Die zweite Entscheidung, der BGH, Beschl. v. 12.01.2021 – 4 StR 139/20 -, betrifft das StGB, und zwar die Frage nach einem Täter-Opfer-Ausgleich und/oder die Strafzumessung (§§ 46 ff. StGB).
Das LG hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, versuchter Nötigung und Sachbeschädigung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen die Revision, die hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg hatte:
„Der Strafausspruch des angefochtenen Urteils kann nicht bestehen bleiben, weil die Begründung, mit der das Landgericht dem Angeklagten eine Strafmilderung nach § 46a Nr. 1 StGB versagt hat, einer rechtlichen Prüfung nicht standhält.
1. Nach den Feststellungen zahlte der Angeklagte vor Beginn der Hauptverhandlung an die Prozessbevollmächtigte des Nebenklägers einen Betrag von 3.000 € und entschuldigte sich über seine Verteidigerin in schriftlicher Form beim Nebenkläger. Die Nebenklagevertreterin nahm den Geldbetrag und die Entschuldigung in schriftlicher Form für den Nebenkläger an.
Die Zahlung des Geldbetrages sowie die über die Verteidigerin erfolgte schriftliche Entschuldigung hat die Strafkammer bei der Strafrahmenwahl und der Strafzumessung im engeren Sinne als Strafmilderungsgesichtspunkt gewertet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Strafmilderung nach § 46a Nr. 1 StGB hat sie dagegen als nicht erfüllt angesehen. Die geständige Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung und die schriftliche Entschuldigung beim Nebenkläger seien lediglich über die Verteidigerin erfolgt. Die von der Verteidigung in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge, mit welchen Beleidigungen und Bedrohungen des Geschädigten gegenüber dem Angeklagten vor und nach der ausgeurteilten Tat unter Beweis gestellt werden sollten, hätten gerade nicht gezeigt, dass der Angeklagte die Opferrolle des Geschädigten vollständig akzeptiert habe. Darüber hinaus sei vor dem Hintergrund des im Plädoyer der Nebenklage für angemessen erachteten Geldbetrages für die Wiedergutmachung in Höhe von 30.000 bis 36.000 € nicht erkennbar, dass der Geschädigte den Täter-Opfer-Ausgleich „ernsthaft mitgetragen“ und diesen als friedensstiftende Konfliktregelung „innerlich akzeptiert“ habe.
2. Diesen Erwägungen zur Versagung des Strafmilderungsgrundes aus § 46a Nr. 1 StGB begegnen durchgreifende rechtliche Bedenken.
a) Nach der Regelung des § 46a Nr. 1 StGB kann das Gericht die Strafe gemäß § 49 Abs. 1 StGB mildern, wenn der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, die Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt hat. Dies erfordert grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, bei dem das Bemühen des Täters auf einen umfassenden friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt und Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein muss. Der kommunikative Prozess setzt keinen persönlichen Kontakt zwischen Täter und Opfer voraus, sondern kann auch durch Dritte vermittelt werden. Unverzichtbar ist nach dem Grundgedanken des Täter-Opfer-Ausgleichs aber eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung, was grundsätzlich voraussetzt, dass das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Daher sind regelmäßig tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Wiedergutmachungsbemühungen des Täters gestellt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 15. Januar 2020 . 2 StR 412/19 Rn. 8; vom 9. Oktober 2019 . 2 StR 468/18, NJW 2020, 486 Rn. 7 f.; vom 24. August 2017 . 3 StR 233/17 Rn. 13 ff.; vom 12. Januar 2012 . 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439, 440; vom 7. Dezember 2005 . 1 StR 287/05, NStZ 2006, 275, 276).
b) Von diesen Grundsätzen ausgehend erweist sich die Begründung, mit welcher das Landgericht eine Strafmilderung nach § 46a Nr. 1 StGB verneint hat, in rechtlicher Hinsicht als nicht tragfähig.
Da der Ausgleich zwischen Täter und Opfer auch durch dritte Personen vermittelt werden kann, steht die Tatsache, dass die Entschuldigung beim Opfer und das für einen Täter-Opfer-Ausgleich in aller Regel erforderliche Geständnis des Täters (vgl. Eschelbach in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 5. Aufl., § 46a Rn. 30 mwN) über die Verteidigerin erfolgten, der Annahme eines kommunikativen Prozesses im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB nicht entgegen. Davon abgesehen, dass Prozesserklärungen eines Verteidigers dem Angeklagten nicht ohne Weiteres als eigene Erklärungen zugerechnet werden können, ist mit den in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträgen schon deshalb keine unzutreffende Relativierung der Opferrolle des Geschädigten verbunden gewesen, weil der Geschädigte den Angeklagten nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen sowohl vor als auch nach der ausgeurteilten Tat tatsächlich verbal bedrohte. Schließlich bleibt nach den Ausführungen in den Urteilsgründen unklar, wie sich der Nebenkläger zu den Ausgleichsbemühungen des Angeklagten gestellt hat. So zieht die Strafkammer aus dem von der Nebenklägervertreterin in ihrem Plädoyer in den Raum gestellten Geldbetrag für eine angemessene Wiedergutmachung den Schluss, dass nicht erkennbar sei, dass der Geschädigte den Täter-Opfer-Ausgleich ernsthaft mitgetragen und innerlich akzeptiert habe. Dies lässt sich indes mit der Feststellung, wonach die Nebenklagevertreterin die Zahlung von 3.000 € und die schriftliche Entschuldigung des Angeklagten für den Geschädigten annahm, nicht ohne weitere Darlegungen in Einklang bringen. Zu der Frage, ob die Zahlung von 3.000 € bei Anlegung eines objektivierenden Maßstabs (vgl. BGH, Urteile vom 15. Januar 2020 . 2 StR 412/19 Rn. 12; vom 9. Oktober 2019 . 2 StR 468/18, aaO, Rn. 9) der Höhe nach als ausreichende Leistung anzusehen ist, die geeignet erscheint, die Folgen der Tat zumindest zum überwiegenden Teil wiedergutzumachen, verhalten sich die Urteilsgründe nicht.“