Etwas außerhalb meines sonstiges Berichtsbereichs liegt der BGH, Beschl. v. 29.11.2013 – BLw 4/12. Er betrifft nämlich eine Landwirtschaftssache. Aber es geht mir auch gar nicht um die vom BGH dazu entschiedenen Fragen. Sondern es geht mir um eine interessante verfahrensrechtliche Fragestellung. Nämlich die, ob eine Telefonkonferenz aller beteiligten Richter als Art der Beratung zulässig sein kann. Dazu hat der BGH in dem Beschluss Stellung genommen. Und: Er hat die Frage bejaht, aber mit einem „Aber“ versehen:
c) Die mündliche Beratung im Beisein sämtlicher beteiligten Richter ist die Regel. Dem gleichstehen dürfte eine Beratung im Wege der Videokonferenz, also bei gleichzeitiger Ton- und Bildübertragung, wie sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung einschließlich der Beweisaufnahme zugelassen ist (§ 32 Abs. 3 FamFG, § 128a Abs. 1 und 2 ZPO). Ausnahmsweise kommen aus Zweckmäßigkeitsgründen auch vereinfachte Formen der Beratung und Abstimmung in Betracht, etwa über einfache Fragen durch kurze, formlose Verständigung im Sitzungssaal (BGH, Beschluss vom 31. Juli 1992 3 StR 200/92, NJW 1992, 3181 f.; Urteil vom 14. Juli 1971 3 StR 73/71, BGHSt 24, 170, 171; RGSt 42, 85, 86 jeweils zur Frage, ob nachträgliche Erkenntnisse aus der weiteren Verhandlung das zuvor beratene Ergebnis in Frage stellen; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 193 Rn. 32) oder durch Entscheidung im sogenannten Umlaufverfahren, also durch schriftliche Beratung und Abstimmung aufgrund eines Entscheidungsentwurfs (Senat, Urteil vom 28. November 2008 LwZR 4/08, NJW-RR 2009, 286 Rn. 8; Versäumnisurteil vom 24. April 2009 LwZR 3/08, […] Rn. 8 [insoweit nicht in GuT 2010, 110 [BGH 24.04.2009 – LwZR 3/08] abgedruckt]; BVerwG, NJW 1992, 257; BSG, Beschluss vom 11. Februar 2000 B 2 U 324/99, […] Rn. 6 [für Entscheidungen nach § 153 Abs. 4 SGG, an denen ausschließlich Berufsrichter beteiligt sind]; ausdrücklich beschränkt auf Berufsrichter Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 61 Rn. 9a; ablehnend zum Umlaufverfahren insgesamt: Papsthart, DRiZ 1971, 18 f.; Künzl, ZZP 104 (1991), 150, 187 [bezogen auf ehrenamtliche Richter]). Voraussetzung ist, dass die beteiligten Richter mit dem vereinfachten Verfahren einverstanden sind (Senat, Urteil vom 28. November 2008 – LwZR 4/08, aaO) und damit sichergestellt ist, dass jederzeit in eine mündliche Beratung im Beisein sämtlicher beteiligten Richter eingetreten werden kann, falls einer von ihnen dies wünscht oder ein neuer Gesichtspunkt es erfordert.
d) Nicht ausreichend ist hingegen die telefonische Abfrage der Einzelmeinungen der zur Entscheidung berufenen Richter (Senat, Urteil vom 28. November 2008 LwZR 4/08, NJW-RR 2009, 286 Rn. 8; Versäumnisurteil vom 24. April 2009 LwZR 3/08, […] Rn. 8 [insoweit nicht in GuT 2010, 110 [BGH 24.04.2009 – LwZR 3/08] abgedruckt]; BSG, NJW 1971, 2096 [BSG 27.05.1971 – 8 RV 773/70] mit zust. Anm. Peters, SGb 1972, 321; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 193 Rn. 3, § 194 Rn. 4; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, 22. Aufl., § 194 GVG Rn. 5; Wieczorek/Schütze/Schreiber, ZPO, 3. Aufl., § 193 GVG Rn. 3, § 194 GVG Rn. 4; Germelmann/Matthes/Prütting/ Germelmann, AGG, 7. Aufl., § 60 Rn. 16; Künzl, ZZP 104 (1991), 150, 187; aA MünchKommZPO/Zimmermann, 3. Aufl., § 194 GVG Rn. 6; Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 194 GVG Rn. 1: telefonische Abstimmung ausnahmsweise möglich), also das Herbeiführen der Abstimmung im Wege von Einzeltelefonaten.
e) Die Zulässigkeit von Telefonkonferenzen unter gleichzeitiger Teilnahme sämtlicher beteiligten Richter in der technischen Form einer Konferenzschaltung, bei welcher unter der Leitung des Vorsitzenden jeder Teilnehmer jederzeit von seinem Telefonapparat zeitgleich mit jedem anderen Teilnehmer kommunizieren kann und alle Teilnehmer die gesamte Kommunikation mithören, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang offen geblieben (Senat, Urteil vom 28. November 2008 LwZR 4/08, NJW-RR 2009, 286 f. Rn. 8; Versäumnisurteil vom 24. April 2009 LwZR 3/08, […] Rn. 8 [insoweit nicht in GuT 2010, 110 [BGH 24.04.2009 – LwZR 3/08] abgedruckt]; für die Zulässigkeit: Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 194 GVG Rn. 1; Ernst, LwVG, 8. Aufl., § 48 Rn. 7; wohl auch Kissel/ Mayer, GVG, 7. Aufl., § 193 Rn. 3 aE; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 61 Rn. 9a). Der Senat entscheidet diese Frage nunmehr dahin, dass die Beratung im Wege der Telefonkonferenz mittels Konferenzschaltung jedenfalls bei der Beratung über einen nachträglich eingegangenen Schriftsatz zulässig sein kann.
(aa) Die Telefonkonferenz in der technischen Form einer Konferenzschaltung zeichnet sich dadurch aus, dass alle beteiligten Richter unter der Leitung des Vorsitzenden gleichzeitig miteinander kommunizieren und auf diese Weise ihre Argumente austauschen können (vgl. dazu Senat, Urteil vom 28. November 2008 LwZR 4/08, NJW-RR 2009, 286 Rn. 8; Versäumnisurteil vom 24. April 2009 LwZR 3/08, […] Rn. 8 [insoweit nicht in GuT 2010, 110 [BGH 24.04.2009 – LwZR 3/08] abgedruckt]; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 193 Rn. 3 aE; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 61 Rn. 9a; allgemein zum Aspekt des gleichzeitigen Austauschs: Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 192 Rn. 4, 193 Rn. 1; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, 22. Aufl., § 193 GVG Rn. 2; Rüping, NStZ 1991, 193 f.; Kleinknecht, GA 1961, 45, 49). Die Gefahr bleibender Missverständnisse durch einzelne Hör- oder Übertragungsfehler ist im gemeinsamen Gespräch unter mehreren Beteiligten geringer als beim bloßen Abrufen der Auffassungen durch Einzeltelefonate. Die Telefonkonferenz kommt damit der mündlichen Beratung in Anwesenheit aller Beteiligten sehr nahe.
(bb) Dass wie der Beteiligte zu 2 geltend macht die Kommunikation innerhalb der mündlichen Beratung im Beisein aller Richter durch zusätzliche Mimik und Gestik unterstützt wird, erscheint demgegenüber nicht entscheidend. Damit lässt sich der Inhalt der Beratung nicht maßgeblich beeinflussen. Ob und inwieweit durch Körpersprache Zustimmung, zusätzlicher Erörterungsbedarf oder Verständnisschwierigkeiten signalisiert werden, hängt so stark von den Ausdrucksformen der einzelnen Richterpersönlichkeit ab, dass Gestik und Mimik nicht zu den unverzichtbaren Bestandteilen der Beratung gezählt werden können. Das zeigt sich eindrucksvoll in dem Fall der grundsätzlich zulässigen Beteiligung eines blinden Richters (dazu BVerfG, NJW 1992, 2075 [BVerfG 10.01.1992 – 2 BvR 347/91]).
(cc) In geeigneten Ausnahmefällen kommt somit die Telefonkonferenz als zulässige Art der Beratung in Betracht. Voraussetzung dafür ist zunächst, dass alle beteiligten Richter einverstanden sind und sichergestellt ist, dass jederzeit in eine mündliche Beratung im Beisein aller Richter eingetreten werden kann, falls ein Richter dies wünscht oder ein neuer Gesichtspunkt es erfordert. Weitere Voraussetzung ist, dass durch technische Vorkehrungen die gleichzeitige Kommunikation sämtlicher Teilnehmer unter der Leitung des Vorsitzenden des Kollegialgerichts ermöglicht wird (Konferenzschaltung). Schließlich darf die Beratung im Wege der Telefonkonferenz nicht die mündliche Beratung im Beisein aller Richter ersetzen, sondern nur neben diese treten wie in dem Fall der Beratung über einen nachträglich eingegangenen Schriftsatz. Die erstmalige Beratung als einzige Grundlage für die Entscheidung in der Hauptsache muss zwingend im Beisein sämtlicher beteiligten Richter stattfinden.“
Da sag noch mal einer, die Justiz halte mit neuer Technik nicht Schritt. So könnten die Richter ggf. vom häuslichen Arbeitsplatz aus beraten. Das entlastet 😉 .