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Corona II: Reisestorno wegen Corona-Warnung, oder: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um

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Und dann im zweiten „Corona-Posting“ die zivilrechtliche Entscheidung. Es handelt sich um das BGH, Urt. v. 09.07.2024 – X ZR 101/23. Es geht um die Stornierung einer Reise wegen der Covid-19-Pandemie und die Rückzahlung einer Anzahlung für diese Pauschalreise.

Die Klägerin verlangt die Rückzahlung einer Anzahlung, die sie für für eine Pauschalreise gezahlt hat. Die Klägerin hatte am 01.07.2021 bei der Beklagten für sich und eine weitere Mitreisende zum Gesamtpreis von 1.552 EUR eine Flugreise mit Hotelaufenthalt und Verpflegung nach Palma de Mallorca gebucht. Die Reise sollte vom 30.07.2021 bis zum 06.082021 stattfinden sollte. Die Klägering leistete auf den Reisepreis eine Anzahlung von 1.242 EUR.

Nach dem geschlossenen Vertrag konnte die Reise bis 21 Tage vor Reiseantritt kostenlos storniert und bis 14 Tage vorher gebührenfrei umgebucht werden. Im Übrigen sollten die AGB der Beklagten gelten. Diese sehen eine Stornierungspauschale vor, und zwar bei einem Rücktritt des Reisenden bis vier Tage vor Reiseantritt 75 % des Reisepreises und ab drei Tage vor Reiseantritt 80 %.

Am 09.07.2021 stufte das RKI Spanien einschließlich der Balearen als Risikogebiet ein. Am 23.07. 2021 kündigte das Institut die Einstufung als Hochrisikogebiet ab dem 27.07.2021 an und das Auswärtige Amt hat eine Reisewarnung ausgesprochen.

Am 26.07.2021 stornierte die Klägerin die Reise unter Bezugnahme auf diese Maßnahmen und forderte die Beklagte zur Rückzahlung der Anzahlung auf. Die Beklagte teilte der Klägerin am gleichen Tag mit, infolge des Rücktritts falle eine Stornierungsgebühr in Höhe von 1.164 EUR an.

Mit ihrer Klage hat verlangte die Klägerin u.a. die Rückzahlung der geleisteten Anzahlung. Das AG hat die Beklagte zur Zahlung von 78 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin ihr Begehren in voller Höhe weiterverfolgt. Das LG hat der Klägerin die Verzugspauschale sowie einen Teil der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen zugesprochen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt, ohne Erfolg:

„2. Zu Recht ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage in dem zweitinstanzlich verfolgten Umfang dennoch unbegründet ist, weil die Beklagte dem Anspruch auf Erstattung der Anzahlung einen Entschädigungsanspruch aus § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB entgegenhalten kann und dieser Anspruch im Streitfall nicht nach § 651h Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist.

a) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Covid-19-Pandemie im Streitfall einen unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB darstellt.

Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist es in der Regel nicht zu beanstanden, dass ein Tatrichter die Covid-19-Pandemie als Umstand bewertet, der grundsätzlich geeignet ist, die Durchführung der Pauschalreise erheblich zu beeinträchtigen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 28. März 2023 – X ZR 78/22, NJW-RR 2023, 828 = RRa 2023, 118 Rn. 21; Urteil vom 14. November 2023 – X ZR 115/22, NJW-RR 2024, 193 Rn. 18; Urteil vom 23. Januar 2024 – X ZR 4/23, NJW-RR 2024, 466 Rn 17).

Dies gilt auch für den im Streitfall maßgeblichen Reisezeitraum im Juli und August 2021 (BGH, Urteil vom 14. November 2023 – X ZR 115/22, NJW-RR 2024, 193 Rn. 19).

b) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, dass im Streitfall keine erhebliche Beeinträchtigung der Reise zu besorgen war.

aa) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass für die Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung besteht, von Bedeutung sein kann, ob die mit der Durchführung verbundenen Risiken bei Buchung der Reise bereits bestanden oder zumindest absehbar waren.

Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, kann eine erhebliche Beeinträchtigung jedenfalls dann zu verneinen sein, wenn bei Vertragsschluss Umstände vorliegen oder absehbar sind, die der Durchführung der Reise zwar nicht zwingend entgegenstehen, aber doch so gravierend sind, dass nicht jeder Reisende die damit verbundenen Risiken auf sich nehmen möchte. Einem Reisenden, der in einer solchen Situation eine Reise bucht, ist es in der Regel zumutbar, die Reise auch dann anzutreten, wenn die im Zeitpunkt der Buchung bestehenden oder absehbaren Risiken zum Zeitpunkt des Reisebeginns fortbestehen (BGH, Urteil vom 19. September 2023 – X ZR 103/22, NJW-RR 2023, 1540 Rn. 41).

Absehbar in diesem Sinne ist ein Risiko nicht nur dann, wenn es im Zeitpunkt der Buchung nahezu unausweichlich erscheint, dass sich das Risiko bis zum geplanten Beginn der Reise verwirklichen wird. Ausreichend ist vielmehr, wenn im Zeitpunkt der Buchung ungewiss ist, wie sich die Situation weiter entwickeln wird, und eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es innerhalb kurzer Zeit zu gravierenden Veränderungen kommt.

bb) Vor diesem Hintergrund ist die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass die im Streitfall vorliegenden Umstände nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB geführt haben, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

(1) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Reisewarnung des Auswärtigen Amts zwar Indizwirkung zukommt, hieraus aber nicht zwingend folgt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung zu bejahen ist.

(2) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist es dem Reisenden in der Regel zumutbar, die Reise auch dann anzutreten, wenn bereits bei Buchung der Reise eine Reisewarnung bestanden hat, diese auch bei Reisebeginn weiterhin oder wieder besteht und die Risikolage sich nicht wesentlich verändert hat (BGH, Urteil vom 19. September 2023 – X ZR 103/22, NJW-RR 2023, 1540 Rn. 41).

(3) Im Streitfall hat sich die Risikolage zwischen dem Zeitpunkt der Buchung und dem Zeitpunkt des vorgesehenen Reisebeginns zwar verändert. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war aber bereits bei Buchung aus allgemein zugänglichen Informationsquellen ersichtlich, dass aufgrund des Verhaltens von Urlaubern auf Mallorca ein schneller Anstieg der damals noch relativ geringen Infektionsraten befürchtet wurde.

Diese Feststellungen tragen die vom Berufungsgericht vorgenommene tatrichterliche Würdigung, dass die spätere Entwicklung schon bei Buchung absehbar war. Den Feststellungen ist zwar nicht zu entnehmen, dass ein schneller Anstieg der Inzidenzen, die Einstufung als Risiko- bzw. Hochrisikogebiet und eine Reisewarnung im Zeitpunkt der Buchung als nahezu unausweichlich erschienen. Aus ihnen ergibt sich aber, dass ein Zustand der Ungewissheit bestand, der eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für kurzfristige Veränderungen dieser Art begründete.

c) Entgegen der Auffassung der Revision sind die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Entschädigungsanspruchs gemäß § 651h Abs. 3 BGB auch nicht deshalb gegeben, weil die Beklagte unter diesen Umständen verpflichtet gewesen wäre, das Angebot der Klägerin zum Abschluss eines Pauschalreisevertrags abzulehnen oder die Reise erst gar nicht anzubieten.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts stand die Einstufung als Risiko-, Hochinzidenz- oder Hochrisikogebiet einer Durchführung der Reise im Streitfall nicht entgegen. Die Konsequenzen einer solchen Einstufung, insbesondere damit verbundene Beschränkungen während des Aufenthalts oder nach der Rückkehr, mögen dennoch von zahlreichen Reisenden als so schwerwiegend eingeschätzt werden, dass sie von einem Antritt der Reise absehen. Auch in Fällen, in denen schon bei Buchung zu erwarten oder zumindest konkret damit zu rechnen ist, dass es zu solchen Beschränkungen kommen kann, ist es dem Reiseveranstalter indes nicht verwehrt, eine Buchung anzubieten.“

Mich überrascht die Entscheidung nicht. Einem Reisenden, der nach Beginn der Pandemie eine Reise gebucht hat, ist es m.E. zur Recht in der Regel zumutbar, die Reise auch dann anzutreten, wenn die im Zeitpunkt der Buchung bestehenden oder absehbaren Risiken fortbestehen. es war doch zu der Zeit überhaupt nicht vorhersehbar, wie sich die Pandemie entwickeln würde. Eigenes Risiko eben.

Reisebuchung in Coronazeiten trotz Reisewarnung, oder: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um

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Und dann im Kessel Buntes – passend zur Reise – eine Reiseentscheidung des BHG, und zwar das BGH, Urt. v. 19.09.2023 – X ZR 103/22. Die Entscheidung hätte auch an einem „Corona-Tag“ gepasst, denn sie hat eine Reise zum Gegenstand, die während der Pandemie anstand.

Folgender sachverhalt: Obwohl das Auswärtige Amt wegen der Covid-19-Pandemie bereits vor Reisen in die Dominikanische Republik gewarnt hatte, buchte ein Ehepaar im September 2020 dorthin einen Flug und Hotelaufenthalt für drei Wochen im März/April 2021. Als Anzahlung wurden 1.540 EUR. Kurz vor Reisebeginn wurde dann die Reise storniert und die Anzahlung zurückgefordert. Der Reiseveranstalter hat sich darauf nicht eingelassen und den vollen Restbetrag In Höhe von 5.775 EUR verlangt. AG und LG haben die Rückzahlungsklage des buchenden Ehepaares abgewiesen.

Das hatte beim BGH Bestand. Der sagt, dass von vornherein bekannte Umstände, die der Durchführung der Reise zwar nicht zwingend entgegenstehen, aber doch so gravierend sind, dass nicht jeder Reisende die damit verbundenen Risiken auf sich nehmen möchte, berechtigen danach nicht zum Rücktritt.

Hier dann (nur) die Leitsätze der Entscheidung – den Rest bitte selbst lesen:

1. Die Qualifikation eines Umstands als außergewöhnlich im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB ist grundsätzlich auch dann möglich, wenn dieser Umstand bereits im Zeitpunkt der Buchung vorlag oder absehbar war.

2. Bei der Beurteilung, ob unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände dazu führen, dass die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigt ist, kann von Bedeutung sein, ob die mit der Durchführung verbundenen Risiken bei Buchung der Reise bereits bestanden oder zumindest absehbar waren.

3. Einem Reisenden, der eine Reise bucht, obwohl Umstände vorliegen oder absehbar sind, die der Durchführung der Reise zwar nicht zwingend entgegenstehen, aber doch so gravierend sind, dass nicht jeder Reisende die damit verbundenen Risiken auf sich nehmen möchte, ist es in der Regel zumutbar, die Reise anzutreten, wenn die im Zeitpunkt der Buchung bestehenden oder absehbaren Risiken zum Zeitpunkt des Reisebeginns fortbestehen.

Oder kurz gefasst: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um 🙂 .

 

Reise I: Erhebliche Beeinträchtigung einer Kreuzfahrt, oder: Reiserücktritt wegen Covid-19-Pandemie

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Heute im Kessel-Buntes dann zwei reiserechtliche Entscheidungen.

Die erste ist schon etwas älter. Es handelt sich um das BGH, Urt. v. 30.08.2022 – X ZR 66/21, das eine reiserechtliche Frage in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie entschieden hat. Das hatte ich bislang übersehen:

Die Klägerin hatte beim AG die Rückzahlung einer Anzahlung für eine Flusskreuzfahrt. Die Beklagte macht mit ihrer Widerklage darüber hinausgehende Stornogebühren geltend.

Die damals 84 Jahre alte Klägerin buchte am 17.01.2020 bei der Beklagten eine Flusskreuzfahrt (Stationen: Passau – Wien – Esztergom – Budapest – Mohacs – Budapest – Bratislava – Melk – Passau), die vom 22. bis 29.06.2020 stattfinden und 1.599,84 EUR kosten sollte. Der Buchung lagen die Allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten zugrunde. Die Klägerin leistete eine Anzahlung in Höhe von 319,97 EUR.

Am 18.03.2020 sprach das Auswärtige Amt wegen der Covid-19-Pandemie eine weltweite Reisewarnung aus, die zunächst bis zum 29.04.2020 galt, später aber bis 14.06. 2020 verlängert wurde. Mit Schreiben vom 07.06.2020 stornierte die Klägerin die Reise unter Bezugnahme auf die Covid-19-Pandemie, nachdem ihr dies von ihrer Hausärztin mit Blick auf frühere Lungenentzündungen geraten worden war. Die Beklagte übersandte mit Schreiben vom 25.06.2020 eine Stornorechnung, die nach Abzug der Anzahlung und einer Gutschrift einen offenen Betrag von 999,89 EUR auswies. Die Flusskreuzfahrt wurde mit einem angepassten Hygienekonzept und einer von 176 auf 100 verringerten Passagierzahl durchgeführt.

Das AG hat die Beklagte zur Rückzahlung der geleisteten Anzahlung und zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt und die auf Begleichung der restlichen Stornogebühr gerichtete Widerklage abgewiesen. Das LG hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom LG zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren aus den Vorinstanzen weiter. Sie hatte keinen Erfolg.

Hier die Leitsätze zu der Entscheidung:

1. Die Bewertung der von der Covid-19-Pandemie ausgehenden Gefahr als unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB, der grundsätzlich geeignet ist, die Durchführung einer Pauschalreise erheblich zu beeinträchtigen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn sich die Gefahr einer Erkrankung an Covid-19 im vorgesehenen Reisezeitraum (hier: Juni 2020) als ein nicht beherrschbares erhebliches Risiko für die menschliche Gesundheit darstellte und aufgrund der pandemischen Lage die Gefahr einer Infektion bei Durchführung der Reise bestand, die dem gewöhnlichen Reisebetrieb im Buchungszeitpunkt noch nicht innewohnte.

2. § 651h Abs. 3 BGB setzt nicht voraus, dass die unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände sich nur am Bestimmungsort der Reise oder in dessen unmittelbarer Nähe und nicht auch am Wohnort des Reisenden auswirken.

3. Der Tatbestand des § 651h Abs. 3 BGB ist erfüllt, wenn schon vor Beginn der Reise unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür begründen, dass die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung zum Bestimmungsort erheblich beeinträchtigt ist.

4. Die Beurteilung der Frage, ob die Durchführung der Reise aufgrund von außergewöhnlichen Umständen mit erheblichen und nicht zumutbaren Risiken verbunden ist, bedarf einer Würdigung aller für den Einzelfall relevanten Umstände und ist aus Sicht eines verständigen Durchschnittsreisenden im Rücktrittszeitpunkt vorzunehmen.

5. Individuelle Verhältnisse oder Eigenschaften des Reisenden wie das Alter sind jedenfalls dann in die Abwägung einzubeziehen, wenn sie für die Durchführbarkeit der Reise erst aufgrund der außergewöhnlichen Umstände im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB Bedeutung gewonnen haben und die daraus resultierenden Gefahren für den Reisenden (etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer besonders betroffenen Risikogruppe) dem gewöhnlichen Reisebetrieb im Buchungszeitpunkt noch nicht innegewohnt haben.

In dem Zusammenhang ebenfalls von Bedeutung: BGH, Urt. v. 30.08.2022 – X ZR 84/21- und BGH, Beschl. v. 30.08.2022 – X ZR 3/22