Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle, kommt auch vom OLG Celle. Das hat aber m.E. im OLG Celle, Beschl. v. 14.11.2019 – 3 Ws 323/19 – falsch entschieden. Folgender Sachverhalt liegt der Entscheidung zugrunde
Der Angeklagte ist vom Schwurgericht/LG u.a. vom Vorwurf des versuchten Mordes freigesprochen und der Landeskasse sind seine notwendigen Auslagen auferlegt worden. Der Kollege, der mir die Entscheidung geschickt hat, hat die notwendigen Auslagen des Angeklagten geltend gemacht. Dabei hat er für die Hauptverhandlungstermine jeweils eine Mittelgebühr von 320,00 EUR gemäß § 14 RVG, Nr. 4114 VV RVG sowie eine Verfahrensgebühr in Höhe von 225,00 EUR gemäß § 14 RVG, Nr. 4113, 4112 VV RVG geltend. Diese Gebühren sind antragsgemäß festgesetzt worden. Der Kollege hat dann später die Festsetzung weiterer notwendig entstandener Auslagen mit der Begründung beantragt, dass es sich dabei um die Mehrkosten der Mittelgebühren für die Vertretung vor dem Schwurgericht nach Nr. 4118, 4119 und 4120 VV RGV handele. Bei seinem Kostenfestsetzungsantrag habe er diese Gebührentatbestände übersehen und versehentlich die Gebühren für die Vertretung vor der Strafkammer nach den Nr. 4112 und 4114 VV RVG geltend gemacht. Diesen Antrag hat der Rechtspfleger mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein Rechtsanwalt an sein einmal im Rahmen des § 14 RVG ausgeübtes Ermessen bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr gebunden sei. Der Verteidiger habe auch keinen Gebührentatbestand übersehen. Die sofortige Beschwerde des Verteidigers hatte beim OLG keinen Erfolg:
„2. Der mit der sofortigen Beschwerde weiter verfolgte Auslagenanspruch besteht aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die der Senat auch der eigenen Entscheidung zugrunde legt, nicht,
Der Rechtsanwalt ist an sein nach § 14 Abs. 1 RVG einmal ausgeübtes Ermessen bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens gebunden. Denn die Ausübung des Ermessens ist Bestimmung der Leistung durch den Verteidiger und erfolgt gemäß § 315 Abs. 2 BGB durch Erklärung gegenüber dem Mandanten bzw. der Landeskasse. Die Bestimmung ist rechtsgestaltender Natur, ihre Abgabe somit Ausübung des Gestaltungsrechts. Da das Gestaltungsrecht durch seine Ausübung verbraucht ist, kann die Bestimmung, sobald die Erklärung gemäß § 130 Abs. 1 BGB durch Zugang wirksam geworden ist, nicht mehr geändert oder widerrufen werden. Sie ist damit auch für den Verteidiger als Bestimmenden bindend, es sei denn, er hat sich eine Erhöhung ausdrücklich und erkennbar vorbehalten, er ist über Bemessungsfaktoren getäuscht worden oder er hat einen gesetzlichen Gebührentatbestand übersehen (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 24. Aufl. 2019, § 14 Rn. 4).
Mit der Geltendmachung der Kostenfestsetzung durch Antrag vom 12. Oktober 2018 war dem Verteidiger damit die Möglichkeit genommen, seinen Antrag „nachzubessern“, weil er einen entsprechenden Vorbehalt nicht mitgeteilt hat. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers liegt hier auch kein Übersehen eines gesetzlichen Gebührentatbestandes vor, weil er im Antrag vom 12. Oktober 2018 erkennbar entstandene Verfahrens- und Terminsgebühren – wenn auch fehlerhaft – geltend -gemacht hat. Eine Nachforderung käme nur bei irrtümlich nicht geltend gemachten Gebühren und Auslagen in Betracht, die in dem früheren Kostenfestsetzungsantrag überhaupt nicht enthalten waren. Hier hat der Beschwerdeführer jedoch lediglich bestimmte Umstände bei der Ausübung seines Bestimmungsrechts übersehen. Eine Abänderung des einmal ausgeübten Bestimmungsrechts, mit dem der Leistungsinhalt konkretisiert und unwiderruflich wurde, ist dann jedoch nicht mehr möglich (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, § 14 Rn. 52 m.w.N.).
M.E. zieht das OLG die Grenze für Ausnahmen vom Verbot der Nachliquidation zu eng, wenn es darunter auch den hier vorliegenden Fall einordnet, in dem der Rechtsanwalt erkennbar von einer falschen Gebühr ausgegangen ist. Diesen Fall muss man m.E. dem gleichstellen, in dem der RA eine ihm zustehende Gebühr übersehen hat. Das ist etwas anderes, als wenn der Rechtsanwalt nachträglich innerhalb des Rahmens seine Gebühr anders bestimmen will. Gerade das war hier aber nicht der Fall. Denn der Kollege hat auch im Rahmen der Nachliquidation die Mittelgebühren abgerechnet. Er hat nur eine andere Berechnungsgrundlage – nämlich die Schwurgerichtsgebühren anstelle der Strafkammergebühren – zugrunde gelegt. Das hat mit Ermessensausübung und Rechtsgestaltung m.E. nichts zu tun. Daher hätte hier die Nachfestsetzung erfolgen müssen. So gehen dem Kollegen rund 2.000 EUR verloren. Die Staatskasse wird es (mal wieder) freuen, den Kollegen nicht.