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Wer schläft, ist widerstandsunfähig und kann „schwer sexuell missbraucht werden“

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Normalerweise stelle ich ja keine kompletten Beschlüsse ein, sondern nur Auszüge. Aber bei dem BGH, Beschl. v.21.03.2013 – 1 StR 108/13 – mache ich mal eine Ausnahme. Denn besser/kürzer, als der BGH es macht, kann man es nicht zusammenfassen/darstellen:

Das Landgericht hat den Angeklagten zu Recht wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person gemäß § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB verurteilt. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen führte der Angeklagte der Geschädigten, während diese fest schlief, zunächst zwei Finger in die Vagina ein. Anschließend drang er mit seinem Penis in ihr Geschlechtsteil ein und vollzog für kurze Zeit den vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr. Die Geschädigte hat von beiden Vorgängen wegen ihres Schlafs
nichts bemerkt. Erst nachdem die Lebensgefährtin des Angeklagten diesen bei der Tatausführung überrascht und er den weiteren Geschlechtsverkehr darauf
abgebrochen hatte, wurde die Geschädigte geweckt und über das Geschehene informiert.

Damit hat der Angeklagte eine aufgrund einer „tiefgreifenden Bewusstseinsstörung“ zum Widerstand unfähige Person im Sinne von § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB missbraucht. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass es sich bei dem Schlaf um eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung im Sinne der genannten Vorschrift handelt (BGH, Urteil vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, BGHSt 38, 68, 71; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 3. Juni 1982 – 4 StR 271/82, JR 1983, 210 f.; zustimmend etwa Molketin NStZ 1992, 179 f.; Renzikowski in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 179 Rn. 25). Daran hält der Senat fest.

Dieser Rechtsprechung steht das Urteil des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2004 (2 StR 351/03, NStZ 2004, 440, 441) nicht entgegen. Der 2. Strafsenat hat sich dort hinsichtlich eines Opfers sexueller Handlungen, das „im Begriff war, einzuschlafen“ bzw. „im Halbschlaf“ war, mit dem Eingreifen von § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht befasst. Ob bei solchen Zu-ständen des Opfers von einer „tiefgreifenden Bewusstseinsstörung“ ausgegan-gen werden könnte, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls bei Tatbegehung während eines Schlafzustandes wie dem hier vom Landgericht festgestellten handelt es sich um eine solche Bewusstseinsstörung.

Der Neoklassiker: Der schlafende Staatsanwalt….

„Dies und das“ hat gestern über den „Klassiker“ des schlafenden Beisitzers berichtet, der ja auch schon die obergerichtliche Rechtsprechung beschäftigt hat (vgl. den Nachw. hier bei „Dies und das“). Abgesehen davon, dass mich der Beitrag daran erinnert hat, dass es während meiner Strafkammerzeit manchmal schon darauf ankam, darauf zu achten, dass Schöffen nicht während des ermüdenden Ver-/Vor)Lesens von zahlreichen Urkunden einschließen, hat mich der Post an einen „Neoklassiker“ beim OLG Hamm erinnert; nämlich an den schlafenden Staatsanwalt. Jedenfalls war das in einer Revisionsbegründung zur Begründung des § 338 Nr. 5 StPO behauptet worden. An der Stelle ist der revisionsrechtliche Ansatz für diese Fragen.

Vorgetragen war, dass nach Befragung des Angeklagten durch das Gericht sich der Vorsitzende an den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft gewendet habe, um ihm für eine etwaige Befragung des Angeklagten das Wort zu erteilen. Als er den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft direkt angesprochen habe, habe dieser auf seinem Platz mit seitlich abgewinkeltem und leicht nach hinten geneigten bzw. hängendem Kopf gesessen. Seine Augen seien geschlossen, sein Mund leicht geöffnet gewesen. Auf die direkte Anrede durch den Vorsitzenden „Herr Staatsanwalt?“ sei keine Reaktion erfolgt. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft habe zunächst nicht reagiert und sei in der beschriebenen Körperhaltung verblieben. Nach mehreren Sekunden reaktionsloser Verweilung des Sitzungsvertreters habe sich dieser dann plötzlich wieder räumlich orientiert. Eine Ausübung des Fragerechts sei aber nicht erfolgt. Daraus war der Schluss gezogen worden, dass der Sitzungsvertreter, „offensichtlich geschlafen“ habe.

Dem Staatsanwalt ist eine Stellungnahme erspart geblieben. Denn das OLG Hamm hat in seinem Beschl. v. 02.03.2006 – 2 Ss 47/06 – die Begründung der Verfahrensrüge als nicht ausreichend angesehen. Zur ausreichenden Begründung der Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht werde, eine Personen, deren Anwesenheit notwendig ist, sei in der Hauptverhandlung nicht anwesend gewesen, gehöre, dass vorgetragen werde, wie lange die Abwesenheit gedauert habe und dass die Verfahrensvorgänge, die in Abwesenheit der Person durchgeführt worden sind, nicht wiederholt worden seien. Wegen der Einzelheiten s. der Beschluss. Glück gehabt? Man weiß es nicht :-). Ich vermute auch, dass der Kollege am Kaffeetisch einiges von den anderen Kollegen zu hören bekommen hat. :-9