Und dann noch am OWi-Tag den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.01.2025 – 1 ORbs 210 SsBs 740/24. Der äußert sich – auch schon wieder Abwesenheit – zur Zulässigkeit eines Verwerfungsurteils.
Das AG hatte den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Das Urteil wurde damit begründet, dass der Betroffene ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei und auch nicht durch einen mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden sei. In einem von dem Betroffenen vorgelegten Attest von Dr. pp. vom 04.09.2024 sei lediglich festgehalten, dass der Betroffene aufgrund einer akuten Infektionserkrankung bis einschließlich 10.09.2024 nicht transport- und verhandlungsfähig sei. Es sei weder aufgeführt, um welche Erkrankung es sich handle, noch welche Symptomatik sich aktuell zeige und welche daraus resultierenden konkreten körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen bestünden, die eine Teilnahme an der Hauptverhandlung unmöglich machen oder unzumutbar erscheinen ließen, Eine fernmündliche Rücksprache des Gerichts mit dem ausstellenden Arzt Dr. pp. habe zu keiner Konkretisierung geführt Der Arzt habe lediglich ausgeführt, es handle sich um eine akute Infektionskrankheit mit der man nicht arbeiten gehen könne. Vor diesem Hintergrund sei das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass der Betroffene nicht ausreichend entschuldigt sei. Eine Infektionskrankheit – auch wenn sie möglicherweise zu einer Arbeitsunfähigkeit führe – führe perse nicht zu einer Verhandlungsunfähigkeit. Dass es sich um eine schwerwiegende oder gar lebensbedrohliche Erkrankung handle, halte das Gericht bereits vor dem Hintergrund, dass das Attest eine Verhandlungsunfähig-kelt von weniger als einer Woche konstatiere, für nicht wahrscheinlich.
Dagegen die erfolgreiche Rechtsbeschwerde des Betroffenen:
„Die Verfahrensrüge greift auch durch. Für die Frage, ob der Betroffene für sein Ausbleiben genügend entschuldigt ist, kommen die zu § 74 Abs. 2 OWiG entwickelten Grundsätze zur Anwendung. Danach ist der Betroffene nicht erst dann entschuldigt, wenn er verhandlungsunfähig ist, sondern schon, wenn ihm wegen einer Erkrankung die Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht zugemutet werden kann. In aller Regel wird dabei die Vorlage eines zeitnahen ärztlichen Attestes ausreichen. Erscheint dem Gericht das Attest nicht aussagekräftig genug oder hat es Zweifel an der Richtigkeit der bescheinigten Erkrankung, so hat es sich im Freibeweisverfahren, gegebenenfalls durch telefonische Nachfrage beim behandelnden Arzt, die erforderliche Aufklärung zu verschaffen. Denn es kommt im Ergebnis darauf an, ob der Betroffene genügend entschuldigt ist, nicht, ob er sich In ausreichendem Maße entschuldigt hat (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.09.1994 – 3 Ss 44/94, NJW 1995, 2571). Bestehen Zweifel, ob der Betroffene genügend entschuldigt ist und können diese auch im Freibeweisverfahren nicht geklärt werden, darf ein Verwerfungsurteil nicht ergehen (KG Beschluss vom 12.10.2017 – 3 Ws (B) 257/17, BeckRS 2017, 140690).
Diese Grundsätze hat das Amtsgericht nicht hinreichend beachtet Aus dem Urteil ergibt sich, dass sich das Attest auf die Diagnose einer ‚Akuten Infektionserkrankung‘, aufgrund welcher der Betroffene nicht transport – und verhandlungsfähig sei, beschränkte. Zu Recht führten diese unpräzisen Angaben dazu, dass bei dem zuständigen Richter Zweifel an einer genügenden Entschuldigung des Betroffenen aufkamen und er daher fernmündlich mit dem ausstellenden Arzt Rücksprache hielt Den Urteilsgründen ist jedoch auch zu entnehmen, dass diese Rücksprache zu keiner weiteren Konkretisierung führte. Bei dieser Sachlage, bei der die bestehenden Zweifel durch die Rücksprache mit dem Arzt offensichtlich nicht ausgeräumt werden konnten, sondern nach der Rücksprache derselbe Kenntnisstand wie zuvor, der eine weitere Aufklärung erforderlich machte,-bestand, durfte ein Verwerfungsurteil nach den oben ausgeführten Maßstäben nicht ergehen. Nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen verbleibende Zweifel dürfen nicht zu Lasten des Betroffenen gehen (vgl. BeckOK OWiG/Hettenbach, 44. Ed. 01.10.2024, OWiG § 74 Rn. 33 m.w.N.).“