Gestritten wird um um Ansprüche wegen Pflichtverletzung aus einem Anwaltsvertrag. Der Kläger wurde als Motorradfahrer bei einem Verkehrsunfall mit einem Auto schwer verletzt. Der Beklagte zu 2, der zu diesem Zeitpunkt als Anwalt in Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der Beklagten zu 1 tätig war, vertrat den Kläger bei der Abwicklung der Unfallschäden. Der Kläger war Inhaber einer Unfallversicherung bei der X-Versicherung, diese Gesellschaft war auch Haftpflichtversicherer des Unfallgegners. Der Unfallversicherer wies den Kläger mehrfach schriftlich darauf hin, dass Leistungen ausgeschlossen seien, wenn nicht eine ärztliche Feststellung der Invalidität erfolge. Die Schreiben des Versicherers übersandte der Kläger an den Beklagten zu 2., der gegenüber dem Unfallversicherer nicht tätig wurde. Der Versicherer lehnte später Leistungen ab, da die Invalidität nicht innerhalb der hierfür vereinbarten Frist festgestellt worden sei.
Mit der Klage verlangt der Kläger von den Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung bei der Abwicklung der Unfallfolgen. Der Kläger hat dem Beklagten zu 2 vorgeworfen, dieser habe ihm wiederholt mitgeteilt, dass zunächst die Schuldfrage bei dem Unfall geklärt werden müsse. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte beim OLG keinen Erfolg:
„Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagten aus einem Anwaltsvertrag, denn die beklagten Anwälte haben keine vertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt.
1. Eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung besteht nicht deshalb, weil die Beklagten vom Kläger ausdrücklich oder schlüssig beauftragt worden sind, seine Ansprüche gegenüber dem Unfallversicherer durchzusetzen oder ihn hinsichtlich der Durchsetzung dieser Ansprüche zu beraten, beides aber unterlassen haben. Es steht nicht fest, dass sich das Mandat der Beklagten auf diesen Gegenstand erstreckte.
1.1. Vertragspartner des Klägers sind beide Beklagte geworden, auch wenn die Beratung und Vertretung nur durch den Beklagten zu 2 erfolgte. Zum Zeitpunkt der Mandatierung im Juni 2015 waren die beiden beklagten Rechtsanwälte in Gesellschaft bürgerlichen Rechts tätig.
1.2. Darlegungs- und beweisbelastet für den Umfang des Mandats ist der Kläger, er muss also beweisen, dass sich das Mandat auch auf den Gegenstand „Unfallversicherung“ erstreckte (vgl. Vill in Fischer/Vill/Fischer/Rinkler/Chab Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rn. 32).
Aus den schriftlichen Erklärungen, insbesondere aus der Vollmachtsurkunde ergibt sich kein Hinweis auf eine Mandatierung mit diesem Gegenstand. Zwar wird dort Vollmacht erteilt „wegen Verkehrsunfall“. Nach der Wortbedeutung mag die Interessenvertretung gegenüber dem Unfallversicherer darunter fallen, da auch diese Ansprüche durch den Verkehrsunfall verursacht worden sind, im weitesten Sinne also wegen Verkehrsunfalls bestehen konnten. Bei dieser weiten Auslegung wäre der Mandatsgegenstand indessen kaum einzugrenzen und würde eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen umfassen. Denn auch eine mögliche Auseinandersetzung mit einem Krankenversicherer kann durch den Verkehrsunfall verursacht werden, ebenso wie die Auseinandersetzung mit einer Autowerkstatt, sollte es Probleme bei der Reparatur des Autos geben, oder mit dem eigenen Vollkaskoversicherer, sollte dieser eine Regulierung ablehnen. Üblicherweise steht bei der anwaltlichen Vertretung nach Verkehrsunfällen die Auseinandersetzung mit dem Unfallgegner im Vordergrund. Ein darüber hinausgehendes Mandat hätte zur Folge, dass hierfür Rechtsanwaltsgebühren anfallen können, die nicht vom Unfallgegner oder dem eigenen Kfz-Haftpflichtversicherer zu tragen sind. Anders als bei der Auseinandersetzung mit dem Unfallgegner bedarf es für die Interessenwahrnehmung gegenüber einem Unfallversicherer im Regelfall zunächst keiner anwaltlichen Beratung. Es wäre deshalb zu erwarten, dass bei einem Mandat, das sich auch auf die Auseinandersetzung mit den eigenen Versicherern erstreckt, ausdrücklich ein gesonderter Auftrag erteilt wird.
Ein mündlicher Auftrag, auch in Sachen Unfallversicherung zu beraten und zu vertreten, steht ebenfalls nicht fest. Das Landgericht konnte sich nicht die Überzeugung bilden, dass ein solcher mündlicher Auftrag erteilt wurde. An diese Feststellung ist der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, da keine konkreten Anhaltspunkte zu Zweifeln an dieser Feststellung vorliegen.
Die Schilderung des Beklagten zu 2, er habe als Reaktion auf die E-Mail in der sich der Kläger über ihn beklagte, mit diesem Kontakt aufgenommen, ist plausibel. Dies gilt auch für die Darstellung des Beklagten zu 2, man sei wegen der durch die Mandatierung entstehenden Kosten so verblieben, dass der Kläger sich selbst darum kümmere, dass der Arzt die notwendigen Angaben gegenüber dem Versicherer mache. Denn zur Wahrung der Frist bedurfte es einer anwaltlichen Tätigkeit tatsächlich nicht. Der Kläger benötigte nur eine formularmäßige ärztliche Bescheinigung. Diese konnte er ohne weiteres selbst beschaffen.
Die Darstellung des Beklagten zu 2 ist ausreichend detailliert, so dass er damit einer möglichen sekundären Darlegungslast genügt hat. Dem Kläger obliegt deshalb der Beweis seiner abweichenden Darstellung. Einen solchen Beweis hat der Kläger aber nicht in geeigneter Weise angeboten. Da für seine Darstellung kein sogenannter Anbeweis spricht, war er hierzu auch nicht als Partei zu vernehmen. Dass sich der Beklagte in seinem Schreiben vom 09.10.2017 noch gar nicht auf die jetzt behauptete telefonische Beratung berufen hat, fällt zwar auf, begründet aber noch keinen ausreichenden Anbeweis dafür, dass es eine solche Beratung nicht gegeben hat.
1.3. Die Beklagten haften nicht wegen der Verletzung von Hinweis- oder Warnpflichten, denn der Kläger war über den Fristablauf und dessen Folgen informiert.
Auch wenn ein Rechtsanwalt nur eingeschränkt beauftragt ist, besteht eine Nebenpflicht, den Auftraggeber auf mögliche Fristversäumnisse hinzuweisen. Dies gilt bei drohenden Nachteilen durch die Versäumung einer Ausschlussfrist in den allgemeinen Bedingungen einer Unfallversicherung (vgl. Vill, a.a.O., § 2 Rn. 171). Dabei hat der Anwalt grundsätzlich von der Belehrungsbedürftigkeit des Mandanten auszugehen.
Den anwaltlichen Berater trifft aber in der Regel keine weitere Beratungspflicht gegenüber seinem Mandaten, wenn diesem die Risiken bereits hinreichend deutlich geworden sind (vgl. Vill a.a.O. § 2 Rn. 95). So stellte es sich für den Beklagten zu 2 dar. Den beiden Schreiben des Unfallversicherers durfte der Beklagte zu 2 entnehmen, dass der Kläger selbst den Unfall gegenüber dem Unfallversicherer gemeldet hatte und der Unfallversicherer daraufhin den Kläger zweimal schriftlich über die Ausschlussfrist belehrt hatte. Der Beklagte zu 2 hatte keinen Grund zu der Annahme, dass der Kläger diese inhaltlich einfachen Hinweise nicht verstanden habe oder vor Fristablauf wieder vergessen würde. Spätestens durch seine handschriftliche Beschwerde, dass er nicht auch vom Beklagten auf die Frist hingewiesen worden sei, hat der Kläger dokumentiert, dass er inzwischen Bescheid wusste.
Der Beklagte zu 2 musste auch nicht in der bis zum Fristablauf noch verbleibenden Zeit von gut einem Monat sicherstellen, dass der Kläger die Frist nicht wieder vergessen würde.“.