Ich hatte gestern in meiner kleinen Übersicht BTM I: Fahrplan für den Großen Senat für Strafsachen, oder: Packen wir es an? auf den BGH, Beschl. v. 01.06.2016 – 2 StR 335/15 (vgl. dazu Schon wieder: Anfragebeschluss des 2. Ss des BGH – Nötigung zur Herausgabe von BtM) hingewiesen. In einem Kommentar zu dem Posting weist der Kollege Garcia auf den BGH, Beschl. v. 22.09.2016 – 2 StR 27/16 hin. Der hing schon länger in meinem Blogordner, ich hatte ihn aber bisher übersehen. Nun hole ich ein Postin dazu schnell nach, allerdings hätte das besser gestern gepasst.
Nun, dann eben jetzt nachgeholt. In dem Beschluss geht es u.a. auch um räuberische Erpressung im BtM-Bereich. Einer der Angeklagten ist wegen Anstiftung dazu verurteilt worden. Dagegen seine Revision. Und – es wundert schon: Der BGH hält die Verurteilung:
2. Auch die Revision des Angeklagten C. , mit der er im Wesentlichen seine Verurteilung im Fall 87 der Anklageschrift sowie im Übrigen die Strafzumessung beanstandet, bleibt ohne Erfolg.
„a) Der Angeklagte C. , dem die Strafkammer im Fall 87 der Anklageschrift den Einsatz der Schusswaffe durch den von ihm beauftragten „Geld- bzw. Betäubungsmitteleintreiber“ A. nicht zugerechnet hat, ist rechtsfehlerfrei wegen Anstiftung zur räuberischen Erpressung verurteilt worden. Wer – wie hier der deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilte A. – einen Rauschgifthändler oder -kurier mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Herausgabe von Drogen nötigt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, macht sich der räuberischen Erpressung schuldig. Die Rechtsordnung kennt im Bereich der Vermögensdelikte kein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen. Auch an Sachen wie Rauschgift, die jemand aufgrund einer strafbaren Handlung besitzt und als Tatmittel zur Begehung geplanter Straftaten bereitstellt, kann unbeschadet ihrer Zweckbestimmung oder Bemakelung, Erpressung und Betrug begangen werden. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 1 StR 167/01, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 3 mwN; Beschluss vom 20. September 2005 – 3 StR 295/05, NJW 2006, 72).“
Wenn man es liest, denkt man (sofort): Aber da war doch was? Ja, war es auch, nämlich der BGH, Beschl. v. 01.06.2016 – 2 StR 335/15. Und der hatte dazu geführt, dass der GBA hier die Aussetzung des Verfahrens beantragt hatte. Dazu dann aber der 2. Strafsenat – Überraschung?:
Eine vom Generalbundesanwalt beantragte Aussetzung des Verfahrens war nicht veranlasst.
Zwar hat der erkennende Senat – in anderer Besetzung – in der Sache 2 StR 335/15 mit Beschluss vom 1. Juni 2016 die Revisionshauptverhandlung unterbrochen und, verbunden mit einer Anfrage an die übrigen Strafsenate des Bundesgerichtshofs, ob an bisheriger Rechtsprechung festgehalten werde, ausgeführt, er beabsichtige zu entscheiden:
„Die Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln richtet sich nicht gegen das Vermögen des Geschädigten und erfüllt daher nicht den Tatbestand der Erpressung.“
Jedoch hindert ein solches Anfrageverfahren nach § 132 GVG nicht eine Sachentscheidung auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dass ein Anfragebeschluss die angefragten Senate, die an der bisherigen Rechtsprechung festhalten wollen, nicht hindert, auf dieser Grundlage weiter zu entscheiden, hat der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf eine fehlende Sperrwirkung bereits entschieden (BGH, Beschluss vom 24. August 2000 – 1 StR 349/00, BGHR GVG § 132 Anfrageverfahren 1; Beschluss vom 19. Oktober 2004 – 1 StR 427/04 mwN; sowie wenn die Rechtsfrage dem Großen Senat zur Entscheidung vorgelegt ist: BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2009 – 2 StR 433/09, NStZ 2010, 227). Ebenso wenig ist ein anfragender Senat gehindert, bei Vorliegen einer Binnendivergenz zwischen verschiedenen Sitzgruppen abweichend von seiner eigenen Anfrage zu entscheiden. Der Anfragebeschluss entfaltet keine Sperrwirkung. Er dient lediglich der Vorbereitung der Herbeiführung einer Rechtsprechungsänderung, ist aber selbst keine bindende Entscheidung, von der nicht abgewichen werden könnte. Eine Bindungswirkung entsteht erst durch den Antwortbeschluss des angefragten Senats, der seine Zustimmung zu einer Änderung der bisherigen Rechtsprechung erteilt (BGH, Beschluss vom 24. August 2000 – 1 StR 349/00, aaO). Dann kann der anfragende Senat nicht mehr zu seiner ursprünglichen Rechtsprechung zurückkeh-ren, ohne den Großen Senat für Strafsachen anzurufen; dies deshalb, weil die Entschließung über die Antwort des angefragten Senats, er halte an der frühe-ren Rechtsauffassung nicht mehr fest, die gleiche Bedeutung hat wie eine Revisionsentscheidung, in der er seine frühere Auffassung aufgibt (vgl. Heußner, DRiZ 1972, 119 ff.). Eine Binnendivergenz führt auch nicht zu der Verpflichtung, eine Entscheidung des – in der Sache unzuständigen – Senatsplenums herbeizuführen. Eine solche „Entscheidung“ hätte für die zuständige Sitzgruppe keine rechtliche Bindungswirkung.“
Na, und nun? Man darf dann auf die Entscheidung des Großen Senats gespannt sein – seine Besetzung habe ich jetzt nicht geprüft. Jedenfalls spricht die Entscheidung 2 StR 67/16 für eine „gewisse Uneinigkeit“ im 2. Strafsenat. Und das mit der „anderen Besetzung“ der Spruchgruppe ist nicht unbedingt so durchschlagend. Denn dei Entscheidung in 2 StR 27/16 stammt von „Fischer Appl Eschelbach Zeng Bartel„, die in 2 StR 335/15 von „Fischer Eschelbach Zeng Bartel“ und „Krehl“. Also fast deckungsgleich. Da ist man dann doch erstaunt. „Kurios“ wie der Kollege Garcia meint :-). Oder: Knatsch im 2. Strafsenat bzw. – mit Konrad Adenauer: Was stört mich mein Geschwätz von gestern?