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BVerfG: Durchsuchungsanordnung ohne Tatzeitraum geht nicht, oder: Gesundbeten des GBA hilft auch nicht

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Bevor ich heute Nachmittag das RVG-Rätsel vom vergangenen Freitag auflöse, möchte ich zum Wochenauftakt zunächst zwei Entscheidungen vorstellen, die sich mit der Durchsuchung befassen.

Den Auftakt macht der BVerfG, Beschl. v. 04.04. 2017 – 2 BvR 2551/12 – folgendem Sachverhalt: Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Anordnung der Durchsuchung der Geschäftsräume der eines im Bereich der Vermögensverwaltung tätigen Unternehmens, nennen wir es U. Das Vermögen der Kunden des Unternehmens war vornehmlich bei einer H. AG angelegt. Wohl im Jahr 2010 hatte das Land NRW eine Daten-CD mit Informationen über deutsche Staatsbürger erworben, die Kunden der H. International waren und Erträge aus den dortigen Vermögensanlagen gegenüber dem Finanzamt nicht erklärt hatten. Weiterhin beinhaltete die Datensammlung bankinterne Aufzeichnungen über Lebensversicherungspolicen der L. International, in welche deutsche Kapitalanleger investiert hatten. Es wurde festgestellt, dass eine Vielzahl der Betroffenen auch Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmen U unterhielt. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse leitete die Steuerfahndung Strafverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegen mehrere Mitarbeiter der U. ein. Das AG Bochum ordnete dann im Oktober 2011 im Rahmen eines gegen sieben Mitarbeiter geführten Verfahrens die Durchsuchung der Geschäftsräume sämtlicher Niederlassungen der U nach § 103 StPO an. Am 14. 11. 2011 wurden die Geschäftsräume aller Niederlassungen der U. durchsucht. Zahlreiche Unterlagen wurden beschlagnahmt und Daten durch Spiegelung von Laufwerken gesichert. Die U hat Beschwerde eingelegt, die vom LG Bochum verworfen worden ist. Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.

Nach Auffassung des BVerfG wurde der amtsgerichtliche Durchsuchungsbeschluss den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine Durchsuchungsanordnung nicht gerecht, weil er keine Angaben zum Tatzeitraum enthielt, denn:

  • Eine ausdrückliche Angabe des Tatzeitraums enthielt der Beschluss nicht; es wurde lediglich angegeben, es bestünden Anhaltspunkte für „über Jahre hinweg“ betriebene Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
  • Auch die Sachverhaltsschilderung ließ an keiner Stelle erkennen, ab welchem Zeitpunkt die Beschuldigten mit den Beihilfehandlungen begonnen haben sollen.
  • Auch aus der Angabe, dass einer der Beschuldigte im Jahr 2006 zum Unternehmen U wechselte, ließ sich keine Beschreibung des Tatzeitraums entnehmen. Eine Begrenzung ist diesbezüglich höchstens für die ihm selbst vorgeworfenen Taten vorhanden, nicht jedoch für die der weiteren sechs Beschuldigten.

Und:

„dd) Selbst wenn – wie der Generalbundesanwalt ausführt – einem Durchsuchungsbeschluss stets eine immanente Beschränkung auf nichtverjährte Straftaten eigen sein sollte, wären in dem Beschluss vom 14. Oktober 2011 jedenfalls nicht die erforderlichen Angaben enthalten, um diesen nichtverjährten Zeitraum zu bestimmen, zumal dieser je nach Tatverdächtigem und Einzeltat unterschiedlich zu bestimmen sein könnte. Gemäß § 78a Satz 1 StGB beginnt die Verjährung mit Beendigung der Tat. Bei Hinterziehung von Einkommensteuer ist die Tat mit Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheides, in dem die Steuer zu niedrig festgesetzt wurde, beendet (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2015 – 1 StR 602/14 – m.w.N.), im Fall der Begehung durch Unterlassen dann, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten im Veranlagungsbezirk für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 – 1 StR 172/16 – m.w.N.). Bei der Teilnahme beginnt die Verjährung mit der Beendigung der Haupttat. Da jedoch im Beschluss nicht angegeben wurde, wann die Einkommensteuerbescheide bekanntgegeben wurden beziehungsweise wann die Veranlagungsarbeiten im Wesentlichen abgeschlossen waren, lässt sich anhand des Beschlusses nicht feststellen, wann die den Beschuldigten vorgeworfenen Taten verjährt waren. Eine zeitliche Begrenzung ist dem Beschluss daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zu entnehmen. Hiervon unabhängig könnte eine dem Beschluss lediglich durch Auslegung zu entnehmende Beschränkung auf nichtverjährte Straftaten schon deshalb problematisch sein, weil sie praktisch kaum handhabbar wäre. Denn der Beschluss hat die Funktion, in der Situation der Durchsuchung jederzeit eine präzise und – auch im Hinblick auf jeden Beschuldigten – eindeutige Begrenzung des durch ihn legitimierten Grundrechtseingriffs zu ermöglichen.“

War wirklich ein wenig (?) „dünn“. Und das „Gesundbeten“ des GBA hat auch nichts geholfen.