Im „Kessel Buntes“ heute dann zweit Entscheidungen zur Fristversäumung und der Frage der Wiedereinsetzung. Beide Entscheidungen stammen nicht aus dem Straf- bzw. Bußgeldderfahren, aber die Ausführungen des BGH bzw. des VGH Baden-Württemberg haben ggf. auch in diesen Verfahren Bedeutung.
Hier kommt dann zunächst der BGH, Beschl. v. 31.07.2024 – XII ZB 573/23 – zur Prüfpflicht des Rechtsanwalts betreffend Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen. Gestritten wird um die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung einer Beschwerdebegründungs-frist. Das AG hatte den Antragsgegner in einem Verfahren nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG (sonstige Familiensache) verpflichtet, an die Antragstellerin, seine von ihm getrennt lebende Ehefrau, einen Betrag von 293.000 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 25.7.2023 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 24.8.2023 beim AG Beschwerde eingelegt und diese am 02.10.2023 begründet. Das AG hat den mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Schriftsatz am 4.10.2023 auf elektronischem Wege an das OLG weitergeleitet. Durch Beschluss vom selben Tag hat das OLG darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Beschwerde des Antragsgegners als unzulässig zu verwerfen, weil eine Rechtsmittelbegründung nicht innerhalb der Frist des § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG eingegangen sei. Dieser Hinweis ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 06.10.2023 zugegangen.
Am 11.10.2023 hat der Antragsgegner beim OLG Wiedereinsetzung in die versäumte Be-schwerdebegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er unter Vorlage einer eidesstattli-chen Versicherung einer Mitarbeiterin seines Verfahrensbevollmächtigten u.a. ausgeführt, diese sei in der Kanzlei für die Fristenverwaltung zuständig. In den mehr als 20 Jahren ihrer Beschäftigung sei ihr bislang kein Fehler im Fristenkalender unterlaufen. Nach der Organisation des Büros werde zunächst eine Vorfrist von einer Woche eingetragen, wobei die Fristen sowohl in einem gesonderten Fristenkalender als auch digital in der Anwaltssoftware notiert würden. Neben der Vorfrist gebe es ferner die sogenannte Notfrist. Der Verfahrensbevollmächtigte kon-trolliere regelmäßig die Einhaltung der Fristen. Sämtliche Mitarbeiter seien bei Aufnahme ihrer Tätigkeit über die Regelungen für die Fristen-kontrolle und deren Bedeutung belehrt worden. Diese Belehrungen würden auch regelmäßig wiederholt, zuletzt am 04.08.2023. Der Verfahrensbevollmächtigte habe beim Diktat der Be-schwerdeschrift explizit erklärt, dass die Frist für die Beschwerdebegründung einen Monat betrage und diese allerspätestens am 25.09.2023 beim OLG, hilfsweise beim Familiengericht, ein-zugehen habe. Er habe ferner diktiert, dass ihm die Akte zur Vorfrist am 18.9.2023 vorgelegt werden solle, damit ausreichend Zeit für die Rechtsmittelbegründung verbleibe. Tatsächlich habe Frau E. die Vorfrist aber versehentlich für den 18.10.2023 und die Notfrist für den 25.10.2023 eingetragen. Dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners sei dies nicht aufgefallen, da er auf die ordnungsgemäße Einhaltung und Beachtung der Fristen vertraut habe und aufgrund seiner Arbeitsbelastung eine Kontrolle nicht erfolgt sei. Erst durch den Hinweis des OLG vom 04.10.2023 habe er den Fehler bemerkt und nach seiner urlaubsbedingten Abwesenheit vom 03. bis zum 10.10.2023 den Wiedereinsetzungsantrag gestellt.
Das OLG hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet zurück-gewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, die keinen Erfolg hatte.
Hier dann (nur) die Leitsätze des BGH, und zwar:
1. Hat der Verfahrensbevollmächtigte eines Beteiligten die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift seinem angestellten Büropersonal übertragen, ist er verpflichtet, das Arbeitsergebnis vor Versendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach sorgfältig auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 26.01.2023 – I ZB 42/22, NJW 2023, 1969). Dazu gehört auch die Prüfung, ob das für die Entgegennahme der Rechtsmittelschrift zuständige Gericht richtig bezeichnet ist.
2. Reicht ein Beteiligter eine Rechtsmittelschrift bei einem unzuständigen Gericht ein, so entspricht es regelmäßig dem ordentlichen Geschäftsgang, dass die Geschäftsstelle die richterliche Verfügung der Weiterleitung des Schriftsatzes an das zuständige Gericht am darauffolgenden Werktag umsetzt (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 20.04.2023 – I ZB 83/22, ZIP 2023, 1614). Geht ein fristgebundener Schriftsatz erst einen (Werk-)Tag vor Fristablauf beim unzuständigen Gericht ein, ist es den Gerichten daher regelmäßig nicht anzulasten, dass die Weiterleitung des Schriftsatzes im ordentlichen Geschäftsgang nicht zum rechtzeitigen Eingang beim zuständigen Gericht geführt hat (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 26.01.2023 – I ZB 42/22, NJW 2023, 1969).
Fazit: Der Rechtsanwalt muss darauf achten, dass er eigenverantwortlich prüft und ggf. dazu dann auch (ausreichend) vortragen. Auch das war hier nicht geschehen.