Der zweite Beschluss, den ich heute vorstelle, kommt vom LG Dessau-Roßlau. Das hat im – schon etwas älteren – LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 23.02.2023 – 6 Qs 29/23 – zur Höhe der Hauptverhandlungsterminsgebühr Stellung genommen.
Zu den Termin, um den hier gestritten wird, war der Angeklagte zwar geladen, aber nicht erschienen. Der Termin beim AG hat daher nur 15 Minuten gedauert. Der Verteidiger hatte dafür die Mittelgebühr angesetzt, also nach dem anwendbaren alten Recht 275,– EUR. Der Rechtspfleger hatte nur 150,– EUR festgesetzt. Das hat beim LG gehalten:
„Hinsichtlich der Verteidigergebühren sind die vom Amtsgericht festgesetzten von der Landeskasse dem Verteidiger zu erstattenden notwendigen Auslagen nicht zu beanstanden. Die von dem Verteidiger geltend gemachte Terminsgebühr für den Hauptverhandlungstermin am 01.03.2021 ist unbillig und damit unverbindlich (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Die durch den Rechtspfleger vorgenommene Kürzung der insoweit beantragten Gebühr nach Nr. 4108 VV RVG auf 150,00 EUR hält der rechtlichen Überprüfung stand.
Die Bemessung von Rahmengebühren hat der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen vorzunehmen. Unbillig und damit nach § 14 Abs. 1 S. 4 RVG unverbindlich ist der Gebührenansatz dann, wenn die beantragte Gebühr um mehr als 20% über der angemessenen Gebühr liegt, da einem Rechtsanwalt insoweit eine Toleranzgrenze eingeräumt wird (BGH, Urteil vom 31.10.2006 – VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420, 421 m.w.N.). Maßgebliche Kriterien für die Bemessung von Rahmengebühren sind u.a. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers. Die sog. Mittelgebühr ist anzusetzen, wenn der „Normalfall“ vorliegt, also ein Fall in dem sämtliche, vor allem die nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände, durchschnittlicher Art sind (Gerold/Schmidt /Mayer, a.a.O., § 14 Rn. 10).
Die Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG entsteht für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen. Wegen des insoweit zu vergütenden Zeitaufwandes des Verteidigers stellt die Verhandlungsdauer des jeweiligen Hauptverhandlungstermins das wesentliche Bemessungskriterium für die Terminsgebühr dar (OLG Hamm Beschluss vom 3.12.2009 – 2 Ws 270/09, BeckRS 2010, 2547; KG Beschluss vom 24.11.2011 – 1 Ws 113-114/10, BeckRS 2012, 11963; OLG Bamberg, Beschluss vom 6.2.2018 – 1 Ws 51/18, NStZ-RR 2018, 192 m.w.N.). Hier betrug die Verhandlungsdauer am 01.03.2021 ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls 15 Minuten, da der vormalige Angeklagte nicht erschienen war. Die Hauptverhandlungsdauer von 15 Minuten ist für ein Strafverfahren als unterdurchschnittlich anzusehen. Hinzu kommt, dass aufgrund des unentschuldigten Fernbleibens des vormaligen Angeklagten keinerlei Tätigkeit des Verteidigers in dem Termin erforderlich war. Der Arbeitsaufwand des Verteidigers im Rahmen dieses Hauptverhandlungstermins ist demnach insgesamt als sehr gering und weit unterdurchschnittlich anzusehen. Die deutliche Herabsetzung der Terminsgebühr für den Hauptverhandlungstermin am 01.03.2021 von der Mittelgebühr auf 150,00 EUR erscheint der Kammer daher als angemessen.“
Nun, 15 Minuten sind auch beim AG ein wenig kurz, so dass man gegen die Kürzung auf 150,00 EUR nichts einwenden kann (wir streiten bitte nicht darüber, dass die Gebührensätze des RVG grundsätzlich zu niedrig sind).