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Die Rechtsbeugung des Staatsanwaltes, oder: Scheinerledigung

© stokkete - Fotolia.com

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Schon etwas länger hängt in meinem Blogordner das LG Freiburg, Urt. v. 25.02.2016 – 2 KLs 270 Js 21058/12. In dem geht es um die Verurteilung eines Freiburger Staatsanwaltes wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung (§§ 258, 258a, 339 StGB). Der Staatsanwalt hatte Akten nicht bearbeitet bzw. „scheinerledigt“ (vgl. die PM des LKG Freiburg und ein Bericht aus der Stuttgarter Zeitung). Der Staatsanwalt ist zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden. Aus der PM:

„Nach Auffassung der Kammer konnte dem Angeklagten in den genannten sechs Fällen je­weils ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz und die Pflicht zur zeitnahen Ankla­geerhebung nachgewiesen werden, da er die entsprechenden Verfahren nicht entsprechend seiner Pflicht bearbeitet hatte. Im Hinblick auf die Zeiträume der Nichtbearbeitung wurde durch das Gericht festgehalten, dass es sich bei jedem der Fälle um besonders gravierende Verstöße gehandelt hatte. Der Angeklagte hatte demnach die betreffenden Verfahren nur zum Schein erledigt, um insoweit keiner behördlichen Kontrolle mehr zu unterliegen, den Abschluss dieser Verfahren jedoch unterlassen. Das Gericht konnte nicht feststellen, dass der Angeklagte infolge einer Arbeitsüberlastung nicht in der Lage gewesen wäre, die Verfah­ren sachgemäß und zeitnah zu erledigen. Ebenso wenig ließ sich für die Große Strafkammer feststellen, dass der Ange­klagte die Verfahren etwa aus den Augen verloren hätte, diese gleichsam versehentlich lie­gen geblieben oder ihm „durchgerutscht“ wären.“

Zwei der sechs Fälle waren übrigens verjährt, in den übrigen vier Fällen konnten die Verfahren noch durchgeführt werden. Es ging dabei um Ermittlungsverfahren u.a. wegen Betrugs, versuchten Totschlags, Körperverletzung und sexuellen Missbrauchs.

Das Urteil des LG Freiburg ist nicht rechtskräft. Vermutlich hören wir zu der Sache also noch etwas vom BGH. Bahnbrechend Neues wird es allerdingsw ahrscheinlich nicht sein, denn das LG weist zu Recht darauf hin:

„Auch ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz durch pflichtwidrige Verfahrensverzögerung kann den Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllen, insbesondere dann, wenn die Bedeutung des Beschleunigungsgebotes besonders hervorgehoben ist, wie beispielsweise in Haftsachen aufgrund Art. 2 Abs. 2 S. 2, 104 GG und Art. 5 Abs. 3, Abs. 4 MRK (vgl. BGHSt 47, 105, Rn. 11; OLG Karlsruhe, a.a.O.). Darüber hinaus gilt dies aber auch bei „Weglegen“ von Akten, unvertretbarem und sachwidrigen Hinausschieben gebotener Entscheidungen und sonstigem Unterlassen (Fischer, a.a.O., § 339 Rn. 24).“