Fangen wir heute die Berichterstattung mal mit einer BGH-Entscheidung an, und zwar mit dem BGH, Beschl. v. 09.08.2012 – 1 StR 323/12, in dem es um die Frage des weiteren Vorgehens nach einem rechtlichen Hinweis gem. § 265 StPO geht.
Der Angeklagte ist wegen Körperverletzung verurteilt worden, die in einem Lokal begangen wurde. Am Geschehen waren mehrere Personen beteiligt. Die Anklage ging noch davon aus, dass der Angeklagte im Lokal das Geschehen abgesichert, aber nicht selbst zugeschlagen hatte. Nach dem Plädoyer der Staatsanwältin erging dann der Hinweis, dass er der Schläger gewesen sein könnte. Der Angeklagte ist dann als Täter verurteilt worden. Seine Revision hält § 265 Abs. 1 StPO für verletzt. Ihm sei nicht eröffnet worden, dass er sich zu diesen Vorwürfen äußern könne. Auch die Staatsanwältin habe ihren Antrag nicht wiederholt. Hätte sich der Angeklagte geäußert, wäre er vielleicht niedriger bestraft worden.
Der BGH lässt die Frage, ob die Verfahrensrüge ordnungsgemäß ausgeführt worden ist, offen, sieht aber die Rüge als unbegründet an:.
(a) Dabei kann offen bleiben, ob hier bei einer Änderung des Sachverhalts ohne Änderung der rechtlichen Bewertung ein Hinweis – in entsprechender Anwendung von § 265 StPO – wegen des Ablaufs der Hauptverhandlung überhaupt geboten war (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11). Es liegt fern, dass der Angeklagte verkannt hätte, dass seine Angaben Urteilsgrundlage werden können.
(b) Im Übrigen ist eine gesonderte Befragung des Angeklagten nach einem Hinweis gemäß/entsprechend § 265 StPO zwar zweckmäßig (vgl. Stuckenberg in KMR, § 265 Rn. 48 mwN), unerlässlich aber nur, wenn sonst keine Verteidigungsmöglichkeit bestünde. So wäre es etwa rechtsfehlerhaft, unmittelbar nach dem Hinweis die Urteilsberatung zu beginnen oder das Urteil zu verkünden (vgl. Stuckenberg aaO mwN). So oder damit vergleichbar war es hier nicht. Nach dem Hinweis plädierte der Verteidiger, der Angeklagte hatte das letzte Wort; eine Erklärung, wonach eine beabsichtigte Stellungnahme zu dem Hinweis nicht auf der Stelle abgegeben werden könne (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1965 – 5 StR 578/64), erfolgte nicht. Nach alledem bestand genügend Gelegenheit zur Verteidigung.
(3) Der unerläutert in die Ausführungen zu fehlender Verteidigungsmöglichkeit eingefügte Hinweis, die Staatsanwältin habe nicht erneut plädiert, hängt mit dem zusammenfassenden Ergebnis, der Angeklagte wäre bei einer eigenen Äußerung vielleicht milder bestraft worden, nicht klar zusammen.
(a) Ist aber nicht eindeutig, ob das geschilderte Geschehen auch deshalb gerügt sein soll, weil die Staatsanwältin nach dem Hinweis nicht nochmals das Wort erhielt, so spricht dies wegen insoweit unklarer Angriffsrichtung gegen eine derartige (weitere) Rüge (vgl. BGH, Beschluss vom 29. August 2006 – 1 StR 371/06; Sander/Cirener JR 2006, 300 jew. mwN).
(b) Außerdem könnte der Angeklagte nicht die fehlende Stellungnahme der Staatsanwältin zu diesem Punkt, sondern allenfalls die fehlende Möglichkeit hierzu rügen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. September 2008 – 1 StR 449/08). Die Staatsanwältin hätte jedoch entsprechend § 258 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz StPO nochmals das Wort ergreifen können, wenn sie dies wegen eines zu-nächst von ihr nicht behandelten Gesichtspunkts für geboten gehalten hätte (vgl. Eschelbach in Graf (Hrsg.), BeckOK StPO, Edit 14, § 258 Rn. 16; Forkert-Hosser in Radtke/Hohmann, StPO, § 258 Rn. 18). Sie machte hiervon keinen Gebrauch; einer Aufforderung durch das Gericht bedurfte es nicht.