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Hindernis II: Deutsche Gerichtsbarkeit für BtM-Erwerb, oder: Lieferung an ausländischen Wohnort

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Und dann die zweite Entscheidung, und zwar der AG Meißen, Beschl. v. 30.09.2024 – 11 Cs 411 Js 37086/23. In dem Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft beantragt, gegen den Angeschuldigten einen Strafbefehl wegen versuchtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu erlassen. Das AG hat den Erlass abgelehnt:

„Das Amtsgericht Meißen ist nicht zuständig, es fehlt an der deutschen Gerichtsbarkeit. Ein inländischer Gerichtsstand nach den §§ 7 ff. StPO besteht für die dem Angeschuldigten vorgeworfene versuchte Erwerbshandlung mangels Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nicht. Insoweit geht der Strafbefehlsantrag in Ermangelung anderweitiger Erkenntnisse davon aus, dass die gegenständliche Bestellung an den Wohnort des Angeschuldigten in Tschechien geliefert werden sollte. Tatort ist demnach der vorgestellte Ort des Erwerbs als zum Tatbestand gehörender Erfolg in der Tschechischen Republik. § 6 Nr. 5 StGB gilt für den Erwerb von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG nicht, Anhaltspunkte für einen gewerbsmäßigen Vertrieb bestehen auch angesichts der bestellten Mengen nicht. Mithin liegt keine Inlandstat vor, so dass deutsches Strafrecht nicht anwendbar ist, § 3 StGB. Der Antrag auf Erlass des Strafbefehls ist wegen dieses Verfahrenshindernisses abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464, 467 Abs. 1 StPO.“

Mal etwas ganz anderes: Örtliche Zuständigkeit?

Im Zivilrecht spielen die Fragen der örtlichen Zuständigkeit sicherlich eine größere Rolle als im Strafverfahren, wo die Frage ja u.a. auch mit der Frage des Tatortes zusammenhängt. Deshalb lenke ich die Aufmerksamkeit heute mal auf OLG Koblenz, Beschl. v. 16.08.2011 – 1 Ws 427/11, der sich mit den Fragen auseinandersetzt. Die Leitsätze:

  1. Eine Handlung, die isoliert betrachtet eine straflose Vorbereitungshandlung wäre, begründet nur dann einen Handlungsort im Sinne des § 9 Abs. 1 StGB, wenn sie entweder, weil unter § 30 StGB zu subsumieren, selbstständig mit Strafe bedroht ist oder wenn die geplante Tat zumindest ins Versuchstadium gelangt ist und sie einen mittäterschaftlichen Tatbeitrag darstellt.
  2. Wird dem Opfer mittels Täuschung ein Gegenstand, den er gerade bei sich führt, abgeschwindelt, tritt der tatbestandsmäßige Erfolg (Schaden) als unmittelbare Folge der Vermögensverfügung unmittelbar dort ein, wo der Geschädigte dem Täter den Gegenstand übergibt.
  3. Der an einem anderen Ort gelegene Wohnsitz des Geschädigten scheidet dann als Erfolgsort im Sinne des § 9 Abs. 1 StGB aus, weil dort nur mittelbar die schädlichen Folgen einer Tat spürbar werden, die bereits an einem anderen Ort zu einer Vermögenseinbuße geführt hat.

Hat die Rechtsbeschwerde eine Chance? Bei diesem leicht „schlampigen“ Urteil schon…

Eine Kollegin, die vor einiger Zeit bei mir im Fachanwaltskurs war, hat mir ein Urteil des AG Köln geschickt mit der Frage, ob eine dagegen ein gelegte Rechtsbeschwerde eine Chance habe. Die Kollegin hält in dem Urteil v. 16.07.2010 – 814 OWI 147/10 die Beweiswürdigung für falsch.

Na ja, zu dem letzteren konnte ich, da ich die Sache nicht kenne nichts Konkretes sagen, sondern musset die Kollegin auf den allgemeinen Satz verweisen, dass die Beweiswürdigung ureigenste Aufgabe des Tatrichters ist und sie mit der Rechtsbeschwerde/Revision nur angegriffen werden kann, wenn sie z.B. lückenhaft oder widersprüchlich ist. Dass der Tatrichter die Beweise anders als der Verteidiger würdigt, ist kein Fehler und da kommt man auch mit dem Rechtsmittel

Das Urteil des AG Köln bietet m.E. aber andere Angriffspunkte, die ein wenig zu dem Post vom 10.09.2010 – „Warum tun Tatrichter das, oder: Die geschriebene Lücke“ passen; mit lückenhaften Urteilsgründen befassen sich auch die Kollegen Siebers und Feltus

Ansatzpunkte in dem Urteil sind:

1. Wo liegt der Tatort = in welcher Stadt? Das teilt das Urteil nicht mit, was m.E. allein schon aus diesem Grund zur Aufhebung führen müsste. Auch der sog. Gesamtzusammenhang führt da nicht weiter.

2. Aufgehoben werden müsste das Urteil m.E. zumindest aber im Rechtsfolgenausspruch, da der nur wie folgt begründet wird:

„Die im Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen festgesetzten Maßnahmen waren zu bestätigen, da er bereits einige Eintragungen im Verkehrszentralregister aufweist. Diese lauten wie folgt: Es folgen sieben Kopien von Mitteilungen an das VRZ.
Das reicht zur Begründung der festgesetzten Rechtsfolgen nicht aus. Der Amtsrichter hat nicht die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu „bestätigen“, sondern er muss eine eigene Rechtsfolgenentscheidung treffen und begründen. Daran fehlt es hier völlig. Auch hinsichtlich der Bezugnahmen/an das Hineinkopieren der Eintragungen im VZR habe ich Bedenken, ob das ausreicht, ohne das jetzt aber vertifet geprüft zu haben (vgl. dazu BGH NStZ-RR 1996, 266 und OLG Frankfurt NStZ-RR 2009, 23). Es gibt eine Entscheidung des OLG Hamm, die ich aber im Moment nicht wiederfinde :-(, die das als unzulässig ansieht.

Also: Die Kollegin sollte Rechtsbeschwerde einlegen und die mit der Sachrüge begründen. Aussicht auf Erfolg besteht.

Abschließend: Wie man den Tatort vergessen kann, leuchtet mir nicht ein. 🙂 🙁

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