Heute stelle ich drei Entscheidungen vor, in der StPO-Fragen eine Rolle spielen. Zunächst hier das EuGH, Urt. v. 16.02.2023 – C-349/21. Es geht um die Erfordernisse an die Begründung der richterlichen Anordnung von Telefonüberwachungsmaßnahmen.
Der der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt kommt aus Bulgarien. Dort hat die Staatsanwaltschaft gegen mehrere Beschuldigte ermittelt, u.a. gegen drei Beamte der Grenzpolizei am Flughafen Sofia. Ermittelt wurde wegen des Verdachts, Mitglied in einer kriminellen Vereinigung zu sein, deren der Bereicherung dienendes Ziel es sei, Drittstaatsangehörige über die bulgarischen Grenzen einzuschleusen und in diesem Zusammenhang Bestechungsgelder anzunehmen oder zu zahlen.
In diesem Verfahren stellte die Strafverfolgungsbehörde beim Präsidenten des Spezialisierten Strafgerichts Bulgarien jeweils detailliert begründete Anträge auf Telefonüberwachung, denen noch am Tag ihrer Einreichung stattgegeben wurde. Die richterlichen Genehmigungen beschränkten sich auf den Hinweis, dass die in den Anträgen angeführten Rechtsvorschriften eingehalten würden, Informationen zu den Tatvorwürfen enthielten sie dagegen nicht. Auch verhielten sich die Genehmigungen nicht dazu, aufgrund welcher Verdachtsumstände die Tatvorwürfe erhoben werden. Die antragstellende Behörde wurde ebenfalls nicht genannt.
In der Folge wurde die Telekommunikation der Beschuldigten überwacht und schließlich Anklage erhoben. Das mit der Sache befasste Gericht hat das Verfahren dann dem EuGH vorgelegt mit der Frage, ob Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, die dahin ausgelegt wird, dass Aufzeichnungen von Telefongesprächen, die durch eine nicht mit Gründen versehene gerichtliche Entscheidung genehmigt wurden, als Beweismittel im Strafprozess verwendet werden dürfen.
Der EuGH hat nun in dem o.a. Urteil geantwortet. Seine Antwort lässt sich in folgendem Leitsatz zusammen fassen:
Eine richterliche Entscheidung, mit der eine Telefonüberwachung genehmigt wird, muss keine individualisierte Begründung enthalten, wenn ihr ein ausführlich begründeter Antrag der zuständigen Strafverfolgungsbehörde zugrunde liegt und sich die für die Anordnung der Maßnahme ausschlaggebenden Gründe leicht und eindeutig erschließen, wenn die Entscheidung und der Genehmigungsantrag nebeneinander gelesen werden.
Wegen der Einzelheiten verweise ich auf das – wie immer ein wenig schwer lesbare – Urteil des EuGH, das ich verlinkt habe.
Ich denke, wir werden von der Entscheidung noch einiges lesen bzw. sie wird noch in der innerstaatlichen Rechtsprechung auftauchen. Denn auch hier haben wir ja Fälle, in denen nur auf Begründungen Bezug genommen wird. Das ist neben dem allseits beliebten § 349 Abs. 2 StPO die häufig in Ermittlungsverfahren festzustellende Praxis von Ermittlungsrichtern, ihre Entscheidungen nicht selbst zu verfassen, sondern letztlich nur von der StA aus- bzw vorformulierte Entwürfe zu unterschreiben. Ich bin gespannt, wie die Gerichte nun mit den Fragen umgehen werden.