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Pech gehabt Frau Rechtspflegerin, oder: Die Doppelbelastung der Staatskasse

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Folgender Ausgangsfall: Das AG spricht den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung frei. Die Kosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Landeskasse auferlegt. In dem Verfahren wurde der Angeklagte durch den Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger vertreten. Dieser beantragte die  Festsetzung der Gebühren als Wahlverteidiger und legte dabei eine Geldempfangsvollmacht für den Angeklagten vor. Die Rechtspflegerin setzte die beantragten Kosten als Wahlverteidigergebühren ungekürzt fest. Zu einer Auszahlung des Gebührenanspruches kam es jedoch nicht, weil die Landeskasse wegen weiterer Ansprüche der Landeskasse gegenüber dem Angeklagten die Aufrechnung erklärte. Daraufhin beantragte der Rechtsanwalt die Kostenfestsetzung seiner Pflichtverteidigergebühren. Die Rechtspflegerin wies den Antrag zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass eine nochmalige Kostenfestsetzung nicht in Betracht käme, weil die Landeskasse bereits den höheren Betrag der Wahlverteidigervergütung festgesetzt und geleistet habe.

Das LG Magdeburg setzt dann im LG Magdeburg, Beschl. v.02.04.2014 – 22 Qs 21/14:

Dem in diesem Verfahren als Pflichtverteidiger bestellten Beschwerdeführer steht gem. § 45 Abs. 3 S. 1 RVG in Verbindung mit Nr. 4100 ff. VV zum RVG der geltend gemachte Vergütungsanspruch zu. Hierbei handelt es sich um einen eigenen Anspruch des zum Pflichtverteidiger bestellten Beschwerdeführers gegen die Staatskasse, der selbstständig neben den Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers gegen seinen Mandanten aus § 52 RVG tritt und diesem gegenüber nicht subsidiär ist, sondern wahlweise geltend gemacht werden kann (vgl. Hartmann in Kostengesetze, 43. Aufl., § 52 RVG Rn. 9). Der gesetzliche Anspruch des Pflichtverteidigers auf Festsetzung und Auszahlung der Pflichtverteidigergebühren erlöscht entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Aschersleben nicht durch eine Auszahlung an dessen Mandanten aufgrund der Eigenständigkeit dieses Anspruchs (vgl. OLG Frankfurt, JurBüro 2011, 34). Etwas anderes folgt auch nicht aus § 58 Abs. 3 RVG. Danach kommen auf die Pflichtverteidigergebühren nur solche Vorschüsse und Zahlungen zur Anrechnung, die der Rechtsanwalt auch tatsächlich erhalten hat. Dies ist vorliegend aufgrund der durch die Staatskasse erklärten Aufrechnung gegenüber den Wahlverteidigergebühren jedoch nicht der Fall ist, da eine Auszahlung gerade nicht erfolgt ist.

Ein Anspruch auf Pflichtverteidigervergütung besteht auch dann, wenn bereits eine Wahlverteidigervergütung festgesetzt wurde (vgl. BVerfG, JurBüro 2009, 418). Die danach grundsätzlich mögliche Doppelbelastung der Staatskasse muss nicht hingenommen werden. Vielmehr kann sich die Staatskasse etwa dadurch schützen, dass sie den Rechtsanwalt vor Festsetzung der Wahlverteidigergebühren zum Verzicht auf seine Pflichtverteidigergebühren auffordert (vgl. BVerfG, a. a. O.; Landgericht Duisburg, JurBüro 2006, 425). Falls ein solcher Verzicht nicht erklärt wird, lassen sich Doppelbelastungen dadurch vermeiden, dass Kosten nur in der Höhe festgesetzt werden, als diese das Pflichtverteidigerhonorar übersteigen (vgl. BVerfG, a. a. O. mit weiteren Nachweisen). Macht die Staatskasse – wie hier – von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch, sondern schafft sie selbst durch Aufrechnung des Risiko von Doppelbelastungen, so ist das von dem betroffenen Rechtsanwalt nicht zu verantworten und vermag eine Kürzung seines gesetzlich vorgesehenen Honorars nicht zu rechtfertigen (vgl. so auch BVerfG, a. a. O.),“

Was lernen wir daraus? Antwort:

  1. Die Rechtspflegerin kannte die Rechtsprechung des BVerfG nicht.
  2. Eine Doppelbelastung der Staatskasse ist möglich, kann aber verhindert werden.
  3. Der Verteidiger sollte ggf. § 43  RVG nicht übersehen und eine ggf. erfolgte Abtretung anzeigen. Dann ist eine Aufrechnung ausgeschlossen.