Heute dann mal wieder drei Entscheidungen zum Bußgeldverfahren. Den Auftakt macht der LG Düsseldorf, Beschl. v. 17.05.2017 – 61 Qs 17/17. Man kann m.E. nur sagen: Zum Glück gibt es diesen Beschluss. Denn die vorangegangene Entscheidung des AG Ratingen war schon – sagen wir mal „bemerkenswert“. Ergangen ist sie in einem Bußgeldverfahren. Betroffene ist frei gesprochen worden. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen wurden der Staatskasse auferlegt. Der Betroffene hat dann im Rahmen der Kostenfestsetzung auch die bei seinem Verteidiger entstandenen Gebühren für das gerichtliche Verfahren (Nrn. 5109, 5110 VV RVG) geltend gemacht. Das AG hat deren Festsetzung mit der Begründung abgelehnt, dass die Verteidigung des Betroffenen „nutz- oder zwecklos“ gewesen sei.
Das LG Düsseldorf sieht das – zum Glück – anders:
„b) Die Verfahrens- und Terminsgebühren sind dem Betroffenen auch in der zur Vorziffer bezeichneten Höhe aus der Staatskasse zu erstatten und somit festzusetzen, da es sich dabei um notwendige Auslagen im Sinne des § 464a StPO handelt.
Zwar wird in der Rechtsprechung vertreten, dass Gebühren für eine „zwecklose“ oder „offensichtlich nutzlose und völlig überflüssige“ Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht erstattungsfähig sind (vgl. u.a. OLG Hamm, Beschl. v. 22.11.1990, Az. 2 Ws 58/90; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.04.2012, Az. III-2 Ws 67/12). Vorliegend war jedoch die Vorbereitung des Termins vom 11. August 2016 und die Teilnahme an diesem durch die Verteidigerin nicht nutz- oder zwecklos. Sie war vielmehr zur sachgerechten Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen geeignet. Auch die Tatsache, dass seitens des Betroffenen erst im Hauptverhandlungstermin vorgebracht und belegt wurde, dass dieser zur Tatzeit krankgeschrieben und daher nicht verantwortlich war, rechtfertigt keine andere Bewertung. Die Entscheidung, ob und ggf. wann ein Betroffener sich einlässt, obliegt diesem – ggf. beraten durch seinen Verteidiger – selbst. Dass sich der Betroffene vorliegend zunächst dazu entschied, sich schweigend zu verteidigen – möglicherweise um durch eine wahrheitsgemäße Aussage nicht seinen Sohn zu belasten und in der Hoffnung, dass einer Verfahrenseinstellung nach § 47 OWiG erfolgen würde – und dass die Behörde das gegen ihn anhängige Bußgeldverfahren anderenfalls möglicherweise bereits gemäß § 46 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hätte, macht die Tätigkeit der Verteidigerin im gerichtlichen Verfahren nicht nutz- oder zwecklos. Auch unter dem Gesichtspunkt der Kostenminderungspflicht war der Betroffene vorliegend nicht gehalten, sich so frühzeitig wie möglich wahrheitsgemäß – und unter Belastung seines Sohnes – einzulassen.“
Zum Glück also ein untauglicher Versuch, den das AG Ratingen hier unternommen hat. Nämlich nachträglich die Verteidigungsstrategie des Betroffenen dadurch zu sanktionieren, dass sein Schweigen vor der Hauptverhandlung mit einer Reduzierung seines Kostenerstattungsanspruchs bestraft wird bzw. werden sollte. Wehret den Anfängen, kann man da nur sagen und sich beim LG Düsseldorf dafür bedanken, dass es diesen amtsgerichtlichen Sanktionsbestrebungen Einhalt geboten hat. Das folgt m.E. alles zwanglos aus § 136 StPO und dem nemo-tenetur-Satz, auch wenn das AG Ratingen und mit ihm sicherlich auch andere AG gerne diese „Kostenkeule“ schwingen würden. Es muss aus rechtsstaatlichen Gründen dabei bleiben, dass der Betroffene – und natürlich im Strafverfahren auch der Angeklagte – frei in der Entscheidung sein müssen, wie sie sich verteidigen wollen, ob sie sich also zur Sache einlassen oder nicht und sich schweigend verteidigen. Dazu gehört auch die Entscheidung über den Zeitpunkt einer dann doch abgegebenen Einlassung. Es kann und darf nicht sein, dass diese Entscheidung dann nachträglich darauf geprüft wird, ob sie „nutz- oder zwecklos“ war – für wen eigentlich? – und dass darüber dann das Gericht entscheidet. Denn das würde den Betroffenen/Angeklagten in seiner Entscheidung, wie er sich verteidigt, ggf. behindern. Eine solche Behinderung sieht unsere Rechtsordnung aber nicht vor. Zum Glück.