Und zum Tagesschluss habe ich dann noch eine LG-Entscheidung, und zwar den LG Kaiserslautern, Beschl. v. 26.08.2021 – 5 Qs 68/21 – zur Frage: Diebstahl oder Betrug an der Selbstbedienungskasse, wenn dort die „eingeladene“ ware nicht gezahlt wird.
Ergangen ist der Beschluss in einem Strafbefehlsverfahren. Das AG hatte den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Strafbefehls abgelehnt. Der Angeschuldigten wurde darin Folgendes vorgeworfen: Die Angeschuldigte hatte im Supermarkt verschiedene Waren in ihren Einkaufswagen gelegt und passierte damit, wie von Anfang an geplant, den Einkaufsbereich, ohne einen Teil der Waren im Wert von knapp 60 EUR zuvor an der Selbstbedienungskasse eingescannt und bezahlt zu haben. Bevor die Angeschuldigte den Supermarkt verlassen konnte, wurde sie vom Ladendetektiv gestellt.
Die StA war von versuchtem Diebstahl, das AG von Betrug ausgegangen. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den AG-Beschluss hatte beim LG Erfolg. Das LG hat zur erneuten Entscheidung an das AG zurückverwiesen:
„1. Die zulässige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern hat in der Sache auch Erfolg.
Nach den bisherigen Ermittlungen besteht gegen die Angeschuldigte ein hinreichender Tatverdacht hinsichtlich der Begehung eines versuchten Diebstahls. Der dem Strafbefehl zu Grunde liegende Sachverhalt ist nach zutreffender Auffassung der Staatsanwaltschaft rechtlich als versuchter Diebstahl zu werten, sodass die Voraussetzungen für den Erlass des beantragten Strafbefehls vorlagen und der Beschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 28.07.2021 auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin aufzuheben war.
Ein hinreichender Tatverdacht betreffend eine versuchte Wegnahme liegt vor, da die Angeschuldigte ohne dass der frühere Gewahrsamsinhaber – der Geschäftsinhaber bzw. Geschäftsführer – hierzu sein Einverständnis erklärt hätte, ohne die Ware vollständig zu scannen, den Supermarkt verlassen wollte. Zwar ist davon auszugehen, dass mit dem Aufstellen von Selbstbedienungskassen durchaus ein generelles Einverständnis in einen Gewahrsamsübergang erklärt werden soll, weil – nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Einsparung von Personalkosten – gerade kein Kassenpersonal zur Verfügung steht, das den einzelnen Kauf- bzw. Zahlvorgang abwickeln soll; die in dem Kassenbereich anwesenden Mitarbeiter dienen allein der Unterstützung bei etwaigen technischen Schwierigkeiten. Jedoch ist unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung und hier namentlich der berechtigten Geschäftsinteressen des Verkäufers zu unterstellen, dass dieser sein Einverständnis nur unter der Bedingung erteilt, dass die Selbstbedienungskasse ordnungsgemäß bedient wird. Hierzu gehört unzweifelhaft das korrekte Einscannen und Bezahlen der tatsächlich zur Selbstbedienungskasse mitgebrachten Ware. Da die Angeschuldigte einen Teil der Waren überhaupt nicht eingescannt hatte, sind die Bedingungen für ein Einverständnis in den Gewahrsamswechsel nicht gegeben (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 08.08.2013 ? III-5 RVs 56/13, NStZ 2014, 275 m. zust. Anm. Fahl; OLG Rostock, Beschl. v. 06.02.2019 – 20 RR 90/18, juris Rn. 45; Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 242 Rn. 36a; MüKoStGB/Schmitz, 4. Aufl., § 242 Rn. 93; BeckOK StGB/Wittig, 50. Ed., § 242 Rn. 22.2). Da die Angeschuldigte zwar die Kassenzone verlassen hatte, jedoch vor Verlassens des Supermarktes von dem Zeugen R. aufgehalten wurde und sich die Gegenstände auch weiterhin im Einkaufswagen befanden, hatte die Angeschuldigte noch keinen neuen Gewahrsam begründet, sodass richtigerweise von einem Versuch auszugehen war.
Eine Täuschungshandlung (durch Unterlassen) ist bereits mangels Getäuschtem – wie von der Staatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt – nicht ersichtlich. Aber auch eine Tathandlung nach § 263a StGB ist vorliegend nicht ersichtlich (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 08.08.2013 ? III-5 RVs 56/13, NStZ 2014, 275; OLG Rostock, Beschl. v. 06.02.2019 – 20 RR 90/18, juris).“
Und wer sich fragt: Warum Zurückverweisung:
„2. Die Sache war an das Amtsgericht zurückzuverweisen, das die Wahl hat den Strafbefehl zu erlassen oder gemäß § 408 Abs. 3 S. 2 StPO zu verfahren, da das Landgericht keine Strafbefehle erlassen kann (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 408 Rn. 9; BeckOK StPO/Temming, 39. Ed., § 408 Rn. 81). Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass gemäß § 408 Abs. 3 S. 2 StPO bei einer beabsichtigten Abweichung des Richters von dem Strafbefehlsantrag in rechtlicher Hinsicht grundsätzlich, sofern eine Einigung mit der Staatsanwaltschaft nicht zu erreichen ist, gemäß § 408 Abs. 3 S. 2 StPO Termin zur Hauptverhandlung zu bestimmen ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 408 Rn. 13).“