Und als zweite, na ja, dritte, Entscheidung des Tages kommt hier der OLG Hamm, Beschl. v. 14.11.2023 – 3 Ws 376/23 – zur Umdeutung eines Kostenfestsetzungsantrages, eine Problematik, die die Gerichte immer mal wieder beschäftigt. Denn die Umdeutung eines Kostenfestsetzungsantrages in eine sofortige Beschwerde gegen eine Kostengrundentscheidung ist häufig die einzige Möglichkeit ggf. vielleicht doch noch nachträglich die „Nachholung“ einer „vergessenenW Auslagenentscheidung zu erreichen.
So auch hier. Der Angeklagte war vom AG vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen worden. Dagegen hatte der Nebenkläger Berufung eingelegt, die er in der Berufungshauptverhandlung zurück genommen hat. Darauf hat das LG eine Entscheidung getroffen, die im Sitzungsprotokoll wie folgt wiedergegeben ist: „Der Nebenkläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, nachdem er die Berufung zurückgenommen hat.“ Anschließend ist im Protokoll vermerkt: „Es wurde auf Rechtsmittelbelehrung und Rechtsmittel gegen diesen Beschluss verzichtet. Vorgelesen und genehmigt.“
Mit seiner Beschwerde wendet sich nun der Angeklagte, der vergblich versucht hat, seine Auslagen festsetzen zu lassen, gegen die protokollierte Entscheidung. Das OLG hat die sofortige Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen:
„Die sofortige Beschwerde ist unzulässig.
1. Statthaftes Rechtsmittel gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung ist gem. § 464 Abs. 3 StPO die sofortige Beschwerde. Diese hat der Angeklagte entgegen § 311 Abs. 2 StPO nicht innerhalb einer Woche ab Bekanntgabe eingelegt. Die Frist begann gem. § 35 mit Verkündung in der Berufungshauptverhandlung am 9. Juni 2022, in der der Angeklagte und sein Verteidiger anwesend waren. Mithin lief die Frist am 16. Juni 2022 ab. Der Angeklagte hat jedoch erst mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 7. April 2023, also nach Fristablauf, gegenüber dem Landgericht erklärt, höchst vorsorglich und hilfsweise sofortige Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung zu erheben.
2. Zwar hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 13. Juni 2022 innerhalb der Beschwerdefrist gegenüber dem Amtsgericht Kostenfestsetzung beantragt. Solche innerhalb der Beschwerdefrist gestellten Kostenfestsetzungsanträge werden von der Rechtsprechung gelegentlich als sofortige Beschwerden gegen die Kostengrundentscheidung ausgelegt (vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner/Schmitt, 66. Auflage 2023, § 464, Rn. 12).
Im vorliegenden Fall scheidet eine solche Umdeutung indes mangels hinreichend erkennbaren Willens des Verurteilten, gegen die Kostengrundentscheidung vorzugehen, aus (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 26. Februar 2004 – 5 Ws 696/03 -, juris). Denn er hat seinen Kostenfestsetzungsantrag durchgehend darauf stützen lassen, am Schluss der Hauptverhandlung sei eine – der gesetzlichen Regelung in § 473 Abs. 1 Satz 3 StPO entsprechende – Auslagenentscheidung zu seinen Gunsten getroffen worden. Für eine Abänderung der Kostenentscheidung durch das Rechtsmittelgericht ist demnach kein Raum.
So hat er seinen Kostenfestsetzungsantrag mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 14. Juli 2022 u. a. damit begründet, „… dass es eine solche Entscheidung [über die notwendigen Auslagen des Angeklagten betreffend die zweite Instanz] gibt. Am Ende der Berufungshauptverhandlung hat die Berufungskammer die notwendigen Auslagen des Angeklagten für das Berufungsverfahren dem Nebenkläger auferlegt…“. Mit weiterem Schriftsatz vom 7. April 2023 hat er Protokollberichtigung beantragt und auch in diesem Antrag ausgeführt: „… Im Anschluss beschloss die Frau Vorsitzende, dass die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen dem Nebenkläger auferlegt werden. Genau aus diesem Grunde habe ich unmittelbar im Nachgang zum HVT mit Schriftsatz vom 13.06.2022 … beantragt, die notwendigen Auslagen des Angeklagten betreffend die zweite Instanz gegen den Nebenkläger festzusetzen. … All dieser Schriftverkehr … unmittelbar im Nachgang zum Hauptverhandlungstermin wäre völlig sinnlos gewesen, wenn es eine solche Entscheidung tatsächlich (mündlich) nicht gegeben hätte…“ Daran hat er selbst in seiner Gegenerklärung zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft mit Schriftsatz vom 2. November 2023 festgehalten: „Aus § 473 Abs. 1. S. 3 StPO ergibt sich die zwingende gesetzliche Folge, dass, wenn allein der Nebenläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt hat, ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten (Angeklagten) aufzuerlegen sind. Genau diese Entscheidung wurde – anders als im Protokoll niedergeschrieben – getroffen. Es wäre mehr als sinnfrei, wenn der Angeklagte bei einer solchen Konstellation und einer solchen (vermeintlichen) Kostenentscheidung auf Rechtsmittel verzichten würde. Damit wäre auch keinesfalls in Einklang zu bringen, dass am 13.06.2022 für den am 09.06.2022 stattgefundenen HVT von Seiten der Verteidigung ausdrücklich beantragt wurde, die ‚Gebühren und Auslagen der zweiten Instanz gegen den Nebenkläger festzusetzen‘“. Beanstandet wird damit nicht die Unrichtigkeit der Kostengrundentscheidung, sondern ihre Wiedergabe im Protokoll und die darauf beruhende, aus Sicht des Angeklagten falsche Behandlung des Kostenfestsetzungsantrags.
3. Auch eine Wiedereinsetzung in die versäumte Wochenfrist zur Erhebung der sofortigen Beschwerde gem. §§ 44, 45 StPO scheidet aus. Denn der Angeklagte hat entgegen § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht dargetan, ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen zu sein.
Zwar ist die Versäumung der Frist gem. § 44 Satz 2 StPO als unverschuldet anzusehen, wenn eine Rechtsmittelbelehrung unterblieben ist. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Verteidigung auf die Rechtsmittelbelehrung verzichtet hat (Schmitt, a. a. O., § 44, Rn. 22). Daran bestehen hier keine Zweifel. Der Verzicht ist nicht nur in das Protokoll über die Berufungshauptverhandlung aufgenommen, vorgelesen und genehmigt worden, so dass er an der förmlichen Beweiskraft des Protokolls gem. §§ 274, 273 Abs. 3 Satz 1 StPO teilnimmt. Er wird darüber hinaus von der Verteidigung – wie erörtert – ausdrücklich auch als Beleg dafür herangezogen, dass am Schluss der Hauptverhandlung eine Auslagenentscheidung zu Gunsten des Angeklagten getroffen worden ist.“
Tja, das war es dann. Voraussetzung für eine Umdeutung ist eben ein hinreichend erkennbarer Willen des Verurteilten gegen die Kostengrundentscheidung vorzugehen (neben KG, Beschl. v. 26.02.2004 – 5 Ws 696/03 u.a. auch KG, Beschl. v. 14.08.2007 – 1 AR 1086/07 – 1 Ws 107/07; OLG Rostock, Beschl. v. 11.04.2008 – 5 W 63/08). Das wird aber insbesondere dann verneint, wenn der Antragsteller zu erkennen gibt, dass er erst im Kostenfestsetzungverfahren auf das Fehlen einer Kostengrundentscheidung hingewiesen wurde und ihm dies zunächst nicht aufgefallen ist. Dabei macht es natürlich einen Unterschied, ob es sich um eine rechtskundige Person, wie z.B. hier ein Rechtsanwalt, handelt.
Und: Vorsicht ist geboten, wenn in der Hauptverhandlung auf Rechtsmittel verzichtet wird. Denn ein Rechtsmittelverzicht ist endgültig. Wiedereinsetzung ist, wenn der Verzicht dann ins Protokoll aufgenommen worden ist, nicht mehr möglich.