Ich hatte ja am Montag bereits über den Sächs.VerfGH, Beschl. v. 30.08.2018 – Vf 73-IV 18 (HS) berichtet. Da ging es um die dort (auch) behandelte Frage der Bestellung eines Pflichtverteidigers. Der VerfGH hatte moniert, dass die Gerichte dem Verurteilten im Vollstreckungsverfahren keinen Pflichtverteidiger bestellt hatten (vgl. hier Pflichtverteidiger in der Strafvollstreckung, oder: Die Begründung des OLG Dresden ist “nicht mehr nachvollziehbar”).
Ich komme dann heute – an einem Strafvollstreckungstag – noch einmal auf den Beschluss zurück. Der Widerruf war auf neue Straftaten des Verurteilten gestützt, obwohl der Verurteilte deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilt war. Der VerfGH meint dazu: Geht grundsätzlich, aber:
„a) Die in Art. 15 SächsVerf in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verfassungsrechtlich verankerte Unschuldsvermutung enthält keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- und Verbote; ihre Auswirkungen auf das Verfahrensrecht bedürfen vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. April 2008 — 2 BvR 572/08 — juris Rn. 2). Dies ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. März 1987, BVerfGE 74, 358 [372]; Beschluss vom 9. Dezember 2004, NStZ 2005, 204). Von Verfassungs wegen setzt der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB wegen einer neuen Straftat mit Blick auf die Unschuldsvermutung zwar regelmäßig voraus, dass der Täter wegen dieser neuen Straftat verurteilt worden ist (vgl. EGMR, Urteil vom 3. Oktober 2002, NJW 2004, 43 ff.). Allerdings ist ein Widerruf der Strafaussetzung wegen einer neuen Tat auch ohne deren Aburteilung ohne Verletzung der Unschuldsvermutung zulässig, wenn der Betroffene die neue Straftat vor einem Richter glaubhaft gestanden hat, das Geständnis nicht ersichtlich von prozesstaktischen Erwägungen bestimmt und nicht widerrufen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. April 2008 — 2 BvR 572/08 — juris Rn. 2; Beschluss vom 9. Dezember 2004 — 2 BvR 2314/04 — juris Rn. 4; OLG Jena, Beschluss vom 7. Mai 2003, NStZ-RR 2003, 316; OLG Oldenburg, Beschluss vom 14. Oktober 2009, StV 2010, 311; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 56f, Rn. 7).
b) Diesen Maßstäben wird das Oberlandesgericht in den angegriffenen Beschlüssen nicht gerecht. Das Oberlandesgericht hat in seinen Beschlüssen nicht hinreichend ausgeführt, aus welchen Gründen von einem glaubhaften Geständnis des Beschwerdeführers vor dem Amtsgericht auszugehen sei. In dem Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 27. Mai 2015 wird lediglich ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer zur Sache selber weitestgehend geständig eingelassen habe. Die vom Amtsgericht als geständig gewerteten Einlassungen des Beschwerdeführers werden dagegen im Urteil nicht konkret wiedergegeben, obwohl Anhaltspunkte für die Annahme eines sachlich und rechtlich einfachen Falls angesichts der Anzahl der Taten und der angeklagten Straftatbestände nicht erkennbar sind (vgl. zu den Anforderungen an die Darstellung der Einlassung des Angeklagten in den Urteilsgründen: BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2015 — 2 StR 322/15 — juris Rn. 6; Beschluss vom 27. September 2017 — 4 StR 142/17 — juris; OLG Köln, Beschluss vom 14. Februar 2003 — Ss 16/03 — juris Rn. 8; OLG Hamm, Beschluss vom 21, November 2002 — 5 Ss 1016/02 juris Rn. 9; Julius in: Gercke/Julius/Temming, StPO, 5. Aufl., § 261 Rn. 23). Aus diesen Gründen wäre das Oberlandesgericht veranlasst gewesen, weitergehende Ausführungen zur Glaubhaftigkeit des Geständnisses zu treffen; zumal bereits in den Beschlüssen des Landgerichts vom 3. und 6. Juni 2016 darauf hingewiesen wurde, dass den Urteilsgründen ein Geständnis nicht mit der notwendigen Klarheit entnommen werden könne.“