Man ist ja dann doch erstaunt, wenn man manche (amtsgerichtlichen) Entscheidungen liest und man fragt sich dann, welche gebührenrechtliche Literatur lesen (Amts)Richter eigentlich? So ist es mir ergangen beim Lesen des mir erst jetzt bekannt gewordenen Beschlusses des AG Bochum vom 23.01.2009 – 37 Ds 64 Js 1006/06 -75/07. Wenn man den liest, kann die Antwort nur lauten: Offenbar überhaupt keine.
In der Sache geht es um Voraussetzungen für das Entstehen des gebührenrechtlichen Haftzuschlags aus Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG. Dazu stellt das AG darauf ab, dass für sein Entstehen „tatsächliche Erschwernisse“ erforderlich seien. Die sieht das AG aber nicht, da der RA mit dem Inhaftierten ja nur korrespondiert habe. Hätte sich das AG in der Frage aber vielleicht mal in Rechtsprechung und Literatur informiert, dann hätte es unschwer feststellen können, dass die von ihm entschiedene Frage in der gesamten Rechtsprechung und Literatur anders gesehen wird. Alle OLG, die bisher zu der Frage der Erschwernisse Stellung genommen haben, haben nämlich zutreffend darauf abgestellt, dass es auf deren tatsächliches Vorliegen nicht ankommt (KG, Beschl. v. 10.11.2006 – 4 Ws 166/06, www.burhoff.de; Beschl: v. 12. 12. 2006, 3 Ws 213/06; www.burhoff.de; KG RVGreport 2007, 462 = StraFo 2007, 483 ; OLG Celle StraFo 2008, 443 = AGS 2008, 490 = StRR 2009, 38 = NStZ-RR 2008, 392; OLG Hamm StRR 2009, 39 = RVGreport 2009, 149; s.a. AG Hanau, Beschl. v. 19. 5. 2009, 50 Ds 4200 Js 20340/07b; aus der Lit. s. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 18. Aufl., VV Vorb. 4 Rn. 44; Burhoff in: Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., 2007, Vorbem. 4 VV Rn. 87; Anw-Komm-RVG/N. Schneider, 4. Aufl., VV Vorb. 4 Rn. 43). Das ist ja auch gerade der Unterschied zur Vorgängerregelung des § 83 Abs. 3 BRAGO, die als Ermessensvorschrift ausgebildet war (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 221). Das sollte dem AG nunmehr mehr als fünf Jahren nach dem Inkrafttreten des RVG eigentlich nicht entgangen sein. Zumindest hätte es aber seine abweichende Auffassung begründen müssen und nicht nur apodiktisch die Abweichung in den Raum stellen dürfen. Es hätte die juristische Öffentlichkeit ja schon interessiert, welche besseren (?) Argumente das AG Bochum gefunden hat. M.E. gibt es keine.
Für den Verteidiger im Übrigen eine missliche Situation, da er, da der Beschwerdewert des § 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG nicht erreicht ist/war, ein Rechtmittel nicht hat/hatte. Insgesamt kann man m.E. nur das Fazit ziehen: So bitte nicht.