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Nichts Neues (mehr) zu PoliscanSpeed – aus Emmendingen

entnommen wikimedia.org Urheber KarleHorn

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Das Messverfahren PoliscanSpeed ist nach wie vor umstritten, aber: Es ist eine Bastion der OLG oder „die heilige Kuh“, an die man – aus welchen Gründen auch immer – nicht ran will. Warum eigentlich nicht mal ein OLG ein Sachverständigengutachten in Auftrag gibt und damit ggf. dann die Fragen ein für alle Mal klärt, erschließt sich mir nicht. Man versteckte sich lieber hinter der PTB und schreibt (immer wieder): Standardisiertes Messverfahren.

Um so erfreulicher sind daher die amtsgerichtlichen Stimmen, die das anders sehen und den OLG nicht folgen. Dazu gehört das AG Emmendingen. Aber ich muss leider schreiben: Gehörte, denn der Kollege RiAG Thomas Ullenbruch, der sich dort immer wieder gegen das OLG Karlsruhe – sein „übergeordnetes Gericht“ entschieden hat, ist leider plötzlich verstorben (vgl. Badische Zeitung vom 01.06.2015). Vom AG Emmendingen werden wir also in Sachen Poliscan Speed nichts mehr hören (vgl. „ein kleines gallisches Dorf…“, oder: AG Emmendingen versus PoliscanSpeed, die 2. m.w.N.). Seine letzte (?) Entscheidung hat das OLG Karlsruhe im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.07.2015 – 2(7) SsBs 212/15-AK 108/15 dann noch aufgehoben. Ich erspare mir Zitate aus der Entscheidung, ist alles sattsam bekannt.

Das OLG hat aufgehoben und zurückverwiesen, allerdings nicht an das AG Emmendingen, sondern an das AG Freiburg. Begründung im Beschluss:

„Auch im Hinblick auf die durch den plötzlichen Tod des Vorderrichters eingetretene Personalsituation beim Amtsgericht Emmendingen macht der Senat von der durch § 79 Abs. 6 OWiG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, die Sache an das Amtsgericht Freiburg zurückzuverweisen.“

Man beachte das „auch“, es gab also „auch“ noch andere Gründe. Sicherlich wollte man endgültig Ruhe an der „Poliscan Speed-Front“. Man weiß ja nie, ob nicht der neue „Vorderichter“ auch die alte Rechtsprechung fortführt. Aber: Man kann beim OLG beruhigt sein. Das ist nicht der Fall. Wie der Kollege Rinklin, der mir den OLG-Beschluss geschickt hat, mitteilt: „Mir liegt aber seitens des neuen Abteilungsrichters des AG Emmendingen ein Schreiben vom heutigen Tage vor, in dem er mitteilt, dass er künftig nicht mehr an der bisherigen Rechtsprechung des AG Emmendingen bzgl. Poliscan Speed festhalten wird.“

Nun, für den Betroffenen scheint das Verfahren aber ggf. noch einen günstigen Ausgang zu haben. Denn:

„Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

  1. Sollte sich in der neuen Verhandlung ein Verstoß gegen §§ 3, 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO erweisen lassen, wird der neue Tatrichter sorgfältig zu prüfen haben, ob angesichts des Zeitablaufs die Anordnung eines Fahrverbots noch ihren Zweck erfüllen kann (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 25 StVG Rn. 24 m.w.N.).
  2. Außerdem wird zu beachten sein, dass das Verfahren nach Aktenlage im Zeitraum zwischen Juni 2013 und Oktober 2014 nicht sachdienlich gefördert wurde. Da nicht ersichtlich ist, dass dem Betroffenen dadurch besondere Belastungen erwachsen sind, dürfte es jedoch – vorbehaltlich weiterer Feststellungen – ausreichen, die rechtsstaatswidrige Verzögerung durch die Feststellung derselben zu kompensieren (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, § 46 Rn. 128, 132 m.w.N.).“

Immerhin.

Ein Bisschen was Neues zu PoliscanSpeed

Poliscan Speed - Radar„Ein Bisschen was Neues zu PoliscanSpeed“ – mit dem Begleitsatz hat mir der Verteidiger, der den Beschluss „erstritten“ hat, den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.07.2015 – 2 (6) SsBs 368/15-AK 117/15 – übersandt. In der Tat: Keine Sensation. Das wäre es gewesen, wenn das OLG von seiner und der Meinung anderer OLG (endlich) abgewichen wäre und man PoliscanSpeed – wie es einige AG tun – nicht (mehr) als standardisiertes Messverfahren angesehen hätte. Daran hält das OLG aber fest, schraubt jedoch ein wenig an den erforderlichen Feststellungen:

Nach den Feststellungen wurde die Geschwindigkeitsmessung mit einem Lasermessgerät des Typs PoliScan Speed des Herstellers Vitronic durchgeführt. Dabei handelt es sich nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung – auch aller drei Bußgeldsenate des Oberlandesgerichts Karlsruhe – um ein sog. standardisiertes Messverfahren (Senat VRS 127, 241; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2014, 352; OLG Düsseldorf VRR 2010, 116 und Beschluss vom 14.7.2014 – IV-1 RBs 50/14, bei juris; KG VRS 118, 367; OLG Frankfurt VRR 2010, 203; DAR 2015, 149; OLG Stuttgart Die Justiz 2012, 302; OLG Köln Beschluss vom 30.10.2012 – 111-1 RBs 277/12, bei juris, und NZV 2013, 459; OLG Bamberg DAR 2014, 38; OLG Schleswig SchlHA 2013, 450), bei dem sich der Tatrichter ohne Vorliegen besonderer Anhaltspunkte darauf beschränken kann, in den Urteilsgründen das verwendete Messverfahren und das Messergebnis unter Berücksichtigung des Toleranzabzugs mitzuteilen (BGHSt 39, 291; 43, 277). Voraussetzung ist indes, dass die Messung unter Beachtung der Betriebsanleitung des Geräteherstellers und der Zulassungsbedingungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) vorgenommen wurde (BGHSt 43, 277). Nachdem der Betroffene vorliegend ausdrücklich in Frage gestellt hatte, ob die Auswertung mit einer Softwareversion vorgenommen wurde, die von der PTB zugelassen war, hätte es dazu näherer Feststellungen bedurft. Deren Fehlen stellt deshalb einen Darlegungsmangel dar, der zur Aufhebung des Urteils mit Ausnahme der Feststellungen zur Fahrereigenschaft des Betroffenen, die von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind, führt.“

Also: Nur ein Bisschen was Neues …..

„Messdatei bei PoliscanSpeed nicht bekommen“ – Verletzung des rechtlichen Gehörs

Poliscan Speed - RadarEin wenig Leben in die festgefahrene Diskussion um die Akteneinsicht im Bußgeldverfahren, vor allem um die Frage, welche Unterlagen dem Betroffenen/seinem Verteidiger zur Verfügung zu stellen sind, dürfte der OLG Oldenburg, Beschl. v. 06.05.2015 – 2 Ss (OWi) 65/15 – bringen. Auf den bin ich vor einiger Zeit von einem Kollegen hingewiesen worden, der den Beschluss allerdings auch nicht im Volltext vorliegen hatte. Ich habe ihn dann beim OLG Oldenburg angefordert, was sich leider – AG München lässt grüßen 🙂  – schwieriger zu gestalten schien. Die erste Mail war im Nirwana verschwunden, auf die zweite Anfrage habe ich zwar eine Email-Adresse erhalten, an die ich mich wenden sollte, dann aber nichts länger  gehört und auf Nachfrage dann erfahren, dass der Vorsitzende prüfe, ob man die Entscheidung zur Veröffentlichung frei gebe. Nun, das hat mir zu lange gedauert und ich habe dann den Kollegen, der die Entscheidungen erstritten hat, gefragt und innerhalb von 24 Stunden war der Beschluss da. Danke. Die Justiz muss dann aber doch noch viel lernen.

Zur Sache: Der Kollege hatte in einem Verfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung – Messung mit Poliscan Speed – die Herausgabe der Messdatei beantragt, was verweigert worden ist. In der Hauptverhandlung hatte der Kollege dann folgenden Beweisantrag gestellt:

„Zum Beweis dafür, dass die hier stattgefundene Geschwindigkeitsmessung mit dem Messsystem PoliScan Speed im konkreten Fall technisch fehlerhaft war, die gesamte Messung daher unverwertbar ist, weil das Messgerät als solches bereits fehlerhaft war, nicht ordnungsgemäß installiert worden ist, deshalb zu einer verzerrten Fotodarstellung geführt hat, was den Schluss dazu zulässt, dass der gesamte Messvorgang unverwertbar ist, im Übrigen hier ohnehin die Auswertung der stattgefundenen Messung mit einer nicht geeichten Auswertesoftware der Bußgeldstelle durchgeführt worden ist, weshalb auch die Auswertung – woraufhin schon das unscharfe und verzerrte Foto hinweist – fehlerhaft durchgeführt wurde, berufe ich mich auf das Gutachten des … Sachverständigen ….“.

Der wird als zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich zurückgewiesen worden. Weiter heißt es beim AG, der Betroffene sei auch nicht in seinem Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden, indem dem von ihm beauftragten Sachverständigen nicht die Falldatei inkl. Passwort und Token übersandt worden sei. Der Verteidiger habe in der Hauptverhandlung erklärt, dass alle Aufzeichnungen aus dem gemessenen Gesamtabschnitt benötigt würden. Grundsätzlich umfasse das Akteneinsichtsrecht jedoch nur Teile der Aufzeichnungen, die den Verkehrsverstoß selbst dokumentieren. Das Akteneinsichtsrecht erstrecke sich jedoch nicht auf Aufzeichnungen, die Verkehrsvorgänge anderer Verkehrsteilnehmer betreffen. Somit seien die von dem Betroffenen begehrten Dateien nicht zu übersenden gewesen.

Der Verteidiger rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Und: Das OLG – die Einzelrichterin – lässt die Rechtsbeschwerde zu und hebt auf:

„Nach diesen Grundsätzen hat das Amtsgericht das rechtliche Gehör des Betroffenen verletzt. Das beantragte Sachverständigengutachten konnte nicht ohne Verstoß gegen § 77 OWiG abgelehnt werden. Nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG kann das Gericht einen Beweisantrag ablehnen, wenn nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Hier lagen zwar mit dem Messprotokoll, Eichschein und Messfoto diejenigen Unterlagen vor, die bei einem standardisierten Messverfahren grundsätzlich zum Nachweis des Geschwindigkeitsverstoßes genügen. Ein Beweisantrag wie der vom Betroffenen gestellte ist deshalb üblicherweise zu pauschal, so dass das Gericht ihn gem. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ablehnen kann.

Hier liegen jedoch besondere Umstände vor. Der Betroffene hatte vorprozessual mehrfach beantragt, ihm die Messdatei zugänglich zu machen. Wie in der Rechtsbeschwerdebegründung ausgeführt wird, war diese ihm von der Verwaltungsbehörde trotz zweifacher Aufforderung durch das Amtsgericht nicht übersandt und zuletzt mit der Begründung verweigert worden, man dürfe diese nicht übersenden. Das Amtsgericht führte dennoch den Termin durch, ohne dem Betroffenen in diesem oder zuvor die Messdatei zugänglich zu machen, und ging im Urteil nur wie oben wiedergeben auf die Frage ein.

Dabei war bereits rechtsfehlerhaft, dass dem Betroffenen nicht die Messdatei übersandt wurde. Da sie Grundlage und originäres, unveränderliches Beweismittel der Geschwindigkeitsmessung ist, ist sie – rechtzeitig vor dem Prozess – einem Betroffenen auf dessen Wunsch hin zugänglich zu machen (Cierniak, ZfSch 2012, 664 ff m.w.Nw., AG Stuttgart, Beschluss vom 29.12.11 — 16 OWi 3433/11 — juris; AG Senftenberg, DAR 11, 422; AG Cottbus, StraFo 2012, 409; AG Duderstadt, Beschluss vom 25.11.13, – 3 Owi 300/13 – juris; AG Fritzlar, ZfSch 15, 52; Geißler, DAR 14, 718). Es kann weiter dahinstehen, ob der Betroffene tatsächlich im Termin die Herausgabe auch weiterer Messdateien begehrt hat. Jedenfalls hat er weiterhin, wovon offenbar auch das Amtsgericht ausging, jedenfalls die Übersendung der Messdatei, die den ihm vorgeworfenen Geschwindigkeitsverstoß belegen soll, begehrt. Dazu, warum auch diese allein verweigert wird, äußert sich das Amtsgericht gar nicht. Vor diesem Hintergrund blieb dem Verteidiger keine Möglichkeit, einen präziseren Beweisantrag zu stellen, so dass dieser trotz seiner pauschalen Fassung nicht als ,,ins Blaue hinein gestellt“ unbeachtlich bleiben konnte. Die Ablehnung des Antrags ohne jede Begründung, warum der Verteidigung die Messdatei betreffend den konkreten Vorgang nicht zugänglich gemacht wurde, ist schlechthin nicht nachvollziehbar. Sie ist deshalb im vorliegenden Fall – sicher einer Ausnahmekonstellation – als willkürlich einzustufen. Damit ist durch die Ablehnung des Beweisantrags das rechtliche Gehör verletzt. Es lässt sich auch nicht ausschließen, dass durch Einholung des Sachverständigengutachtens der Nachweis der Geschwindigkeitsüberschreitung erschüttert worden wäre, so dass das Urteil auch auf dem Verstoß gegen das rechtliche Gehör beruht.“

Tja, wie gesagt: Vielleicht dann doch ein wenig Bewegung und vielleicht hat sich das OLG mit der Übersendung deshalb so schwer getan? Vielleicht soll es ja nicht zu viel Bewegung geben.

Mal wieder Poliscan – das OLG Düsseldorf mauert

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Um PoliscanSpeed war hier im Blog längere Zeit Ruhe. Jetzt hat mir vor einigen Tagen ein Kollege mal wieder eine Entscheidung geschickt, die sich mit diesem Messverfahren befasst. Sie kommt vom OLG Düsseldorf, das im OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.04.2015 – 3 RBs 15/15 – wie es nicht anders zu erwarten war, „mauert“.  D.h.: Wir erfahren wieder:

„PoliScan Speed ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung aus zutreffenden Gründen (OLG Düsseldorf u.a. VRR 2010, 116, zuletzt umfassend: Beschluss vom 14.7.2014 – IV-1 RBs 50/14, bei juris; KG Berlin DAR 2010, 331; OLG Frankfurt VRR 2010, 203; OLG Stuttgart DAR 2012, 274; OLG Köln Beschluss vom 30 10.2012 – III¬I RBs 277/12,- juris; OLG Bamberg DAR 2014, 38; OLG Schleswig SchIHA 2013, 450; OLG Karlsruhe, etwa Beschluss vom 7.5.2014 – 1 (8) SsBs 223/14; zuletzt NZV 2015, 150 ff.) als sog. standardisiertes Messverfahren anerkannt, weil die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (vgl. dazu allgemein BGHSt 39, 291 und 43, 277). Dies ergibt sich maßgeblich daraus, dass durch die Zulassung zur innerstaatlichen Eichung seitens der PTB die Messgenauigkeit sichergestellt ist. Der Verwertbarkeit von mit PoliScan Speed vorgenommener Geschwindigkeitsmessungen steht danach insbesondere nicht entgegen, dass ein Sachverständiger mangels Zugangs zu patent- und urheberrechtlich geschützten Herstellerinformationen die genaue Funktionsweise des Gerätes anhand hierfür relevanter Daten der Messwertermittlung nicht im Einzelnen nachvollziehen kann (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.7.2014, gerade auch betreffend die vorliegend eingesetzte Softwareversion 1.5.5., .a.a.O; OLG Karlsruhe Beschluss vom 16.4.2014 – 2 (6) SsRs 116114; KG a.a.O; OLG Köln VRS 125, 48; OLG Schleswig a.a.O). Gleiches gilt für die weiteren, hier auch vom Betroffenen gegen die generelle Zuverlässigkeit des Messgerätes erhobenen Einwände — insbesondere, mit der Zulassung des Gerätes verstoße die PTB gegen ihre eigenen Vorgaben nach PTB-A-18.11, Abschnitt 3.5.4. (heute 3.5.3.) und es bestehe die Gefahr einer Fehlzuordnung der Messung zum „richtigen“ Kfz im dichteren Verkehr — (vgl. hierzu ausführlich: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.7.2014, a.a.O, Rn. 11 ff.). Von einer Klärungsbedürftigkeit kann nach alledem nicht ausgegangen werden.“

Na ja, ob das alles so richtig ist, wage ich zu bezweifeln. Vor allem, wenn man das kombiniert mit den Ausführungen der OLG zum rechtlichen Gehör usw. Dann stecken der Betroffene und sein Verteidiger in einem Teufelskreis. Denn man verlangt, dass für ein Sachverständigengutachten konkret Messfehler dargelegt werden. Dafür muss man aber wohl die Bedienungsanleitung einsehen können/dürfen. Und wenn ich endlich so weit bin, dass ich einen Sachverständigen einschalten kann oder selbst einschalte, um das standardisierte Messverfahren zu überprüfen, dann erfährt der mangels Zugang zu sämtlichen Geräteinformationen aber nichts über die genaue Funktionsweise des Geräts, was aber keine Auswirkungen haben soll, da es sich ja um ein standardisiertes Messverfahren handelt. Das will ich bzw. soll der Sachverständige aber doch gerade prüfen.

„ein kleines gallisches Dorf…“, oder: AG Emmendingen versus PoliscanSpeed, die 2.

© Bertold Werkmann - Fotolia.com

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Wer die Geschichten von Asterix und Obelix kennt, weiß, dass alle mit der Einleitung anfangen (vgl. hier): „Wir befinden uns im Jahre 50 v.Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt… Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die römischen Legionäre, die als Besatzung in den befestigten Lagern Babaorum, Aquarium, Laudanum und Kleinbonum liegen…“ Für das Verkehrsrecht möchte ich das – animiert durch den Kollegen Dr. Krenberger, der mich (auch) auf das AG Emmendingen, Urt. v. 13.11.2014 – 5 OWi 530 Js 17298/13, das mir der Kollege Rinklin aus Emmendingen schon geschickt hatte, hingewiesen hat, wie folgt abwandeln:

Wir befinden uns im Jahre 2015 n.Chr. Ganz Deutschland ist von der Firma Vitronic und Poliscan Speed besetzt… Ganz Deutschland? Nein! Ein von einem unbeugsamen Amtsrichter bevölkertes AG – das AG Emmendingen – hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die Firma Vitronic und Poliscan Speed, die als Besatzung in den befestigten Lagern anderer AG und OLG, auch dem OLG Karlsruhe, liegen…

Denn: Nachdem das AG Emmendingen schon im AG Emmendingen, Urt. v. 26.02.2014 – 5 OWi 530 Js 24840/12 – (vgl. dazu PoliscanSpeed – OLG unterliegen einem “Zirkelschluss”) mehr als deutliche Worte zu Poliscan Speed gefunden hatte, hat es jetzt im AG Emmendingen, Urt. v. 13.11.2014 – 5 OWi 530 Js 17298/13 noch einmal richtig nachgelegt, und das dann gleich auf mehr als 30 Seiten. Also ein „richtiger Hammer“. Und dabei hat sich das AG auch nicht von seinem „übergeordneten“ OLG Karlsruhe „belehren“ bzw. leiten lassen, das im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.10.2014 – 2 (7) SsBs 454/14 – das AG Emmendingen, Urt. v. 25.02.2014 aufgehoben hatte. Das AG schlägt zurück bzw. lässt sich nicht beirren und hält an seiner Auffassung fest, dass dem Tatrichter in Verfahren, in denen eine Messung mit PoliscanSpeed zugrunde liegt, nur der Freispruch bleibt, solange die Geräteherstellerfirma „Vitronic“ und die PTB nicht alle Daten herausrücken.

Die Formulierungen in dem mehr als 30 Seiten langen Urteil sind schon bemerkenswert; dass ich hier nicht alles vorstellen kann, liegt bei der Länge auf der Hand, daher nur zwei Beispiele:

1. Das AG scheut sich nicht, mit der Rechtsfigur des „standardisierten Messverfahrens“ ins Gericht zu gehen und auch sie zu hinterfragen. Dazu heißt es u.a.

Die Interessen an der Aufrechterhaltung der „Rechtsfigur“ des „standardisierten Messverfahrens“ sind gleichwohl gesellschaftlich weit verbreitet und untereinander verbunden durch ein gewachsenes Geflecht privater Geschäftsleute und staatlicher Entscheidungsträger, vor allem auf exekutiv-kommunaler Ebene, womöglich aber zumindest teilweise auch auf judikativer Ebene (sog. „PoliScan-Allianz“). Die privaten wirtschaftlichen Interessen liegen dabei ebenso auf der Hand wie die finanziellen Überlegungen der Öffentlichen Hand und die Arbeitsbelastungen der Bußgeld- und Rechtsbeschwerderichter. Sie sind – isoliert betrachtet – allesamt legitim.

Ebenso legitim ist aber auch das Anliegen des Staatsbürgers, den Interessen der Allgemeinheit nicht bedingungslos untergeordnet zu werden. Konkret: Im Falle einer Geschwindigkeitsüberschreitung konsequent zur Rechenschaft gezogen zu werden – allerdings nur im Falle einer belastbaren Überführung. Immerhin geht es nicht nur um Geldbußen im Bagatellbereich, sondern z. B. auch um Fahrverbote, Nachschulungen bei „Führerscheinen auf Probe“ oder Fahrtenbuchauflagen (zu Letzterem vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse v. 16.09.2014 – 6 K 4512/13 sowie v. 22.09.2014 – 6 K 8838/13).“

2. Und dann auch noch einmal zum „standardisierten Verfahren“:

„Der Ausgangsfall (1993) betraf noch einen „geständigen“ Betroffenen, so dass sich die Skrupel gegenüber einer Verurteilung „mit wenigen Sätzen“ leichter überwinden ließen. Im zweiten Fall (1997) erklärte der BGH dann jedoch – wohl zur Verblüffung nicht nur des GBA und des jeweils vorlegenden OLG Köln – die Absegnung derartiger „Spar-Urteile“ habe sich auch auf „nicht geständige“ Betroffene bezogen. Es dürfte sich insoweit vorliegend um ein negatives Paradebeispiel schleichender rechtsstaatlicher Desensibilisierung auf höchstfach- bzw. obergerichtlicher Ebene handeln.

Jedenfalls übernahmen die meisten OLGe in der Folgezeit einigermaßen „bereitwillig“ die Sichtweise des BGH. Einschränkungen der Überprüfbarkeit der Funktionsweise der Geräte seien eben hinzunehmen. Das Messverfahren „PoliScan Speed“ sei ja ein „standardisiertes Verfahren“ iSd Rechtsprechung des BGH. „Argumente“ werden seither in aller Regel durch Zirkelschlüsse in Gestalt von Hinweisen auf den BGH und andere OLGe ersetzt.

Die Heraufbeschwörung der Funktionsuntüchtigkeit der Ordnungswidrigkeiten-rechtspflege durch den BGH überzeugt indes nicht. Insoweit gilt es vielmehr mit Prof. Dr. Ulrich Sommer zu bedenken: „Die Folgen des Umgangs mit angeblich rechtsstaatlich geprägten Oberbegriffen wie dem der Funktionsuntüchtigkeit hatte schon Limbach gesehen, die die Gefahr der Zuflucht zu Zweckmäßigkeits- und Plausibilitätserwägungen für offensichtlich hielt und vor einer Argumentation warnte, „die allzu leicht der Staatsräson Unterschlupf bietet“ (Limbach, Die Funktionsuntüchtigkeit der Strafrechtspflege im Rechtsstaat, Strafverteidigervereinigungen 1996, S. 42). Wer mit den unabwendbaren Bedürfnissen der Funktionsuntüchtigkeit einer Strafrechtspflege Bürgerrechte demontieren will, findet sich leicht in der eines Richters unwürdigen Rolle des Liktors wieder, der weit entfernt von dem Freiheitsbedürfnis seiner Bürger das blanke Beil der strafrechtlichen Gewalt nur noch halbherzig in Rutenbündeln verdeckt“ (Sommer, StraFo 2014, 441, 444).“

Ich bin gespannt, wie das OLG Karlsruhe, dem der amtsrichterliche Kollege in Emmendingen die Gefolgschaft verweigert reagiert. Sicherlich „not amused“. Und im zweifel nun auch mit einer Senatsentscheidung in Dreier-Besetzung, denn bei dem Beschluss vom 24.10.2014 hat es sich – so meine ich – um eine Einzelrichterentscheidung gehandelt. Aber, ob der Kollege aus Emmendingen dem folgen wird. Ich wage es zu bezweifeln. Wie hießt es doch bei Asterix: „Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.