, dass er über mehrere Wochen Ersatzfahrzeuge anmietet hatte. Dies ist vielmehr vom Beklagten zu verantworten und begrenzt das Schadensersatzbegehren des Klägers nicht.
(1) Die allgemeine Anerkennung der Gebrauchsmöglichkeit eines Pkw als Vermögensgut führt nicht dazu, dass jedwede Nutzungsbeeinträchtigung als Schaden im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auszugleichen wäre. Auch für den Nutzungsausfallschaden gelten die schadens-rechtlichen Grundsätze der subjektiven Schadensbetrachtung, des Wirtschaftlichkeitsgebotes und des Bereicherungsverbots (vgl. nur BGH. Urteil vom 10.03.2008, Az. VI ZR 211/08, Juris). Außerdem bedarf die Beantwortung der Frage, ob die entbehrte Nutzung einen durch den Unfall verursachten Vermögensschaden darstellt, einer wertenden, auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigende Abwägung im Einzelfall, soll die Regelung in § 253 Abs. 1 BGB nicht ausgehöhlt werden. Der Nutzungsausfall ist nicht notwendiger Teil des am Fahrzeug eingetretenen Schadens, sondern es handelt sich (nur) um einen typischen, aber nicht notwendigen Folgeschaden, der weder überhaupt noch der Höhe nach ohne Einzelfallprüfung feststeht.
Insoweit hat der Vorderrichter allerdings – für den Senat bindend (§ 529 ZPO) – festgestellt, dass der Kläger beabsichtigt hatte, den erst unmittelbar vor dem Unfall erhaltenen Opel künftig für seine Fahrten in den Urlaub, zum Wochenendgrundstück und zur Arbeitsstätte zu nutzen, und dass ihm diese Nutzungsmöglichkeit durch die unfallbedingte Beschädigung des Fahrzeugs — zunächst – genommen wurde. Der Beklagte hat zugestanden, dass eine Benutzung des Fahrzeugs nicht mehr möglich war. Dass bis Ende Juli dem Kläger ein weiteres (eigenes) Fahrzeug zur Verfügung gestanden habe, wurde vom Beklagten nicht geltend gemacht.
(2) Darüber hinaus ist der Vorderrichter zutreffend davon ausgegangen, dass Mietwagenkosten nach herkömmlicher Rechtsprechung ggfl. auch über die im Schadensgutachten veranschlagte Reparatur- oder die Wiederbeschaffungsdauer hinaus zu ersetzen sind. Denn der Geschädigte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder einen Kredit zur Schadenbeseitigung aufzunehmen (BGH, Urteil vom 16.11.2005, Az. IV ZR 120/04; BGH, Urteil vom 18.02.2002, Az. II ZR 355/00; jeweils Juris). Eine solche Verpflichtung kann im Rahmen des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB lediglich dann angenommen werden, wenn der Geschädigte über in mehrfacher Hinsicht ausreichende Mittel verfügt, möglicherweise auch dann, wenn er sich einen Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und er durch die Rückzahlung nicht (übermäßig, d.h. seine bisherige Lebensführung nennenswert einschränkend) belastet wird, wofür der Schädiger darlegungspflichtig ist (BGH, Urteil vom 16.11.2005, Az. IV ZR 120/04 Rn. 37, Juris). Hinreichender Vortrag des Beklagten hierzu fehlt jedoch. Dieser hat lediglich pauschal behauptet, dass Leistungsfähigkeit durch die Erbschaft Anfang 2020 gegeben gewesen sei. Dies hat der Kläger allerdings in Abrede gestellt; er habe „nur“ das Haus der Mutter erlangt, das erst für einen späteren Verkauf habe hergerichtet werden müssen. Einen Beweis für die Verfügbarkeit von liquiden (weiteren) Geldmitteln hat der Beklagte nicht angetreten. Angesichts der Höhe der kalkulierten Kosten geht der Senat auch bei einem berufstätigen Geschädigten nicht davon aus, dass dieser durch eine Vorfinanzierung des Betrages (so sie ihm überhaupt möglich wäre) nicht spürbar in seiner sonstigen Lebensführung beeinträchtigt worden wäre.
Der Geschädigte ist allerdings verpflichtet, den Schädiger unverzüglich darüber in Kenntnis zu setzen, dass er den Schaden nicht vorfinanzieren will oder kann (OLG München, Urteil vom 18.02.2010, Az. 24 U 725/09 Rn. 19; OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.02.2007, Az. 1 U 53/07; jeweils Juris; Schäpe/Heberlein, in: Himmelreich/Halm/Staab, Handbuch der KFZ Schadensregulierung, 5. Aufl. 2021, Kap. 12, Rn. 377). Die Anzeigepflicht gibt dem Schädiger die Gelegenheit, durch Zahlung eines Vorschusses Gegenmaßnahmen gegen den drohenden weiteren Schaden zu ergreifen (OLG Brandenburg, Urteil vom 11.11.2010, Az. 12 U 33/10, Juris). Dieser Pflicht hat der Kläger genügt. Er hatte bereits im ersten (anwaltlichen) Schreiben an den Beklagten vom 16.06.2020, also zeitnah, darauf hingewiesen, dass er zur Vorfinanzierung der beabsichtigten Reparatur, ggfl. auch zu einer Ersatzbeschaffung, nicht in der Lage sei. Er hatte zwar nur um sofortige Bearbeitung gebeten, ohne auch einen Vorschuss zu verlangen. Da er dies jedoch mit dem Hinweis verbunden hatte, dass bis zum Geldeingang der Nutzungsaus-fallschaden bzw. Mietwagenkosten zu erstatten wären, war der Beklagte auch nach Auffassung des Senats ausreichend vor der Entstehung weiteren, nicht unerheblichen Schadens gewarnt.
Der Beklagte hätte durch Gewährung eines Vorschusses oder eines zinslosen Darlehens diese Folgeschäden effektiv begrenzen können. Sein Einwand, die späte Reparatur sei allein auf eine Entscheidung des Klägers als des „Herren des Restitutionsgeschehens“ zurückzuführen, geht daher fehl. Dieser musste nicht den (umfangreichen und hohe Kosten auslösenden) Reparaturauftrag aktivieren, solange die Zahlung der entstehenden Kosten nicht gesichert war. Die erforderliche Regulierungszusage kam indes erst im September 2020 im Rahmen der ersten Abrechnung des Unfallschadens. Insoweit ist die Überlegung des Vorderrichters nicht zu beanstanden, dass erst ab dem Eingang des Geldes bei der Werkstatt die kalkulierten 10 Arbeitstage als Begrenzung der notwendigen Ausfallzeit anzusetzen sind. Auch die Schätzungen des Vorderrichters zur Dauer der jeweiligen Gutschrift bzw. Weiterleitung des Geldes lassen keine Denkfehler erkennen.
c) Gleichwohl kann der Kläger nicht die tatsächlich aufgewendeten Mietwagenkosten in voller Höhe ersetzt verlangen.
(1) Der Vorderrichter hat insoweit zutreffend – und mit der Berufung insoweit auch nicht angefochten – festgestellt, dass zumindest der im Juli 2020 angemietete Sprinter keine gleichwertige, durch den Unfall bedingte Ersatzbeschaffung darstellte, da das angemietete deutlich größer als das verunfallte Fahrzeug war. Die hiermit verbundenen erhöhten Kosten sind nicht erstattungsfähig; der Kläger würde andernfalls mehr erhalten, als ihm ohne das Unfallereignis zur Verfügung gestanden hätte. Darauf, dass ihm bei der Fa. pp. die Anmietung eines adäquaten Fahrzeugs nicht möglich gewesen sei, kommt es nicht an; denn der Kläger wäre gehalten gewesen, im ihm zumutbaren Umfeld auch bei anderen Fahrzeugvermietern nach Ersatzfahrzeugen Ausschau zu halten.
Es ist daher im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen, welche Kosten die Anmietung eines vergleichbaren Pkw mit Anhängerkupplung verursacht hätte. Die vom Vorderrichter angestellte Berechnung bindet den Senat insoweit nicht, da sie im Detail nicht nachvollziehbar ist. Insbesondere bleibt offen, aus welcher Quelle der Vorderrichter den in Ansatz gebrachten Wochenmietpreis entnommen hat und warum die Mietpreise für einen der beiden zuvor angemieteten Pkw Kia berücksichtigt wurden. Der Senat ermittelt bei der Schätzung des ersatzfähigen Mietpreises für einen dem unfallgeschädigten Fahrzeug entsprechenden Pkw regelmäßig den Mittelwert zwischen der sog. Fraunhofer-Liste und der sog. Schwacke-Liste und setzt hiervon ersparte Eigenaufwendungen i.H.v. 10% ab. Aus den veröffentlichten Fraunhofer-Listen ergibt sich für einen Opel Insignia (Klasse I nach ACRISS) im Postleitzahlenbereich 66… eine durchschnittliche Wochenmiete von 290,93 € und Tagesmiete von 96,40 € bzw. nach Schwa-cke-Klassifizierung (Klasse 8) ein arithmetisch gemittelter Wochenmietpreis i.H.v. 836,67 € und ein Tagesmietpreis von 151,43 €. Nach Mittelung und Abzug der ersparten Aufwendungen ergibt sich hiernach ein Wochenpreis von 523,62 € und ein Tagespreis von 117,66 €. Da dem Kläger am 30.06.2020 noch der Pkw Kia zur Verfügung stand, können für diesen Tag nicht zu-sätzliche Mietwagenkosten angesetzt werden. Folglich sind 4 Wochen und 1 Tag zu berücksichtigen; dies ergibt einen zu ersetzenden Mietbetrag von 2.212,14 € inkl. MwSt.
Die zusätzlichen Kosten für eine Anhängerkupplung – deren Bedarf der Kläger nachvollziehbar dargelegt hat – sind vom Vorderrichter zu Recht hinzugesetzt worden (täglich 9,30 €, netto 279 € zzgl. MWSt. i.H.v. 16%, insgesamt 323,64 €). Dagegen sind ohne weitergehenden Vortrag zur Versicherungslage des Klägers vor dem Unfall die vom Vorderrichter zugeschlagenen Kosten für eine Haftungsreduktion ebenso wenig als erforderlich anzusehen wie die Kosten eines Navigationsgerätes, zumal in der heutigen Zeit nahezu jedermann ein Smartphone mit entsprechenden Apps zur Navigation besitzt. Auch die zusätzlichen Kosten für einen „Dieselwunsch“ sind ohne entsprechenden Vortrag zur Erforderlichkeit nicht erstattungsfähig.
(2) Hinsichtlich der beiden im Juni 2020 angemieteten Fahrzeuge ist der Vorderrichter zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte die beiden Rechnungen der Höhe nach nicht bestritten hat. In der Erwiderung auf die Klageerweiterung vom 23.11.2020 wurde insoweit nur gerügt, dass zum Bedarf des Klägers nicht hinreichend vorgetragen worden und zudem eine Abtretung erfolgt sei. Im weiteren Verfahren wurden sodann (nur) die fehlende Vorlage von Vertragsunterlagen, unzureichende Angaben zum Tarif und zur Laufleistung gerügt. Es wurden zudem die hohen Gesamtmietkosten (für knapp 2 Monate) als ersichtlich unwirtschaftlich und übersetzt moniert. Ein Bestreiten der Rechnungshöhe vermag der Senat hierin nicht zu erkennen; es wird nur die Frage der Ersatzfähigkeit unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht diskutiert. Da ohne eine Laufleistungsbegrenzung abgerechnet wurde, ist ohnehin der Mehrwert einer Angabe zu den gefahrenen Strecken nicht erkennbar. In den beiden Rechnungen der Fa. IM sind die gefahrenen Strecken im Übrigen ausgewiesen; es wird auch jeweils der Tarif als „Normaltarif“ und kein spezieller Unfallersatztarif genannt.
Sollte der Beklagte die Kosten für die beiden Mietwagen als überhöht rügen, ist darauf abzustellen, ob eine solche Überhöhung für den Kläger erkennbar war, was regelmäßig nicht der Fall ist. Einen diesbezüglichen konkreten Vortrag hätte der Beklagte halten und einen entsprechenden Nachweis führen müssen; beides hat er indes unterlassen. Der Berufungsangriff wegen der beiden ersten Mietwagenrechnungen bleibt daher ohne Erfolg. Zu erstatten sind dem Kläger 880,70 € und 1.384,01 € abzgl. gezahlter 906,78 €, mithin insgesamt 1.357,93 €.“