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Haftprüfungstermin, oder: „Verhandelt“?

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Und als zweite Entscheidung des Tages stelle ich den LG Bad Kreuznach, Beschl. v.  2 KLs 1042 Js 12567/18 – vor. Gestritten worden ist um den Anfall der Nr. 4102, 4103 VV RVG. Und zwar ging es wieder mal um den Begriff des „Verhandelns“ bei der Nr. 3.

Die UdG hatte die Gebühr zunächst mit Zuschlag festgesetzt, dagegen hatte ich natürlich der Bezirksrevisor gewendet mit der Folge, dass der Zuschlag wieder abgesetzt worden ist. Das LG hat es dann aber gerichtet:

„Mit Festsetzungsentscheidung vom 10.03.2020 (BI. 760 d. A.) setzte die Urkundsbeamtin des Landgerichts Bad Kreuznach die aus der Staatskasse zu, zahlende Vergütung für Rechtsanwalt Scheffler nach seinen Anträgen vom 06.08.2019 (BI. 737 d.A.) und vom 21.01.2020 (BI. 746 d.A) auf insgesamt 3.081,33 Euro (für die erste Instanz 2.339,96 Euro und die zweite Instanz 741,37 Euro) fest.

Gegen diese Festsetzung legte die Bezirksrevisoriri für die Staatskasse am 12.03.2020 Erinnerung (BI. 762 d. A) ein. Zur Begründung führte sie aus, dass die Vergütung für das erstinstanzliche Verfahren und das Ermittlungsverfahren lediglich auf 2.142,42 Euro festzusetzen sei, da die geltend gemachte Gebühr nach Nrn. 4103, 4102 Ziffer 3 VV RVG für den Termin (Haftprüfung) am 21.02.2019 nicht entstanden sei. Voraussetzung für das Entstehen der Gebühr sei neben der Teilnahme am Termin ein Verhandeln über die Anordnung oder Fortdauer der. Untersuchungshaft. Die hierfür erforderlichen Erklärungen oder Stellungnahmen, die ein solches Verhandeln belegen, seien aber dem Protokoll vom 21.02.2019 nicht zu entnehmen. Dort sei lediglich festgehalten, dass der Verteidiger und der Beschuldigte den Haftprüfungsantrag zurückgenommen haben, was kein Verhandeln im Sinne der Gebührenziffer 4102 Ziffer 3 VV RVG darstelle.

Der Pflichtverteidiger erklärte daraufhin mit Schreiben vom 06.05.2020 (BI. 770 d.A), dass sich aus dem Protokoll nicht der gesamte Inhalt des Termins ergebe. Im Termin habe er Ausführungen zur fehlenden Fluchtgefahr und zu den festen Bindungen seines Mandanten an seine Frau und die Kinder gemacht. So habe er dargelegt, dass pp1 sich dem Verfahren nicht entziehe, sondern nur zurück zu seiner Familie wolle. Nachdem Staatsanwalt pp. dann jedoch im Termin bekanntgegeben habe, dass sich die Ehefrau samt Kindern nach Tunesien abgesetzt habe und zwischenzeitlich ebenfalls per Haftbefehl gesucht werde, habe er den Haftprüfungsantrag zurückgenommen, weil er vor diesem Hintergrund eine Erfolgsaussicht für sein Anliegen, die Untersuchungshaft zu beenden, nicht mehr zu erkennen vermocht habe.

Im Wege der Abhilfe der Erinnerung setzte die Urkundsbeamtin am 08.06.2020 die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung unter Berücksichtigung der Ausführungen der Bezirksrevisrin auf 2.883,79 Euro fest. Die Abhilfeentscheidung wurde Rechtsanwalt pp. am 22.06.2020 zugestellt.

Mit Schriftsatz, eingegangen bei Gericht am 23.06.2020 legte Rechtsanwalt pp. sodann Erinnerung „gegen die Absetzung der Gebühr für den Haftprüfungstermin“ ein und versicherte den bereits mit Schreiben vom 06.05.2020 geschilderten Ablauf anwaltlich.

Der Erinnerung half die Urkundsbeamtin nicht ab.

Die Erinnerung ist statthaft. Die angefochtene Entscheidung betrifft die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 RVG. Diesbezügliche Beschlüsse des Urkundsbeamten sind zunächst mit der Erinnerung anfechtbar, über die — im Fall der Nichtabhilfe — das Ursprungsgericht zu befinden hat (§ 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 4 Satz 1, Abs. 7, Abs. 8 RVG). Die auf eine Erinnerung der Bezirksrevisorin ergangene Abhilfeentscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle stellt sich als (abgeänderte) Festsetzung der Pflichtverteidigergebühr dar und ist als solche — erneut — mit der Erinnerung anfechtbar (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.02.2010 -111-1 Ws 700/09). Der Erinnerung von Rechtsanwalt pp. vom 23.06.2020 hat die Urkundsbeamtin nicht abgeholfen (Vermerk vom 09.07.2020, Bl. 781R d.A.), so dass nunmehr die Strafkammer über das Rechtsmittel zu entscheiden hat……………..

………………Die Erinnerung ist zudem begründet, die Terminsgebühr nach Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG ist angefallen. Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG sieht eine Terminsgebühr für die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung vor, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung verhandelt wird. Zwar mag das vorausgesetzte Verhandeln über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft mehr als die bloße Erklärung einer Antragsrücknahme voraussetzen (LG Osnabrück, Beschluss vom 28.06.2018 — 15 KLs 35/16 -, juris; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25.06.2015 — 1 Ws 85/14 -), nach gebotener Sachaufklärung hat sich jedoch herausgestellt, dass über die nicht wortgetreue Dokumentation im Protokoll hinaus, der Antragsrücknahme eine Erörterung der Fortdauer der Untersuchungshaft im Hinblick auf das Fortbestehen des Haftgrundes der Fluchtgefahr vorangegangen war. Diese Vorgänge, die der Erinnerungsführer bereits in seinem Schreiben vom 06.05.2020 ausgeführt und sodann mit Erinnerungsschreiben vom 23.06.2020 durch anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht hat, hat auch Staatsanwalt pp. nach telefonischer Rückfrage der Unterzeichnerin bestätigt. Mit diesen Erklärungen oder Stellungnahmen des Erinnerungsführers, die dazu bestimmt waren, die Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden, hat eine Verhandlung im Sinne der Gebührenziffer Nr. 4102 Ziffer 3 VV RVG stattgefunden.“

Warum braucht man dafür ein LG?

Frage: Was bedeutet „Verhandeln“?

GeldsackDas RVG verwendet in Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG bei der Vernehmungsterminsgebühr den Begriff des „Verhandelns“. Danach entsteht die Terminsgebühr (nur) für die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung , in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung verhandelt wird. Was ist nun ein „Verhandeln“ i.S. dieser Vorschrift. Da gehen die Meinungen auseinander.

Weitgehend einig ist man sich, dass bloß die Verkündung des Haftbefehls, z.B. in einem reinen „Verkündungstermin“ nicht zum Anfall der Gebühr führt, wohl aber die Teilnahme des Verteidigers an einem Haftprüfungstermin. Da scheiden sich dann aber die Geister, wann man es denn mit einem Haftprüfungstermin zu tun hat. Dazu hat jetzt noch einmal das OLG Jena im OLG Jena, Beschl. v. 15.10.2013 – 1 Ws 344/13:

„Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG sieht eine Terminsgebühr (nur) für die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung vor, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung verhandelt wird. Ein „Verhandeln“ liegt nicht vor, wenn nur ein Haftbefehl verkündet wird. Reine Haftbefehlsverkündungstermine werden daher nicht gesondert honoriert; vielmehr entsteht eine Terminsgebühr nur, wenn in dem Termin mehr geschehen ist als die bloße Haftbefehlsverkündung (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 31.10.2008, (1) 2 StE 6/07 – 6 (6/07); OLG Hamm, Beschluss vom 27.11.2006, 2 (s) Sbd 9 – 117/06; OLG Hamburg, Beschluss vom 21.02.2006, Ausl 24/05; OLG; Gerold/Schmitt-Burhoff, RVG, 20. Aufl., VV 4102 Rn. 13). Ein „Verhandeln“ über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft ist insbesondere nicht schon dann gegeben, wenn der Verteidiger dem inhaftierten Angeklagten bei dessen Vorführung vor dem Haftrichter lediglich anrät, keine Angaben zur Sache zu machen und dieser hierauf schweigt (vgl. OLG Hamm a.a.O.). Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss des Landgerichts Meiningen verwiesen.

 Das Landgericht hat im Übrigen zu Recht angenommen, dass die Terminsgebühr auch nicht nach Nr. 4102 Ziff. 1 VV RVG entstanden ist, nach dem eine Terminsgebühr für die Teilnahme an richterlichen Vernehmungen und Augenscheinseinnahmen anfällt. Denn allein das Gewähren von rechtlichem Gehör an einen von der Möglichkeit zur Äußerung keinen Gebrauch machenden Angeklagten macht aus einer Vorführung noch keine „Vernehmung“ (vgl. Gerold/Schmitt-Burhoff, a.a.O. Rn. 9).“

Kann man auch anders sehen – und wird zum Teil in der Rechtsprechung auch anders gesehen.

 

35 Minuten – dafür gibt es auf jeden maximal Fall 137 € – der Hafttermin

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Das RVG sieht in der Nr. 4102, 4103 VV RVG eine sog. (Vernehmungs)Terminsgebühr für einige außerhalb der Hauptverhandlung stattfindende Termine vor. Letztlich sind die Gebühren nicht an besondere Voraussetzungen geknüpft, ausreichend ist – wie bei anderen Terminsgebühren auch – letztlich die Teilnahme des Rechtsanwalts an dem jeweils genannten Termin. Nur bei der Nr. 4203 Ziff. 3 VV RVG muss zusätzlich hinzukommen, dass in dem Hafttermin, um den es da geht , auch „verhandelt“ worden sein muss. Und um die Frage, wann denn „verhandelt“ worden ist bzw. was „Verhandlung“ bedeutet, gibt es immer wieder Streit.

Ausgehen muss man bei der Auslegung der Vorschrift von ihrem Sinn und Zweck. Der Begriff „Verhandeln“ soll verhindern, dass auch bloß kurzfristige Haftbefehlseröffnungen zu einer Terminsgebühr führen. Der Gesetzgeber ist wohl davon ausgegangen, dass Verteidiger nichts anderes zu tun haben, als ggf. an Haftbefehlseröffnungen teilzunehmen, um als Pflichtverteidiger dann später ggf. die Gebühr Nr. 4102, 4103 VV RVG mit einem Festbetrag von max. 137 € (für bis zu drei Termine!!!)  abrechnen zu können. Deshalb entsteht die Gebühr nicht, wenn im Termin lediglich eine Aushändigung und Bekanntgabe, also die Verkündung eines schon bestehenden Haftbefehls gemäß § 114 a StPO, stattfindet. Alles, was darüber hinaus passiert, wird aber i.d.R. zu der Gebühr N.r 4102, 4103 VV RVG führen

So auch der LG Traunstein, Beschl. v.  20.09.2012 – 1 Ks 201 Js. 3874/1 . Da hatte der Termin 35 Minuten gedauert und es ist auch einiges „passiert“ mit der Folge, dass die Gebühr gewährt worden ist.

Insgesamt dauerte der Termin vor der Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Rosenheim 35 Minuten. Schon aufgrund des dargestellten Ablaufs und der Dauer dieses Termins steht für die Strafkammer hier außer Frage, dass ein ‚Verhandeln“ stattfand, das Grundlage für den Erlass des Haftbefehls und für den Beschluss über die Pflichtverteidigerbestellung war. Es fand nicht nur die bloße Aushändigung oder Bekanntgabe eines schon bestehenden Haftbefehls gemäß § 114 a StPO statt, sondern eine Verhandlung mit Anhörung und Antragstellung, deren Ergebnis der Erlass des Haftbefehls (ohne Außervollzugsetzung), also eine Entscheidung über Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft war. Ein stärker belastendes und bindendes Ergebnis dieser „Verhandlung“ vor der Ermittlungsrichterin ist kaum denkbar.

Insoweit an sich nichts Besonderes. Aber: Das LG setzt sich dann auch noch mit der Frage auseinander, wie es mit mit dem Anfall der Gebühr aussieht, wenn der Beschuldigte im Termin schweigt/sich nicht einlässt. Und die Ausführungen bieten Argumentationshilfe in anderen Fällen:

Der Beschuldigte hatte nach Eröffnung des Tatvorwurfs und nach Belehrung über seine Verfahrensrechte über seinen Verteidiger nicht bloß geschwiegen, sondern die ausdrückliche Erklärung abgegeben, dass er derzeit keine weiteren Angaben mache; damit hat er von einer ihm zuvor eröffneten Möglichkeit, nämlich inhaltlich sich nicht zur Sache zu äußern, Gebrauch gemacht; prozessual hat er sich aber insoweit geäußert,

 Würde an diese dem Beschuldigten frei zur Auswahl stehende Wahlmöglichkeit nachträglich im Wege des Kostenrechts die Folge geknüpft, dass der Verteidiger für die Teilnahme an dem Termin keine Gebühr erhielte, so würde über den Umweg des Kostenrechts Druck auf den Beschuldigten ausgeübt und er in seiner Entscheidungsfreiheit beschränkt, weil ihm wegen der kostenrechtlich nachteiligen Folgen für seinen Verteidiger es zweckmäßiger erscheinen könnte und müsste, sich Inhaltlich zur Sache zu äußern, damit sein Verteidiger keinen Gebührennachteil erleidet Dies würde aber im Widerspruch zu der dem Beschuldigten vorher eröffneten Wahlfreiheit stehen, sich inhaltlich zur Sache zu äußern oder nicht, und dieses Verfahrensgrundrecht („nemo tenetur se ipsum accusare“) aushöhlen.