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Haft I: Keine Doppelakten – kein Haftbefehl

© Avanti/Ralf Poller

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So ganz häufig sind (Haft)Entscheidungen, in denen die OLG Haftbefehle der Instanzgerichte aufheben m.E. in der Praxis nicht. Ich habe jetzt aber ein paar Entscheidungen des KG vorliegen, über die ich in nächster Zeit berichten will, in denen das anders. Beginnen möchte ich mit einem Klassiker, nämlich der versäumten Anlegung von Doppelakten. Ein Fehler, der bei AG häufiger gemacht wird, und dann, wenn es dadurch zu Verzögerungen kommt, doch immer wieder zur Aufhebung führt. So auch im KG, Beschl. v. 28.10.2013 – 4 Ws 132/13 —141 AR 558/13 -, in dem das KG, nachdem es allgemeine Ausführungen zum Beschleunigungsgrundsatz gemacht hat, die ich hier als bekannt voraussetze, ausführt:

„Zwar sind die polizeilichen Ermittlungen in dieser Sache mit großer Beschleunigung geführt worden. Die Amtsanwaltschaft hat am 2. September 2013 und damit weniger als zwei Wochen nach Festnahme der Angeschuldigten Anklage erhoben. Die Strafrichterin hat die Anklageübersendung zeitnah unter kurzer Fristsetzung verfügt. Zur Eröffnungsentscheidung und Terminierung sollte ihr die Akte unmittelbar nach Fristrablauf am 12. September 2013 vorgelegt werden. Für den Fall der Eröffnung des Hauptverfahrens war mit beiden Verteidigern der 23. September 2013, 9.00 Uhr, als Termin zur Hauptverhandlung abgesprochen. Damit war eine bei der gegebenen Sachlage angemessene Verfahrensdauer von viereinhalb Wochen zwischen Festnahme der Angeschuldigten und Hauptverhandlung, in der angesichts der übersichtlichen Beweislage und des wenig komplexen Tatgeschehens auch mit dem Abschluss des Verfahrens in erster Instanz zu rechnen gewesen wäre, abgesteckt.

Zu der in Aussicht genommenen gerichtlichen Entscheidung über die der Angeschuldigten vorgeworfenen Tat in angemessener Zeit konnte es aber nicht kommen, weil nach Eingang der Haftbeschwerde der Angeschuldigten am 6. September 2013 beim Amtsgericht kein Beschwerdeband gefertigt, sondern dem Landgericht die — zu diesem Zeitpunkt lediglich 86 Blatt umfassende — Originalakte zur Entscheidung über das Rechtsmittel übersandt worden ist. Da beim Amtsgericht auch keine Wiedervorlagefrist für ein anzulegendes Retent notiert wurde, ist der Vorgang dort aus dem. Blick geraten. Soweit der Beschwerdeband, den das Landgericht nach Eingang der weiteren Beschwerde hat anlegen lassen und in welchem die Kammer (offenbar zeitnah zum Eingang des Rechtsmittels) eine Nichtabhilfeentscheidung getroffen hat, in der Folgezeit in Verlust geraten ist, hat jedenfalls die Angeschuldigte (auch) die hier-durch eingetretene Verzögerung nicht zu vertreten.

Die gebotene Förderung des Verfahrens hat danach seit dem 11. September 2013 nicht mehr stattgefunden; über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist annähernd fünf Wochen nach der ursprünglich vorgesehenen Durchführung der Hauptverhandlung noch nicht entschieden. Die durch die fehlerhafte Sachbehandlung eingetretene, von der Angeschuldigten nicht zu vertretende und vermeidbare Verfahrensverzögerung ist nicht unerheblich und könnte auch durch besonders beschleunigte Bearbeitung nach Rückkehr der Akte zum Amtsgericht nicht mehr hinreichend ausgeglichen werden. Der Haftbefehl war danach ohne Rücksicht auf die Straferwartung aufzuheben, so dass es auf weitere Verhältnismäßigkeitserwägungen nicht mehr ankam.“

U-Haft als Sanktion? Nein!

© chris52 - Fotolia.com

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Vom KG habe ich vor einiger Zeit mal wieder einige Haft-Beschlüsse erhalten, von denen ich heute den KG, Beschl. v. 06.08.2013 – (4) 141 HEs 41/13 (19-21/13) – vorstellen möchte, allerdings nur mit den Leitsätzen und ansonsten mit der Bitte, die umfassend begründete Entscheidung dann als Volltext im „Selbststudium“ zu lesen. Die (amtlichen) Leitsätze fassen aber sehr schön die mit der besonderen Haftprüfung nach sechs Monaten gem. § 121 StPO zusammenhängenden Fragen zusammen. Sie lauten:

1. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO liegt vor, wenn das Verfahren durch Umstände verzögert wird, denen Strafverfolgungsbehörden und Gerichte durch geeignete Maßnahmen nicht haben entgegen wirken können.

2. Der in Art. 2 Abs. 2 GG verankerte Beschleunigungsgrundsatz verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte von Anfang an alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfene Tat herbeizuführen. Die in § 121 Abs. 1 StPO bestimmte Frist stellt eine Höchstgrenze dar.

3. Im Jugendstrafverfahren findet das Beschleunigungsgebot eine noch einmal gesteigerte Ausprägung.

4. Auf die bloße Wahrnehmung prozessualer Rechte darf, auch wenn sie ihrerseits das Verfahren verzögert, in keinem Fall – schon gar nicht im Sinne einer offenen Sanktionierung – mit einer Verlängerung der Untersuchungshaft reagiert werden.

5. Das in Haftsachen zu beachtende Gebot einer bestmöglichen Verfahrensförderung verlangt eine möglichst frühzeitige Planung und Vorbereitung der Hauptverhandlung, die bei voraussichtlich umfangreichen Sachen je nach Fallgestaltung eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umfassende Hauptverhandlungsplanung mit effizienten Ladungen und Festlegung eines straffen Verhandlungsplans sowie mehr als einen (voll auszuschöpfenden) Hauptverhandlungstag pro Woche erfordert.

6. Bei einer Aussetzung der Hauptverhandlung kommt die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft nur in Betracht, wenn jene aus sachlichen Gründen zwingend geboten bzw. unumgänglich war. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Aussetzung nicht durch Fehler und/oder Versäumnisse im Ermittlungsverfahren oder bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung verursacht worden ist.

Sehr schön der Leitsatz unter Ziffer 4. Manchmal hat man allerdings den Eindruck, dass das in der Praxis anders gesehen und auch anders verfahren wird.

Der Vorsitzende ist ein „Rassist“ und der frühere Verteidiger ein „alter Sack“ und „Teufel auf zwei Beinen“ ….

© Gina Sanders - Fotolia

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Der inhaftierte Angeklagte bezeichnete in einem Brief an seine Verlobte den Vorsitzenden der großen Strafkammer, bei der gegen ihn u.a. wegen Geiselnahme und Körperverletzung verhandelt wurde, als „Rassist“ sowie seinen früheren Verteidiger als „alter Sack“ und „Teufel auf zwei Beinen“. Der Brief wird – zusammen mit einem anderen – von der Strafkammer im Rahmen der Briefkontrolle angehalten und beschlagnahmt, und zwar u.a. deshalb, weil er als Beweismittel in einem Verfahren wegen Beleidigung in Betracht kommen könnte. Dagegen die Beschwerde des Angeklagten, die allerdings beim OLG Köln keinen Erfolg hatte. Der OLG Köln, Beschl. v. 25.04.2013 – 2 Ws 244/13 führt aus:

  • Ohne Zweifel sei die Bezeichnung des Vorsitzenden  als „Rassist“ sowie des früheren Verteidigers als „…“, „alter Sack“ und „Teufel auf zwei Beinen“ grundsätzlich geeignet, den Straftatbestand der Beleidigung zu erfüllen, ebenso, wie die Behauptung, Vorsitzender und Verteidiger hätten in kollusivem Zusammenwirken aus verfahrensfremden Gründen, insbesondere wirtschaftlichen Interessen, mittels Unterdrückung von Entlastungsbeweisen die rechtswidrige Verurteilung des Angeklagten betrieben, im Falle einer nicht geschützten Kundgabe gegenüber Dritten den Straftatbestand der üblen Nachrede erfüllen würde. Jedoch verkenne der Beschluss des LG, dass die vertrauliche Kommunikation in Briefen an einen Familienangehörigen oder eine Vertrauensperson – auch die freimütige Kundgabe des eigenen Urteils über Verhältnisse und Personen oder eine entlastende Selbstdarstellung – als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung dem Schutz des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art 1 Abs. 1 GG unterliegen (vgl. BVerfG, 1 BvR 1689/88; BVerfGE 90, 255, 260). Die Äußerungen des Angeklagten in den Briefen an seine Verlobte unterliegen nach Auffassung des OLG ungeachtet ihres Inhaltes dem Schutz der Privatsphäre. Dieser sei nicht allein dadurch aufgehoben worden, dass dem Angeklagten bewusst war, dass die Briefe kontrolliert wurden, denn die damit gegebene Einschränkung der Vertraulichkeit seines geschriebenen Wortes war ihm nicht zuzurechnen. …..
  • Allerdings: Das OLG hat die Beschlagnahme dann nach § 119 Abs. 1 S. 7 StPO i. V. m. § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO  als gerechtfertigt angesehen. Der (weitere) Inhalt der Briefe begründe nämlich den dringenden Verdacht , dass der Angeklagte versuchte, in unlauterer Weise auf die Empfängerin, eine Zeugin einzuwirken, in dem er diese zu einer Falschaussage für den Fall einer erneuten Hauptverhandlung nach eventueller Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht oder im Haftprüfungsverfahren zu bestimmen suchte.

Der Angeklagte hat sich u.a. mit folgenden Formulierungen an die Zeugin gewandt:

„Und zwar, weil der B. dich als Zeugin manipuliert hat! Er hat dich am 28.01. angerufen und zu dir gesagt, dass du sofort zu ihm in die Kanzlei kommen sollst. … Vielleicht hat er dich sogar noch sexuell belästigt in seinem Büro?“
„Du hast zu mir gesagt, dass du deiner Mutter, im Vertrauen über Facebook geschrieben hast, dass es keine „Entführung“ gab! Dass du freiwillig mitgekommen bist, es somit keine Entführung gab! Du hast zu deiner Mutter weiterhin gesagt, dass du mich gleich aber aus Rache bei der Polizei falsch belasten willst! Deine Mutter hat dir davon abgeraten, … Als die Polizisten dich dann später vernommen haben, hast du mich dann doch aus Rache belastet!“
„Frag mal ob das geht, dass dein Vater sich hier offiziell hier als Besucher hier anmeldet, und dabei kommst du dann als Ersatz für ihn mit deiner Erlaubnis von der Staatsanwaltschaft!
Sag dass du wegen meiner „Ex“, nicht in der JVA offiziellen Besucher stehen willst! Ob das geht das dein Vater auf der Liste steht, du aber für ihn kommst!
Oder mach es einfach so!
Hol dir ne Erlaubnis, wenn du dann hier bist, sag mein Vater wollte mitkommen, ist aber krank!
So bekommt „Sie“ nix davon mit!“
„Du hast mich ja in deinem Brief gefragt, wie du mir helfen kannst!
So kannst du mir helfen:
Zu mir hast Du gesagt, dass du dich deiner Mutter anvertraut hast, indem du ihr erzählt hast, dass es keine Entführung war …“

Dürfte wohl passen…

Ultra-Szene, Brisanzspielanreise, Hooligangruppierung; oder: Hohe Straferwartung für „Hooligangewalt“

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Passend zum Beginn der Fußballsaison hat mir die (ehemalige) Kollegin aus dem 5. Strafsenat des OLG Hamm den OLG Hamm, Beschl. v.18.07.2013 – 5 Ws 245 u. 266/13 – übersandt. Es geht um eine Haftbeschwerde eines inhaftierten Schweizers, der mit weiteren Fans eines Fußbballvereins zu einem sog. Brisanzspiel eines anderen Vereins angereist war. Am Essener HBF kam es dann zu einer gewaltsamen Auseinandersetzungen und Sachbeschädigungen durch Fans. Als eine Polizeibeamtin dann einen andern „Fan“, ebenfalls schweizer Staatsbürger, nach einer Sachbeschädigung vorläufig festnehmen wollte, kam ihr ein anderer Polizeibeamter zur Hilfe. Sodann näherte sich der Beschuldigte unvermittelt diesem von hinten, um dem durch die Polizeibeamtin Festge­nommenen zur Hilfe zu kommen. Weiter heißt es im Beschluss: „Er holte mit seiner Hand weit hinter seinem Rücken aus und schlug eine Bierflasche mit voller Wucht auf den Hinterkopf des Geschädigten PHK Y, so dass diese zerbrach, der Geschädigte PHK Y bewusstlos zu Boden fiel und eine große Platzwunde erlitt, die im Krankenhaus genäht werden musste.“

Interessant sind m.E. die Ausführungen des OLG zum Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Dazu das OLG:

„aa) Das Landgericht hat mit Recht angeführt, dass der Beschuldigte mit einer er­heblichen, vollstreckbaren Freiheitsstrafe zu rechnen hat.

Sollte der Beschuldigte wegen der ihm zur Last gelegten Tat verurteilt werden, wird im Rahmen der Strafzu­messung – der Strafrahmen des § 224 StGB sieht Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren vor – massiv zum Nachteil des Beschuldigten zu berücksichtigen sein, dass die Tat dem ausgesprochen sensiblen und nicht zuletzt aus generalpräventiven Gründen besonders ahndungswürdigen Bereich der Gewaltanwendung durch „Hooligangruppierungen“ zuzuordnen ist. Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermitt­lungen gehört der Beschuldigte – genauso wie sein ein Jahr älterer Bruder – der sog. „Ultra-Szene“ des schweizerischen Fußballvereins „Young Boys Bern“ an. Ein Teil dieser Szene unterhält Verbindungen zu den Ultra-Gruppierungen des X.u.a. in der Weise, dass Angehörige der Ultra-Bewegung der „Young Boys Bern“ die X- Ultras zu deren „Brisanzspielen“ und „Derbys“ begleiten, wobei einer tätlichen Auseinandersetzung mit gegnerischen Gruppierungen nicht ausgewichen wird bzw. solche gezielt gesucht werden. Diese Ermittlungsergebnisse beruhen auf den ausführlichen, detailreichen und überaus anschaulichen Berichten der Kantonspolizei Bern, die sowohl den Beschuldigten als auch seinen Bruder zweifelsfrei dem zuvor genannten gewaltbereiten Kern der „Ultra-Szene“ der „Young Boys Bern“ zuordnen. Die vorbeschriebenen Ver­bindungen waren den szenekundigen Polizeibeamten bereits im Rahmen des Heimspiels des X.gegen den Z. (3. Liga) im Herbst 2009 aufgefallen. Am Rande des ca. ein halbes Jahr später stattgefundenen Rückspiels zwischen dem Z. und dem X.am 13. März 2010 ist der Beschuldigte erstmals – und zwar einschlägig –  strafrecht­lich in Erscheinung getreten. Das Amtsgericht Osnabrück hat unter dem 30. Juli 2010 (222 Cs 946/10 1100 Js 28589/10) gegen den Beschuldigten wegen einer am 13. März 2010 begangenen versuchten Körperverletzung (zum Nachteil eines Polizeibeamten) eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen verhängt. Insbesondere der Umstand, dass er sich diese Strafe nicht hat zur Warnung gereichen lassen, wird – für den Fall seiner Verurteilung im vorliegenden Verfahren – deutlich strafschärfend zum Nachteil des Beschuldigten zu berücksichtigen sein, und zwar unabhängig davon, ob der Beschuldigte die seinerzeit verhängte Geldstrafe beglichen hat.

Ausweislich des bisherigen Ermittlungsergebnisses kann entgegen der in der Beschwerdebegründung vertretenen Ansicht nicht davon ausgegangen werden, der Beschuldigte sei schon aufgrund seiner bürgerlichen Herkunft und seines beruflichen Werdeganges – mit kaufmännischer Ausbildung und anschließender Tätig­keit in der öffentlichen Verwaltung der Schweiz und dem dortigen Bankenwesen – kein „randständiger Chaot“, sondern als bloßer „Fußballfreund“ zu klassifizieren. Dem Senat ist aus anderen Strafverfahren hinlänglich bekannt, dass die Gewaltbereitschaft von Hooligans gerade keine „Standesgrenzen“ kennt. Ganz im Gegenteil verschaffen vielfach erst die mit einer bürgerlichen Existenz verbundenen finanziellen Mittel die Möglichkeit, grenzüber­schreitend sog. Brisanzspiele „befreundeter“ Ultra-Gruppierungen aufzusu­chen.

Hinzu kommt, dass der Beschuldigte nach einem Bericht der Kantonspolizei Bern vom 21. Mai 2013 in der dortigen landesweiten Datenbank „Hoogan“ bereits mit einem bundesweiten Stadionverbot (für Deutschland) belegt und registriert ist und gleichwohl die Einreise nach Deutschland unternommen hat, um gezielt das o.g. „Brisanzspiel“ zu besuchen.

Auch die Begehung mehrerer Tatalternativen des § 224 StGB – hier jedenfalls Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 – lässt auf eine erhöhte Vorwerfbarkeit schließen. Demgegenüber wird der Beschuldigte sich nicht in einem nennenswerten Maße auf eine vorhandene Alkoholisierung berufen können. Denn ausweislich des nunmehr vorliegenden Alkohol-Untersuchungsbefundes des Univer­sitätsklinikums … vom 13. Mai 2013 hat sich eine nur geringfügige Alkoholisie­rung von 0,39 Promille ergeben. Auch wenn es sich – wie von den Verteidigern zuletzt im Schriftsatz vom 12. Juli 2013 vorgetragen – um eine „Spontantat in einer dynamischen und angespannten Situation“ gehandelt haben sollte, verbleibt es bei einer schwerwiegenden Straftat, die aus Sicht des Senats auf eine erhebliche kriminelle Energie und Brutalität schließen lässt.

Schließlich werden die bei dem Geschädigten Y eingetretenen gravierenden Verletzungen strafschärfend zu bewerten sein, wobei deren genauer Umfang noch in der Hauptverhandlung aufzuklären sein wird.“

Sicherlich ein deutliches Zeichen an „Hooligangruppierungen„, ob es die allerdings von Gewalt im Zusammenhang mit Fußballspielen abhalten wird, wird man bezweifelen können.e

Zu wenig und zu kurz verhandelt –> Aufhebung des Haftbefehls

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In der letzten Zeit sind nicht viele Haftentscheidungen von OLG veröffentlicht worden. Umso erfreulicher ist es dann, wenn man mal wieder auf einen OLG- Beschluss stößt, der die Rechtsprechung des BVerfG zum Beschleunigungsgrundsatz (BVerfG StraFo 2013, 160 = StRR 2013, 228) konsequent umsetzt, nämlich den OLG Köln, Beschl. v. 17.06.2013 – 2 Ws 331/13. Die Entscheidungsgründe lassen sich zusammenfassen in dem Satz: Zu wenig Hauptverhandlungstermine anberaumt und an den anberaumten Terminen „zur kurz“ verhandelt. Das musste unter Berücksichtigung von Art. 2 Abs. 2 GG zur Aufhebung des Haftbefehls gegen den Angeklagten, der sich seit April 2012 in U-Haft befunden hatte, führen. Dabei hat, um Kommentaren vorzubeugen, das OLG nicht übersehen, dass die Kammer des LG Aachen auch noch mit anderern Verfahren belastet war. Aus den Gründen:

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist in umfangreichen Haftsachen, wie auch dem vorliegenden Verfahren, mit mehr als durchschnittlich einem Hauptverhandlungstag pro Woche zu verhandeln. Jedenfalls ist der Verhandlungstag aber voll auszuschöpfen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 17.01.2013, a.a.O., zit. N. juris Rdnr. 52; vgl. auch BVerfG NJW 2006, 672, zit. n. juris, Rdn. 102). Auch dem wird die Terminplanung der Strafkammer, wie sich der folgenden Auflistung entnehmen lässt, nicht gerecht:

1.       HVT: 22.10.2012, 8:00 bis 9:10 Uhr         2.       HVT: 05.11.2012, 8:00 bis 8:37 Uhr
3.       HVT: 14.11.2012, 9:00 bis 9:55 Uhr          4.       HVT: 28.11.2012, 8:00 bis 9:01 Uhr (weitere 11 HVT bestimmt vom 10.01.bis 26.03.2013)
5.       HVT: 10.12.2012 , 9:00 bis 16:40 Uhr      6.       HVT: 12.12.2012, 9:00 bis 16:42 Uhr
7.       HVT: 19.12.2012, 10:10 bis 10:27 Uhr (Angeklagter erkrankt)
8.       HVT: 21.12.2012, 9:00 bis 12:30 Uhr
9.       HVT: 10.01.2013, 8:30 bis 8:50 Uhr         10.     HVT: 31.01.2013, 9:00 bis 13:19 Uhr
11.     HVT: 06.02.2013, 9:00. bis 10:17 Uhr      12.     HVT: 28.02.2013, 9:00 bis 11:16 Uhr
13.     HVT: 04.03.2013, 9:00 bis 9:25 Uhr        HVT vom 06.03.2013 aus dienstlichen Gründen aufgehoben
14.     HVT: 18.03.2013, 9:00 bis 11:10 Uhr
15.    HVT: 20.03.2013, 9:00 bis 11:02 Uhr(weitere 10 HVT bestimmt vom 02.04.bis 27.06.2013) HVT vom 25.03.2013 aufgehoben
16.     HVT: 26.03.2013, 9:00 bis 9:25 Uhr        17.     HVT: 02.04.2013, 10:00 bis 10:40 Uhr
18.     HVT: 19.04.2013, 8:00 bis 8:47 Uhr        19.     HVT: 21.05.2013, 9:00 bis 10:00 Uhr
20.     HVT: 23.05.2013, 9:00 bis 10:00 Uhr     21.     HVT: 24.05.2013, 9:00 bis 9:37 Uhr 22. HVT: 27.05.2013, 9:00 bis 9:57 Uhr

Danach ist festzustellen, dass in dem 27 Wochen umfassenden Zeitraum seit dem 22.10.2012 insgesamt nur 22 Hauptverhandlungstage stattgefunden haben, d.h. es ist im Schnitt weniger als einmal die Woche verhandelt worden. An diesen 22 Verhandlungstagen hat die Kammer an lediglich zwei Tagen (10. und 12.122012) ganztags, an lediglich zwei weiteren Tagen (21.12.2012 und 31.01.2013) länger als drei Stunden und an zwölf Tagen nicht länger als eine Stunde verhandelt. Der Senat vermag dabei anhand des Protokollentwurfs nicht zu erkennen, dass der Umstand, dass an 18 von 22 Hauptverhandlungstagen weniger als einen halben Tag verhandelt worden ist, nur oder auch nur maßgeblich auf unzulässigem Verteidigungsverhalten beruht, das der Angeklagte sich zurechnen lassen müsste.

Weiterhin wird die für die Monate Januar und Februar 2013 vorgenommene Terminierung, in denen jeweils nur an zwei Tagen verhandelt werden sollte, dem Beschleunigungsgebot in offensichtlicher Weise nicht gerecht. Tatsächlich hat die Hauptverhandlung an diesen vier Tagen (10.01., 31.01., 06.02. und 28.02.2013) insgesamt lediglich ca. 8 1/2 Stunden gedauert. In den Monaten April und Mai 2013 hat sie an 6 Hauptverhandlungstagen insgesamt lediglich etwas mehr 5 Stunden gedauert.