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Unzulässige Vernehmungsmethode, oder: Trau niemals deinem Zellengenossen

entnommen wikimedia.org
Author Denis Barthel

Und zum Tagesabschluss weise ich dann nochmals auf das BGH, Urt. v. 01.12.2016 – 3 StR 230/16 – hin. Darüber hatte ich ja schon mal berichtet, und zwar wegen der Frage der Wiederaufnahme des Verfahrens nach Nichteröffnung aufgrund neuer Tatsachen (vgl. Nichteröffnung des Verfahrens –> Wiederaufnahme, oder: Was sind neue Tatsachen?9.

Heute geht es dann um die Frage des § 136a StPO. In dem Urteil v. 01.12.2106 ging es um die Vewertung von Informatione, die ein zeuge vom Angeklagten durch Täuschung erlangt hatte. Dazu folgender Sachverhalt:

„Der Angeklagte wurde am 3. April 2014 unter dem dringenden Tatverdacht eines weiteren Mordes festgenommen und befand sich seitdem in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede. Nachdem am 15. April 2014 ein ehemaliger Zellengenosse gegenüber der Polizei bekundet hatte, ihm gegenüber habe der Angeklagte geständige Andeutungen zur verfahrensgegenständlichen Tat gemacht, erhielt sie am 22. April 2014 von einem Zeitungsredakteur einen Hinweis darauf, dass der Angeklagte gegenüber einem anderen, mittlerweile entlassenen Mithäftling diese Tat gestanden habe. Am 24. April 2014 nahm die Polizei, um dem Hinweis nachzugehen, telefonisch Kontakt mit der Justizvollzugsanstalt auf und erfuhr bei dieser Gelegenheit, dass sich der Angeklagte sehr unauffällig und zurückgezogen verhalte, allerdings bei einem Besuch der Sanitätsabteilung mit dem inhaftierten Zeugen K. – dessen Angaben zufolge am 23. April 2014 – in Kontakt getreten sei. Am 28. April 2014 wurde der Zeuge erstmals von einem von der zuständigen Polizeibehörde im Wege der Amtshilfe ersuchten Polizeibeamten aufgesucht; diesem berichtete er, er wolle die Tat aufklären und habe den Angeklagten fast „geknackt“. Er bat um gemeinsame Zellenumschlüsse mit dem Angeklagten, die es in der Folgezeit allerdings nicht gab. Bei diesem ersten Gespräch offenbarte der Zeuge, dass er eine Haftverkürzung erstrebe und die anderen Gefangenen in sein Vorhaben eingeweiht habe, damit er das Vertrauen des Angeklagten gewinnen könne.

Am 5. Mai 2014 teilte die Justizvollzugsanstalt der Polizei mit, der Angeklagte habe die verfahrensgegenständliche Tat gegenüber dem Zeugen K.  gestanden. Daraufhin suchten am 7. Mai 2014 zwei Polizeibeamte den Zeugen im Beisein seines Rechtsanwalts auf; der Zeuge bestätigte das Geständnis des Angeklagten, erklärte allerdings, er beabsichtige erst dann umfassend auszusagen, wenn mit der für ihn zuständigen Staatsanwaltschaft geklärt sei, inwieweit sich seine Angaben positiv auf die anstehende Entscheidung über die Aussetzung des restlichen Drittels seiner Haftstrafe zur Bewährung auswirkten. Der für das Ermittlungsverfahren zuständige Staatsanwalt wies am 8. Mai 2014 den Rechtsanwalt des Zeugen K.  telefonisch darauf hin, dass er mangels Zuständigkeit diesem und auch dem Zeugen H. keine Zusagen erteilen könne.

Etwa einen Monat später, am 5. Juni 2014, fand die erste polizeiliche Vernehmung der beiden Zeugen statt, wobei der Zeuge K. das – zuvor zurückgehaltene – erste „schriftliche Geständnis“ des Angeklagten vom 1. Mai 2014 übergab. Dass er zu diesem Zeitpunkt im Besitz einer handschriftlichen Skizze vom Ablageort der Leiche und eines zweiten „schriftlichen Geständnisses“ war, das der Angeklagte in der Zeit vom 16. bis 20. Mai 2014 unterzeichnet hatte, offenbarte der Zeuge indes nicht. Die Skizze wurde am 30. Juni 2014 von seinem Rechtsanwalt der Polizei übergeben, nachdem am 22. Juni 2014 ein Brief der Zeugen K. und H. angehalten worden war, mit dem sie sich bezüglich ihrer Aufklärungsarbeit an die Presse wandten. Ebenfalls über die Presse wurde Anfang September 2014 bekannt, dass noch das zweite „schriftliche Geständnis“ des Angeklagten existierte, woraufhin ein Durchsuchungsbeschluss für die Zelle des Zeugen K.    erwirkt und vollzogen wurde. Im Rahmen der diesbezüglich geführten weiteren Vernehmung des Zeugen vom 18. September 2014 händigte er das zweite „schriftliche Geständnis“ des Angeklagten aus und räumte ein, dieses zurückbehalten zu haben, um durch eine Weitergabe an die Presse Druck wegen seiner eigenen vorzeitigen Entlassung aus der Haft aufzubauen und etwas Geld zu verdienen.“

Der BGH sagt zur Frage des § 136a StPO:

Allein die Entgegennahme von belastenden Informationen durch die Ermittlungsbehörden, die ein Zeuge durch Täuschung des Beschuldigten erlangt hat, führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Eine Pflicht, dies zu unterbinden, trifft die Ermittlungsbehörden grundsätzlich nicht.

„Soweit der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 21. Juli 1998 (5 StR 302/97, BGHSt 44, 129) davon ausgegangen ist, dass ein Beweisverwertungsverbot auch bei einem behördlichen Nichteinschreiten in Betracht kommt, hat dem der Ausnahmefall zugrunde gelegen, dass eine Mitinhaftierte, die nach eigenem Bekunden schon jahrelang mit der Polizei zusammengearbeitet hatte, die Angeklagte mittels abergläubischer Rachedrohungen, nicht ausschließbar unter Verabreichung von sedierenden Betäubungsmitteln zu Angaben veranlasste (sog. „Wahrsagerinnen-Fall“). Hiermit ist der vorliegende Fall nicht zu vergleichen.“

Also: Immer aufpassen, wem man etwas erzählt.