Als letzte Entscheidung des Tages hier dann der AG Schmallenberg, Beschl. v. 29.07.2019 – 5 Cs-180 Js 97/19-33/19. Er kommt aus dem Verkehrsrecht, und zwar Aufhebung der Sperrfrist nach Entziehung der Fahrerlaubnis wegen erfolgreicher Nachschulung. Ebenfalls eine „Klassiker“:
Das AG ist dem (Verkürzungs)Antrag nachgekommen:
„Der Antrag auf Verkürzung der Sperrfrist ist unzulässig. Das Gericht ist nicht befugt, wie vom Verurteilten beantragt, über eine Verkürzung der Sperrfrist zu entscheiden. Die Aufhebung der Sperre hat sich auf den Entscheidungszeitpunkt zu beziehen; sie darf nicht für einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt angeordnet werden (LG Berlin VRS 120 199, LG Ellwangen BA 02, 223, Athing/v. Heintschel-Heinegg MK 50, Fischer 41, Geppert LK 80, AnwK-Halecker/Scheffler 28, Sinn SK 14, Schönke/Schröder/Kinzig, 30. Aufl. 2019, StGB § 69a Rn. 29). Der Antrag des Verurteilten ist allerdings als Antrag auf Aufhebung der Sperrfrist auszulegen. Ein solcher Antrag ist nach § 69a Abs. 7 StPO zulässig. Insbesondere ist die nach § 69 Abs. 7 S. 2 StGB zu beachtende Mindestsperrfrist verstrichen.
Der Antrag ist auch begründet.
Der Verurteilte hat sich von Anfang an reuig und einsichtig gezeigt. Dies reicht jedoch keinesfalls für eine Aufhebung der Sperrfrist aus. Erforderlich ist vielmehr für die Aufhebung der Sperre, dass neue Tatsachen vorliegen, die einen hinreichenden Grund zu der Annahme ergeben, dass der Verurteilte zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, die Gründe, aus denen auf den Eignungsmangel geschlossen wurde, somit nicht mehr bestehen. Eine lediglich andere Beurteilung der bei der Bemessung der Sperrfrist verwerteten Tatsachen rechtfertigt nicht die vorzeitige Aufhebung der Sperre, da sie eine unzulässige Urteilsberichtigung darstellen würde (vgl. Athing/v. Heintschel-Heinegg MK 53, NK-Böse 11, M/R-Eschelbach 23, Fischer 42, Geppert LK 83 ff., AnwK-Halecker/Scheffler 28, SSW-Harrendorf 28, L-Heger 7, Hentschel aaO RN 793, Meier 288). Der bloße Ablauf einer längeren Zeit genügt daher ebenfalls nicht (Düsseldorf NZV 91, 478, Hamburg DAR 04, 660, Jena VRS 108 361, AG Bochum DAR 11, 97, Schönke/Schröder/Kinzig, 30. Aufl. 2019, StGB § 69a Rn. 28).
Eine neue Tatsache zugunsten des Verurteilten kann hingegen die erfolgreiche Teilnahme an einem Nachschulungskurs für alkoholauffällige Kraftfahrer oder einer Verkehrstherapie sein (vgl. Dresden BA 03, 243, Düsseldorf VRS 66 347, LG Aachen BA 07, 262, LG Berlin DAR 10, 712, LG Erfurt VRR 11, 389, LG Köln DAR 05, 702, LG Leipzig NZV 10, 105, VRR 10, 2, AG Adelsheim BA 09, 432, AG Dresden BA 14, 361, AG Kehl NStZ-RR 16, 57, AG Leipzig NZV 15, 404, sowie die Rspr.-Nachweise bei Himmelreich/Halm NStZ 06, 381 f., 07, 390, 08, 383 f., 09, 374, 10, 492 f.,11, 441 ff., 13, 455 f.).
Eine erfolgreiche Kursteilnahme ist aber nur ein Indiz für den Wegfall des Eignungsmangels, so dass die Kursbescheinigung nicht zu einer automatischen Aufhebung der Sperre zwingt (KG DAR 04, 657, LG Hof NZV 01, 91, AG Hof NZV 04, 101 m. Anm. Heinrich, AG Kehl BA 14, 182, Athing/v. Heintschel-Heinegg MK 54, Geppert LK 88). Insbesondere, bei einer hohen BAK ab ca. 1,6 ‰ müssen hierzu weitere besondere Umstände hinzutreten (vgl. Naumburg DAR 01, 379, LG Flensburg DAR 05, 409, vgl. auch BVerfG DAR 07, 80 m. Anm. Himmelreich, Geppert LK 88a; weniger streng z.B. LG Berlin DAR 10, 712 bei BAK von 2,82 ‰, LG Erfurt VRR 11, 389 bei BAK von 2,04 ‰, LG Leipzig NZV 10, 105 bei BAK von 2,18 ‰). Zeigt sich der Verurteilte an einer Nachschulung völlig desinteressiert, so kann dies gegen den Wegfall des Eignungsmangels sprechen (vgl. Koblenz VRS 69 28). Nimmt er hingegen interessiert und aktiv teil, spricht dies bei entsprechend qualifizierten Lehrgängen, wie den des U, für den Wegfall des Eignungsmangels.
Bei dem Verurteilten liegt zwar eine Blutalkoholkonzentration von deutlich über 1,6 ‰ vor. Gleichzeitig liegen aber auch die von der Rechtsprechung geforderten besonderen Umstände vor, die eine Aufhebung der Sperrfrist rechtfertigen.
Das Gericht muss keineswegs von der wiederhergestellten Eignung überzeugt sein, um die Sperre aufzuheben. Vielmehr reicht eine günstige Prognose, welche die erneute Teilnahme als Kraftfahrzeugführer verantwortbar erscheinen lässt (MüKoStVR/Kretschmer, 1. Aufl. 2016, StGB § 69a Rn. 25).
Der Verurteilte hat durchaus glaubhaft vorgetragen, dass er sich aufgrund familiärer Probleme zu dem Genuss von übermäßig viel Alkohol habe hinreißen lassen. Diese familiäre Situation habe sich erheblich verbessert. Aus der Bescheinigung der Dipl. Psychologin O ergibt sich, dass der Verurteilte aktiv und erfolgreich an dem Schulungsprogramm der U teilgenommen hat, so dass von einer erheblichen Verbesserung der Fahreignungseigenschaften auszugehen sei. Bei einer Gesamtschau des Verhaltens und der Einlassungen des Verurteilten im Strafverfahren, seines aktiven und erfolgreichen Bemühens, seine Fahreignungseigenschaften zu verbessern, ist daher der Schluss gerechtfertigt, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung der Sperrfrist vorliegen. Denn ansonsten wären die Voraussetzungen kaum von jemanden zu erfüllen und der in § 69 a StGB erklärte gesetzgeberische Wille, die Möglichkeit bei neuen Tatsachen die Sperrfrist aufzuheben, ginge ins Leere.
Bei der Wertung ist weiter Folgendes zu beachten:
Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verhängung einer Sperrfrist gem. den §§ 69, 69a StGB handelt es sich nach dem Gesetz nicht um eine Strafe (auch wenn dies allgemein völlig anders empfunden wird), sondern um eine Maßregel der Besserung und Sicherung. Es geht schlicht weg darum, ungeeignete Fahrer vom Straßenverkehr fernzuhalten. Nach § 13 Nr. 2 c FeV ist durch die Fahrerlaubnisbehörde vor der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis dem Verurteilten aufzuerlegen, dass er ein medizinischpsychologisches Gutachten beizubringen hat, aus dem sich seine Fahreignung ergibt. Mithin ist dem Gedanken der Besserung und Sicherung auch bei Aufhebung der Sperrfrist in diesem Fall ausreichend genüge getan. Denn wenn der Verurteilte ein positives medizinischpsychologisches Gutachten beibringt, wird sich die Aufhebung der Sperrfrist als zutreffend erweisen und es ist von keiner weiteren Gefahr für den Straßenverkehr auszugehen, die eine weitere Maßnahme der Besserung- und Sicherung rechtfertigen würde. Sollte das Gutachten jedoch negativ ausfallen, erhält er keine Fahrerlaubnis, so dass es auf die Sperrfrist nicht insoweit nicht ankommt. Die Berücksichtigung dieses Umstandes ist auch bei der Verhängung von Sperrfristen bei Blutalkoholkonzentrationen von über 1,6 ‰ seit vielen Jahren beim Amtsgericht T ständige Rechtsprechung.“