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Mord I: Niedrige Beweggründe, oder: Motivlage nicht berücksichtigt

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Heute stelle ich dann drei Entscheidung zum Mordparagrafen vor (§  211 StGB). Den Anfang mache ich mit dem BGH, Beschl. v. 07.04.2020 – 4 StR 34/20. Das LG Hagen hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Seine dagegen gerichtete auf die Sachrüge gestützte Revision hatte in vollem Umfang Erfolg.

„Die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das vom Landgericht angenommene mordqualifizierende Merkmal der Tötung aus niedrigen Beweggründen ist nicht ausreichend mit Tatsachen belegt.

1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils lernte der Angeklagte die später Getötete Z. Ende 2017 kennen und verliebte sich in sie, obwohl er sich selbst in einer festen Beziehung befand. Frau Z. , die zu der Zeit mit einem griechischen Gastwirt liiert war, nahm zwar die Hilfe des Angeklagten etwa bei Behördenangelegenheiten gerne an, sagte ihm aber, dass es für sie beide keine gemeinsame Zukunft geben werde. Auch vermied sie es, mit dem Angeklagten alleine zusammen zu sein. Nachdem der Angeklagte und Frau Z. ihre jeweiligen Beziehungen beendet hatten, verfolgte der Angeklagte Frau Z. verstärkt. Er rief sie bis zu zweihundertmal täglich an, folgte ihr auf dem Weg zur Arbeit und zurück, so dass sich Frau Z. von einer Arbeitskollegin begleiten ließ. Ab Februar 2019 nahm Frau Z. eine neue Beziehung mit Adam L. auf. Am 25. Februar 2019 beobachtete der Angeklagte, dass Adam L. Z. in ihrer Wohnung besuchte. Aufgebracht und unruhig nahm er Kontakt zu zwei Bekannten der Frau Z. auf, die ihn aufforderten, die Frau in Ruhe zu lassen. Als L. die Wohnung der Frau Z. verlassen hatte, klopfte der Angeklagte wiederholt an ihrer Tür, bis sie ihn nach einem Anruf um 5.03 Uhr einließ. In der Wohnung kam es zum Streit. Möglicherweise reagierte Frau Z. aufgrund des Genusses von Alkohol und Amphetamin aggressiv, sie griff den Angeklagten aber nicht körperlich an. Der schubste sie, so dass sie zu Boden fiel und sich eine blutende Platzwunde am Hinterkopf zuzog. Anschließend würgte er sie mindestens dreißig Sekunden lang, bis sie starb. Ihren Tod nahm er billigend in Kauf. Er handelte aus Eifersucht und damit sie sich keinem anderen Mann zuwenden konnte.

Das Schwurgericht hat das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe angenommen. Maßgebliches Tötungsmotiv sei die Durchsetzung eines personalen Besitzanspruchs gegen Z. gewesen, in die er bereits seit Monaten verliebt gewesen sei und die er nunmehr erstmalig mit einem anderen Mann gesehen habe. Er sei nicht bereit gewesen zu akzeptieren, dass Frau Z. ein Leben in einer neuen Beziehung führe. Dabei habe er keinerlei Anlass oder Berechtigung gehabt, an eine zwischen ihm und der Frau bestehende Beziehung zu glauben.

2. Die Annahme niedriger Beweggründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, welches der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist (vgl. BGH, Urteile vom 14. Dezember 2006 – 4 StR 419/06 Rn. 9, juris; vom 10. März 2006 – 2 StR 561/05, NStZ 2006, 338, 340 mwN). Die Beurteilung der Frage, welches Motiv handlungsleitend für die Tötung des Opfers war, setzt eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren voraus (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 2. Dezember 1987 – 2 StR 559/87, BGHSt 35, 116, 127; vom 19. Oktober 2001 – 2 StR 259/01, BGHSt 47, 128, 130). Den Anforderungen an eine vollständige Gesamtwürdigung wird das Landgericht nicht gerecht; es lässt für das Geschehen maßgebliche Umstände außer Acht.

Die Strafkammer hat bei der Feststellung der Motivlage des Angeklagten nicht berücksichtigt, dass der Tötung ein Streit vorausging (UA 9). Diese Feststellung stützt die Strafkammer offenbar auf die Aussage des Angeklagten gegenüber dem Polizeibeamten K. am Tattag (UA 19), in der Beweiswürdigung wird der Streit nicht ausdrücklich angesprochen. Die Strafkammer hat zudem nicht auszuschließen vermocht, dass Frau Z. auf das Anliegen des Angeklagten verbal aggressiv reagierte. Sie hat dieses Geschehen sodann aber nicht in seiner für das Mordmerkmal relevanten Bedeutung erfasst. Der Streit mit dem verbal aggressiven späteren Tatopfer wäre bei der anzustellenden Gesamtwürdigung einzubeziehen gewesen, da nicht auszuschließen ist, dass diese Umstände für den Angeklagten ebenfalls handlungsleitend waren und einem ausschließlich aus übersteigerter Eifersucht und unbegründeten Besitzansprüchen beruhenden Angriff des Angeklagten entgegenstanden, zumal das angenommene Tötungsmotiv auch nicht ohne Weiteres zu einem (nur) bedingten Tötungsvorsatz passt.

Auf dieser mangelhaften Würdigung beruht die angefochtene Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei fehlerfreier Prüfung das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe verneint worden wäre.“