Ich habe ja schon öfter darauf hingewiesen, dass neue Techniken auch neue Straftaten bzw. Begehungsmodalitäten bringen und die Rechtsprechung vor „Anwendungsprobleme“ stellen. Das beweist dann auch der OLG Hamm, Beschl. v. 14.01.2016 – 4 RVs 144/15. Das OLG nimmt in ihm zur Frage des „Einwirkens“ i.S. des § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB – sexueller Missbrauch von Kindern – Stellung. Es geht um die Beurteilung der Strafbarkeit eines „WhatsAPP-Gespräch“ zwischen dem Angeklagten und der neunjährigen Tochter einer Bekannten. In dessen Verlauf machte der Angeklagte der Tochter der Bekannten Angebote im Hinblick auf Küssen, Streicheln und Zusammensein. Das gipfelte in der Äußerung, man könne ja auch etwas zu viert machen. Das OLG hat – ebenso wie das AG – § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB bejaht, Die Ausführungen lassen sich etwa wie folgt zusammenfassen:
- Die Nachricht mit dem Vorschlag, „etwas zu viert zu machen“, ist eine Schrift i.S.v. §§ 176 Abs. 4 Nr. 3, 11 Abs. 3 StGB. Für Kurznachrichten per SMS ist dies anerkannt (vgl. Hörnle in: LK-StGB, 12. Aufl., § 176 Rdn. 89). Etwas anderes kann auch für über einen anderen Kurznachrichtendienst versandte Mitteilungen nicht gelten.
- Der Angeklagte hat mit der Kurznachricht auch auf die Geschädigte eingewirkt. Den Begriff des Einwirkens hat der Gesetzgeber dem früheren § 180b Abs. 1 S. 2 StGB entnommen und zu seiner Auslegung auf die dazu ergangene Rechtsprechung und Literatur verwiesen (BT-Drs. 15/350 S. 18). Nach dieser Rechtsprechung erfasst das Einwirken alle Formen der intellektuellen Beeinflussung, verlangt darüber hinaus aber auch eine gewisse Hartnäckigkeit. Als Mittel kommen wiederholtes Drängen, Überreden, Versprechungen, Wecken von Neugier, Einsatz von Autorität, Täuschung, Einschüchterung, Drohung und auch Gewalteinwirkung in Betracht (BGH NStZ 2000, 86 m.w.N.; Hörnle a.a.O. § 176 Rdn. 88). Hier ist es zwar nicht zu einem wiederholten Drängen und auch nicht zu einem Überreden gekommen, da die vor der o.g. Nachricht übermittelten Nachrichten noch keinen hinreichenden sexuellen Hintergrund hatten, während die späteren Nachrichten die Geschädigte nicht mehr erreichten. Die Nachricht diente aber – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der vorangegangenen Nachrichten, in welchen unter anderem „die Nacht“ mit dem Freund der Geschädigten thematisiert wurde – ersichtlich dem Wecken von Neugier, indem der Angeklagte der Geschädigten – wie das Amtsgericht zutreffend würdigt – ein sexuelles Erlebnis vorschlägt, welches sie bisher – einem Freund verhaftet – noch nicht hatte.
- § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB auch keine Anonymität voraus. Es ist nicht erforderlich, dass sich der Absender und der Adressat des Kontaktes zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme noch nicht kennen. Dem Wortlaut ist eine solche Einschränkung nicht zu entnehmen (vgl. BGH, Beschl. v. 16.07.2015 – 4 StR 219/15). Zwar war Anlass für die Einführung dieses Straftatbestandes das Auftreten von Tätern, welche in Chaträumen „im Schutze der Anonymität des Internets“ Kontakt zu Kindern suchten (BT-Drs. 15/350 S. 17). Eine intendierte Einschränkung auf derartige Fälle lässt sich aber den Materialien nicht entnehmen. Vielmehr wollte man einem Anliegen des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses Rechnung tragen, der gefordert hatte, die bestehenden Rechtsvorschriften zu verdeutlichen und anzupassen „um auch [Hervorh. d.d. Senat] Verbrechen, bei denen Kinder durch Tricks oder Verführungskünste zu Treffen verleitet würden, zu erfassen“ (BT-Drs. 15/350 S. 17). Von einer erforderlichen Anonymität ist nicht die Rede. Wenn der Gesetzgeber zudem die Tathandlung an den früheren § 180b Abs. 1 S. 2 StGB angelehnt hat (s.o.), der ebenfalls keine Anonymität voraussetzte, so wird klar, dass diese auch hier keine Rolle spielen kann. ….“