Heute, am letzten vollständigen/“richtigen“ Arbeitstag des Jahres stelle ich dann noch einmal drei Entscheidungen vor, die sich mit Fragen aus dem Rechtsmittelbereich befassen.
Zunächst kommt das der BayObLG, Beschl. v. 02.12.2020 – 202 StRR 105/20 -, der auch gestern ganz gut zu den StPO-Entscheidungen zur Verständigung gepasst hätte. Im Streit ist/war die Wirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts. Nach dem vom BayObLG mitgeteilten Sachverhalt ergab sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll, “ dass der Instanzverteidiger – nach Rücksprache mit dem Angeklagten und in dessen Anwesenheit – im Anschluss an die Verkündung des Berufungsurteils und nach Rechtsmittelbelehrung erklärt [hat]: “Wir nehmen das Urteil an und verzichten auf Rechtsmittel.“ Die Erklärung wurde gemäß § 273 Abs. 3 StPO vorgelesen und genehmigt. Außerdem ergibt sich aus dem Protokoll, dass diese Erklärung vom Dolmetscher vor der Genehmigung übersetzt wurde.“
Das BayObLG hat den Rechtsmittelverzicht als wirksam angesehen:
„c) Gründe, die ausnahmsweise zur Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts des Angeklagten führen könnten, liegen nicht vor.
aa) Eine die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts gemäß § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO hindernde Verständigung nach § 257c StPO erfolgte ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nicht. Darin ist gemäß § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO ausdrücklich vermerkt, dass Verständigungsgespräche und damit eine Verständigung nach § 257c StPO nicht stattgefunden haben. Diese Feststellung zählt zu den wesentlichen Förmlichkeiten im Sinne des § 274 Satz 1 StPO und nimmt an der Beweiskraft des Sitzungsprotokolls teil (BGH, Beschl. v. 24.07.2019 – 3 StR 214/19 a.a.O.).
bb) Auch ist von einer ebenso wirkenden informellen Verständigung nicht auszugehen, wenngleich der Angeklagte in seinem Schreiben vom 17.07.2020 geltend macht, das Gericht habe ihm „einen Deal für die 8 Fälle, daß die eingestellt werden und er die Halbstrafe“ […]; er sei auf den „Deal“. Dieser Vortrag ist nicht nur durch das Hauptverhandlungsprotokoll, sondern auch durch die dienstliche Äußerung des Vorsitzenden Richters der Berufungskammer vom 21.07.2020, der weder der Angeklagte noch dessen Verteidiger entgegengetreten sind, widerlegt. Hiernach hat der Vorsitzende zwar unter Hinweis auf die gegebenenfalls strafmildernde Wirkung die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch angeregt, das Ersuchen der Verteidigung, eine Prognose hinsichtlich der Höhe der zu erwartenden Strafe zu äußern, jedoch explizit abgelehnt. Der bloße Hinweis auf die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses stellt – ebenso wie eine hier ohnehin nicht erfolgte Offenlegung der voraussichtlichen Straferwartung – keine (informelle) Verständigung dar (vgl. BVerfG, Urt. v. 19.03.2013 – 2 BvR 2628/10 = BVerfGE 133, 168; BGH, Beschl. v. 09.10.2019 – 1 StR 545/18 = NStZ 2020, 237 = NZWiSt 2020, 188).“