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Der Angeklagte, der von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz lebt

© Alex White _Fotolia.com

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Bei einer Geldstrafe sind für den veurteilten Angeklagten nicht nur die Anzahl der Tagessätze sondern auch deren Höhe von erheblicher Bedeutung. Denn gerade sie macht ja ggf. (auch) die wirtschaftliche Bedeutung der Strafe und deren Fühlbarkeit aus. Dennoch wird in der Praxis der (Amts)Gerichte häufig zu wenig Sorgfalt auf die Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten und damit auf die Grundlage der Bemessung der Tagessatzhöhe verwendet. Das zeigt dann auch noch einmal der OLG Köln, Beschl. v. 17.06.2015 – 1 RVs 101/15. Das AG hatte zur Tagessatzhöhe nur festgestellt, dass der Angeklagte „von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz“ lebt. Das reicht(e) so nicht:

2. Hingegen hält die Bemessung des einzelnen Tagessatzes revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Zu den Einkommensverhältnissen des Angeklagten führt das Amtsgericht aus:

„Er (…) lebt von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.“

Diese Feststellung belegt nicht, dass die Bemessung der Höhe des einzelnen Tagessatzes in jeder Hinsicht auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruht.

a) Bei der Verhängung einer Geldstrafe sind konkrete Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und insbesondere zu den monatlich erzielten Einkünften eines Angeklagten zu treffen (vgl. BGH bei Detter NStZ 2000, 188; SenE v. 24.03.2009 – 83 Ss 13/09 = StV 2009, 592). Solche sind auch bei Sozialhilfeempfängern und diesen vergleichbaren Personen für die Bemessung der Tagessatzhöhe und für die Entscheidung über etwaige Zahlungserleichterungen (§ 42 StGB) erforderlich (SenE a. a. O.; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001, 109 [110]).

Hieran fehlt es in dem angefochtenen Urteil, weil die Feststellung, der Angeklagte lebe von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz die Höhe der tatsächlichen Einkünfte offen lässt. So unterscheidet etwa § 3 AsylbLG zunächst grundsätzlich zwischen solchen Leistungsberechtigten, die in einer Aufnahmeeinrichtung im Sinne von § 44 AsylVfG untergebracht sind, und solchen, bei welchen dies nicht der Fall ist. Bei Ersteren wird der notwendige Bedarf für Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts durch Sachleistungen sichergestellt. Zusätzlich erhalten sie, soweit sie alleinstehend sind, nach § 3 Abs. 1 S. 5 Ziff. 1 AsylbLG idF der Bekanntmachung über die Höhe der Leistungssätze nach § 14 des Asylbewerberleistungsgesetzes (BGBl. 2015 I, S. 25) derzeit einen Geldbetrag in Höhe von 143,- € monatlich. Bei letzteren wird (nur) der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat als Geld- oder Sachleistung separat erbracht; zusätzlich erhalten diese Personen 216,- € monatlich, wobei dieser Geldbetrag wiederum ganz oder teilweise auch in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder (sonstigen) Sachleistungen erbracht werden kann (§ 3 Abs. 2 S. 3 AsylbLG). Da nach der Rechtsprechung des Senats auch der Bezug von Sachleistungen zum Einkommen im Sinne des § 40 Abs. 2 S. 2 StGB zählt (SenE v. 24.03.2009 – 83 Ss 13/09 = StV 2009, 592; vgl. a. Fischer, StGB, 62. Auflage 2015, § 40 Rz. 7), kommt es für die Bemessung des einzelnen Tagessatzes zunächst auf die Höhe der dem Angeklagten insgesamt zufließenden (baren und unbaren) Zuwendungen an, über die die Urteilsgründe indessen keinen Aufschluss geben.

b) Lebt der Angeklagte von Bezügen am Rande des Existenzminimums, z. B. von Sozialhilfe, so kann es darüber hinaus geboten sein, unter Berücksichtigung der nach § 42 StGB möglichen, zeitlich grundsätzlich nicht beschränkten Zahlungserleichterungen und unter Beachtung der Notwendigkeit der Wahrung der Strafe als ernsthaft fühlbares Übel die Tagessatzhöhe unterhalb eines Dreißigstels der monatlichen, sich aus Geldzahlungen und etwaigen Sachmittelzuwendungen zusammensetzenden Bezüge festzusetzen, wobei sich auch dieser ermessensähnlich ausgestaltete Strafzumessungsakt einer schematischen Behandlung entzieht (SenE v. 24.03.2009 – 83 Ss 13/09 = StV 2009, 592; SenE v. 30.10.2007 – 82 Ss 123/07 -; OLG Stuttgart, StV 2009, 131; OLG Hamburg VRS 101, 106 = NStZ 2001, 655; OLG Stuttgart, NJW 1994, 745; OLG Celle NStZ-RR 1998, 272; Fischer a. a. O. § 40 Rz. 24; Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, StGB, 29. Auflage 2014, § 40 Rz. 8). Die Urteilsgründe belegen nicht, dass der Tatrichter diese Grundsätze berücksichtigt hat.“

Welche Tagessatzhöhe beim SGB II – Empfänger?

© Gina Sanders - Fotolia.com

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Im Strafverfahren spielt bei der Verhängung einer Geldstrafe vorrangig die Anzahl de Tagessätze eine große Rolle. Die Tagessatzhöhe steht häufig erst an zweiter Stelle, hat aber natürlich Bedeutung für die „wirtschaftliche Gesamtbelastung“ des Verurteilten. Und in dem Zusammenhang ist dann die Frage nach der Höhe des Nettoeinkommens und die Frage, ob und welche Abschläge ggf. zu machen sind, von Belang. Und das ist gerade/vor allem bei Beziehern von Sozailleistungen wichtig. Mit den damit zusammenhängenden Fragen befasst sich (noch einmal) der OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.06.2015 – 1 Ss 30/15, dem folgende amtliche Leitsätze voran gestellt sind:

Bei der Bemessung der Tagessatzhöhe ist in der Regel vom Nettoeinkommen auszugehen (Nettoeinkommensprinzip); etwaige Abweichungen vom Nettoeinkommensprinzip sind in einer einzelfallorientierten Erörterung der Gesamtbelastung eines Angeklagten (Vermögen, Verbindlichkeiten etc.) nachvollziehbar zu begründen.

Bei Empfängern von Leistungen nach dem SGB II besteht zwar Anlass, eine Herabsetzung der Tagessatzhöhe sorgsam zu prüfen. Allein der Bezug solcher Leistungen ersetzt die für eine Herabsetzung der Tagessatzhöhe erforderliche Erörterung der Gesamtbelastung indes nicht.

Zu den „Abschlägen“ führt das OLG aus:

„Dass Empfänger von Leistungen nach dem SGB II als nahe am Existenzminimum Lebende durch das Nettoeinkommensprinzip „systembedingt härter getroffen werden als Normalverdienende“ ist zwar ebenfalls zutreffend und kann durchaus Anlass sein, ein Absenken der Tagessatzhöhe sorgsam zu prüfen (OLG Braunschweig, Beschluss vom 19.05.2014, 1 Ss 18/14, juris, Rn. 9 = NdsRpfl 2014, 258; OLG Hamm, Beschluss vom 02.02.2012, III-3 RVs 4/12, juris, Rn. 18; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 40 Rn. 11 a). Der bloße Hinweis auf den Bezug von Leistungen nach dem SGB II, worin sich die Zumessungsentscheidung der Kammer hier erschöpft, ersetzt indes nicht die nach der Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 10.01.1989, 1 StR 682/88 = NStZ 1989, 178; OLG Hamm, Beschluss vom 21.11.2006, 3 Ss 356/06, juris, Rn. 4 = wistra 2007, 191) bei einem Absenken der Tagessatzhöhe gebotene Darlegung der maßgeblichen Umstände. Denn ein Abweichen vom Nettoeinkommensprinzip kann nicht allein damit begründet werden, dass ein Angeklagter ein bestimmtes Nettoeinkommen – hier als Empfänger von Leistungen nach dem SGB II ein solches von 732, – € – erhält. Erforderlich ist vielmehr eine einzelfallorientierte Erörterung der Gesamtbelastung eines Angeklagten, die die konkrete Strafe mit den (vom Nettoeinkommen verschiedenen) übrigen wirtschaftlichen Verhältnissen eines Angeklagten (Vermögen, Verbindlichkeiten etc.) in Beziehung setzt (Häger in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 40 Rn. 53 m.w.N.). Daran fehlt es.“

„..die Entscheidung für ein Leben auf der Flucht, …. stellt ein billigenswertes Motiv“ dar

© M. Schuppich - Fotolia.com

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Beim Auswerten der Rechtsprechung, die für eine „Berichterstattung“ im Blog in Betracht kommen könnte, finde ich immer wieder Entscheidungen, die dann auf doch überraschen bzw. nicht „Mainstream“ sind. So z.B. den LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 30.01.2015 – 2 Qs 132/14, in dem es um die Tagessatzhöhe bei einem erwerbslosen Angeklagten ging. Das AG hatte im Strafbefehl wegen Beleidigung einen Tagessatz von 10 € festgesetzt. Dagegen der Einspruch des Angeklagten, der geltend gemacht hat, dass er keinerlei Einkommen erziele, da er mit Haftbefehl gesucht werde und flüchtig sei; er lebe vom Betteln und von Sachspenden seiner Freunde, da er auf der Flucht weder ein Arbeitseinkommen noch Sozialleistungen beziehen könne. Das AG hat den Einspruch verworfen und das damit begründet, dass dem Angeklagten zuzumuten sei, einen Antrag auf ALG-II-Leistungen zu stellen. Dass er sich dem Sozialleistungsbezug mutwillig entzogen habe, indem er sich für ein Leben auf der Flucht entschieden habe, sei kein billigenswerter Grund, die Tagessatzhöhe herabzusetzen.

Das LG Kreuznach sieht das in der Beschwerde anders und hat den Mindesttagessatz von 1 € festgesetzt:

„Der Angeklagte unterhält sich durch Betteln und Sachspenden seiner Freunde und bezieht somit lediglich Einkünfte, welche die Festsetzung des Mindesttagessatzes rechtfertigen.

Der Angeklagte kann unter seinen aktuellen Lebensumständen auch keine anderen Erwerbsquellen erschließen. Im Falle der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit müsste er seinen Arbeitsplatz den Behörden bekannt geben und infolgedessen seine baldige Verhaftung fürchten. Auch für den Bezug von Sozialleistungen müsste er seinen Aufenthaltsort preisgeben und dürfte sich nur mit behördlicher Genehmigung aus diesem Gebiet entfernen, um für Arbeitsangebote erreichbar zu sein (vgl. § 7 Abs. 4a SGB II).

Eine Änderung der von dem Angeklagten gewählten Lebensumstände, um höhere Einnahme zu erzielen, ist ihm nicht zumutbar.

Der Ansatz eines fiktiven Einkommens kommt als Bewertungsgrundlage nur dann in Betracht, wenn zumutbare Erwerbsmöglichkeiten ohne billigenswerten Grund nicht wahrgenommen werden und deshalb kein oder nur ein herabgesetztes Einkommen erzielt wird. Mit der Einbeziehung potentieller Einkünfte soll nämlich insbesondere vorgebeugt werden, dass der Täter die Strafwirkung der Geldstrafe durch Nichtausschöpfen zumutbarer Einkommensmöglichkeiten unterläuft; umgekehrt darf die Geldstrafe nicht durch Verweis auf weitergehende Einkommensmöglichkeiten zu einer unangemessenen Reglementierung des gesamten Lebenszuschnitts führen (vgl. BayOLG, Beschluss vom 2.2.1998 – 1 St RR 1/98 -, zit. nach […], m. w. Nachw.). Für die Annahme eines potentiellen Einkommens im Sinne des § 40 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. StGB ist daher grundsätzlich nur Raum, wenn der Täter seine Erwerbskraft bewusst aus unbeachtlichen Gründen herabsetzt, etwa um die Geldstrafe möglichst niedrig zu halten (BayOLG, a. a. O., m. w. N.).

Die Einkommenslosigkeit des Angeklagten weist vorliegend allerdings keinerlei inneren Bezug zu der verhängten Geldstrafe auf. Wie sich aus dem ablehnenden Bescheid des Jobcenters ergibt, hatte der Angeklagte bereits vor Erlass des Strafbefehls in vorliegender Sache Sozialleistungen beantragt, die ihm wegen seiner fehlenden Erreichbarkeit verweigert wurden. Dass er ein Leben in Armut gewählt hätte, um sich vor der Verhängung einer höheren Geldstrafe zu bewahren, kann schon deshalb nicht angenommen werden. Vielmehr hat der Angeklagte als Grund hierfür seinen Freiheitsdrang angegeben, der es nachvollziehbar macht, dass er sich dem drohenden Vollzug der in anderer Sache verhängten Haftstrafe durch Flucht entziehen will. Dieses Motiv kann nicht als unbeachtlich oder missbilligenswert angesehen werden, wie sich etwa in der grundsätzlichen Straflosigkeit der Selbstbefreiung des Gefangenen zeigt, die darauf beruht, dass „das Gesetz aus humanen Beweggründen dem Freiheitsdrang eines Menschen glaubte Rücksicht schenken zu sollen“ (RGSt 3, 140, 141). Es würde eine unzulässige Einflussnahme auf die daher grundsätzlich zu achtende Lebensentscheidung des Angeklagten darstellen, wenn er über die Heraufsetzung der Tagessatzhöhe mittelbar dazu gedrängt würde, sich den Strafverfolgungsbehörden in anderer Sache zu stellen.

Im Übrigen ist offen, ob der Angeklagte hierdurch überhaupt nachhaltig ein höheres Einkommen erzielen könnte, da er eine aufgenommene Erwerbstätigkeit im Falle der Verhaftung sogleich wieder verlieren würde.“

Auch der Verkehrsrechtler muss die Auswirkungen einer „Bedarfsgemeinschaft“ kennen?

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Auch der Verkehrsrechtler muss die Auswirkungen einer „Bedarfsgemeinschaft“ kennen? Nun, warum, wird sich manch einer fragen. Die Antwort liegt auf der Hand. Denn eine „Bedarfsgemeinschaft“ kann bei der Frage, über welches Einkommen der Angeklagte verfügt, und damit für die Bemessung der Tagessatzhöhe einer verhängten Geldstrafe von Bedeutung sein. In dem Zusammenhang spielen eben nicht nur die „Einnahmen“ des Angeklagten eine Rolle, sondern auch seine „Ausgaben“. Und dazu gehören auch Unterhaltszahlungen/-verpflichtungen. An der Stelle haben dann häufig auch familien-/sozialrechtliche Fragen Bedeutung, wie der KG, Beschl. v. 07.03.3024 – (3) 122 Ss 14/14 (25/14) – in einem Verfahren wegen Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) (noch einmal) zeigt, eine Rolle.

Da ging es um die „Unterhaltsleistungen“ und die Frage, ob die anzurechnen waren oder auch nicht, die der Angeklagte gegenüber seiner Lebensgefährtin erbrachte, mit der er in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenlebte. Dazu hatte das AG keine ausreichenden Feststellungen getroffen, so dass das KG das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben hat. Hier die Leitsätze der Entscheidung des KG:

1. Unterhaltsleistungen des Angeklagten an eine „bedürftige“ Person (§ 9 SGB II), mit der er in einer Bedarfsgemeinschaft lebt (§ 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3c SGB II), sind keine gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen.

 2. Bei der Bemessung der Tagessatzhöhe (§ 40 Abs. 2 Satz 2 StGB) sind solche Unterhaltsleistungen gleichwohl zu berücksichtigen, wenn die „bedürftige Person“ wegen der bestehenden Bedarfsgemeinschaft und des Einkommens des Angeklagten keinen oder nur einen gekürzten Anspruch auf Sozialleistungen hat (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II).

 3. Liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte mit einer „bedürftigen“ Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebt und diese faktisch unterhält, muss der Tatrichter Feststellungen im Urteil treffen, ob und in welcher Höhe diese Person ohne das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft Anspruch auf staatliche Sozialleistungen haben würde.

Absenkung der Geldstrafe bei „einkommensschwachen Angeklagten“?

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Bei der Bemessung einer Geldstrafe läuft in der Regel der Automatismus ab: Ermittlung des Nettoeinkommens geteilt durch 30 gleich Tagessatz. Ganz so einfach ist es allerdings nicht, wenn es sich um eine hohe Geldstrafe bei einkommensschwachen Personen handelt. Denn diese werden durch eine Geldstrafe ggf. mehr getroffen als „Normalverdiener“. Deshalb ist bei ihnen ggf. eine Absenkung der Geldstraße in Betracht zu ziehen. So auch noch einmal der KG, Beschl. v. 02. 11. 2012 – (4) 121 Ss 146/12 (265/12) :

„bb) Das Landgericht hat zudem zwei Gesichtspunkte nicht erkennbar bedacht, die bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe zu berücksichtigen waren:

Zum einen ist bei einer hohen Geldstrafe – d.h. regelmäßig einer solchen, die 90 Tagessätze übersteigt – eine Absenkung der Tagessatzhöhe in Betracht zu ziehen, um einer progressiven Steigerung des Strafübels entgegen zu wirken (vgl. Senat, Beschluss vom 8. November 2007 – (4) 1 Ss 367/07 (245/07) -; OLG Stuttgart StV 2009, 131 m.w.N.). Denn mit der zunehmenden Zahl der Tagessätze steigert sich die Fühlbarkeit der Geldstrafe bei gleich bleibender Tagessatzhöhe nicht in entsprechender Weise, sondern sie wächst progressiv. Das auf dem Nettoeinkommensprinzip aufgebaute Tagessatzsystem kann deshalb zu einem Einwirkungsübermaß und desozialisierenden Folgen führen, die nicht mehr mit der Pflicht des Richters zu vereinbaren sind, im Rahmen einer sachgerechten Strafzumessung alle Wirkungen zu bedenken, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB). Bleiben solche Folgen auch unter Berücksichtigung von nach § 42 StGB einzuräumenden Zahlungserleichterungen bestehen, ist eine Verringerung der Tagessatzhöhe erforderlich (vgl. BGHSt 26, 325, 330 ff.; 34, 90, 93; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2007, 167; StV 2007, 470; 2009, 137; Senat aaO m.w.N.).

Zum anderen kann es bei besonders einkommensschwachen Personen, die am Rande des Existenzminimums leben, geboten sein, unter Berücksichtigung der nach § 42 StGB möglichen, zeitlich grundsätzlich nicht beschränkten Zahlungserleichterungen und unter Beachtung der Notwendigkeit der Wahrung der Strafe als ernsthaft fühlbares Übel die Tagessatzhöhe unterhalb eines Dreißigstels des monatlichen Nettoeinkommens festzusetzen, weil diese Personen bei strikter Einhaltung des Nettoeinkommensprinzips härter als normal Verdienende getroffen werden (vgl. OLG Köln aaO und StV 1993, 365; OLG Stuttgart aaO und NJW 1994, 745; OLG Frankfurt am Main StV 2007, 470; 2009, 137; OLG Hamburg NStZ 2001, 655; OLG Celle NStZ-RR 1998, 272 und StV 2009, 131; OLG Dresden NJW 2009, 2966 und Beschluss vom 7. August 2000 – 1 Ss 323/00 – [juris]; OLG Oldenburg NStZ-RR 2008, 6; Fischer, StGB 59. Aufl., § 40 Rn. 11a, 24; Häger in LK, StGB 12. Aufl., § 40 Rn. 37; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB 28. Aufl., § 40 Rn. 8 m.w.N.).“