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OWi I: Geschwindigkeitsmessung durch Private, oder: Unverwertbar

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Nach dem gestrigen Tag des Mobiltelefons schieb ich heute dann gleich einen OWi-Tag hinterher. Und den Reigen eröffne ich heute mit dem AG Hanau, Urt. v. 29.04.2019 – 50 OWi 2255 Js 15960/18.

Das AG hat den Betroffenen vom Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung frei gesprochen. Grund: Unverwertbarkeit der Messung, weil diese von einem Privaten durchgeführt worden ist:

„Das Beweismittel für die vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung im vorliegenden Verfahren ist die die digitalisierte Falldatei der Messung. Diese wird durch Umwandlung in ein Messbild, welches mit den der Messung zugehörigen Daten (insbesondere Datum, Uhrzeit, gemessene Geschwindigkeit) in lesbarer Form versehen ist, als Beweismittel gerichtsverwertbar.

Der Einführung des Messbildes und der darauf enthaltenen Daten (BI. 5 d. A.) als Beweismittel stand aber ein Beweisverwertungsverbot entgegen.

Das Gericht war nach der zuvor durchgeführten Beweisaufnahme nicht überzeugt, dass sich die Daten über den gesamten Zeitraum der Messung und Auswertung in der Kontrolle der Gemeinde als für die Messung verantwortlichen Hoheitsträgerin befanden, sondern ein Bruch in der Beweismittelkette entstanden ist, aufgrund dessen das Gericht die Messdaten nicht als Verurteilungsgrundlage heranziehen konnte.

Die Verkehrsüberwachung ist eine hoheitliche Aufgabe der Gefahrenabwehr sowie der Verfolgung und Ahnung von Ordnungswidrigkeiten. Als solche ist sie von den Polizeibehörden sowie den allgemeinen Ordnungsbehörden wahrzunehmen (vgl. Erlass des HMdIS vom 06.01.2006, Hessischer Staatsanzeiger vom 30.01.2006, BI. 286 ff.). Danach ist eine selbständige Wahrnehmung der Verkehrsüberwachung durch Privatpersonen nicht zulässig. Die Ordnungsbehörden dürfen sich der Unterstützung durch Private zwar zur technischen Hilfe bedienen, müssen aber Herrin des Verfahrens bleiben (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 26.04.2017, Az.: 2 Ss Owi 295/17). Unter technischer Hilfe ist beispielsweise der Auf- und Abbau der Messgeräte, die Beseitigung von Störungen oder die Führung der Messfahrzeuge zu verstehen. Für die Ordnungsgemäßheit der Messung muss diese aber in alleiniger Verantwortung von Bediensteten der Ordnungsbehörde durchgeführt werden (vgl. des HMdIS vom 30.01.2006, a. a. O.).

Vorliegend sagte der Zeuge G. aus, dass die Messung selbst und die dazugehörige Auswertung durch ihn durchgeführt worden sei. Der Zeuge gab weiter an, bei der DEKRA Arbeitnehmerüberlassung beschäftigt zu sein und im Rahmen dieser Beschäftigung an zwei Wochentagen regelmäßig Geschwindigkeitsmessungen für die Gemeinde Nidderau durchzuführen. Er nehme die Messungen und die Auswertungen selbständig vor sowie die dazugehörigen Gerichtstermine wahr. Sein Gehalt erhalte er von der DEKRA Arbeitnehmerüberlassung. Daneben führe er auch Messungen für die Gemeinde Brachtal durch. Eine Tätigkeit bei der BA Technology GmbH, welche ausweislich des Eichscheins (BI. 8 d. A.) Inhaberin des Messgeräts ist, nehme er weder zum jetzigen Zeitpunkt wahr, noch sei dies in der Vergangenheit der Fall gewesen. Er sei auch bei der Gemeinde Freigericht nie beschäftigt gewesen. Auf Vorhalt des Schulungsnachweises (BI. 9 d. A.) teilte er mit, dass er zu der Schulung lediglich einen für die Gemeinde Freigericht freigewordenen Teilnehmerplatz eingenommen habe.

Die Aussage des Zeugen war glaubhaft. Es bestand für das Gericht kein Anlass, an ihrer Richtigkeit und an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln.

Mithin war das Gericht nach Vernehmung des Zeugen G. davon überzeugt, dass die Geschwindigkeitsmessung von einer Privatperson durchgeführt wurde, was zur Folge hat, dass die durch die Messung gewonnenen Beweise rechtsfehlerhaft sind (vgl. OLG Frankfurt am Main, a. a. O.). Der Zeuge G. ist ausweislich seiner eigenen Aussage nicht bei der Gemeinde selbst, sondern bei einem Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung angestellt. Dass er im Messprotokoll (BI. 7 d. A.) als Ordnungspolizeibeamter bezeichnet ist, ändert nichts daran, dass er in keinem Dienstverhältnis zu der Stadt Nidderau als für die Messung zuständige örtliche Ordnungsbehörde steht. Darin liegt der in der Rechtsprechung des OLG Frankfurt dargelegte Bruch der Beweismittelkette, da sich im vorliegenden Verfahren zu keinem Zeitpunkt die Messdaten in der Kontrolle des Hoheitsträgers selbst befanden. Der Bruch in der Beweismittelkette besteht auch unabhängig von der Frage, ob der Zeuge G. über die Geschwindigkeitsmessung hinaus auch in einem Beschäftigungsverhältnis mit dem Unternehmen, in dessen Eigentum sich das Messgerät befindet, steht, oder anderen Tätigkeiten nachgeht.“

Messauswertung durch Private, oder: Beweisverwertungsverbot (im Saarland?)

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So. Heute will ich dann mal mit einigen OWi-Entscheidungen „aufwarten“. Zum Teil sind die Entscheidungen beim Kollegen Gratz im VerkehrsrechtsBlog schon gelaufen. Ich schiebe sie aber dann dennoch auch hier noch einmal nach.

Beginnen will ich mit einer erfreulichen Entscheidung. Es ist das AG Neunkirchen, Urt. v. 27.04.2016 – 19 OWi 68 Js 778/15 (234/15), ein AG das sich in meinen Augen zu einem „Hort der Rechtstaatlichkeit“ entwickelt hat. Man kann über viele schöne Entscheidungen, die von dem AG kommen, berichten. In diesem Urteil geht es um die Frage eines Beweisverwertungsverbotes, wenn die Verwaltungsbehörde im Rahmen der Geschwindigkeitsüberwachung – insbesondere im Rahmen der Auswertung von Messungen – „sehenden Auges“ gegen die Vorschriften eines ministerialen Erlasses verstößt. Das AG hat ein Beweisverwertungsverbot für ein vorliegendes Messfoto bejaht und sich dazu auf OLG-Rechtsprechung (OLG Frankfurt NStZ 2003, 342; OLG Naumburg, Beschl. v.07.05.2012 – 2 Ss Bz 25/12 und Hilfe von Privaten – Beweisverwertungsverbot für Messergebnisse im Straßenverkehr) berufen:

„d) Aus den oben genannten Gründen hat die Stadt Neunkirchen wie dargelegt als zuständige Behörde in erheblicher Weise gegen die Bestimmungen des Saarländischen Erlasses verstoßen. Da ihr der Erlass auch bekannt war und dieser klar und deutlich die Grenzen der Einbindung Privater in die Verkehrsüberwachung regelt und definiert, hat sie diese Vorgaben nach Auffassung des Gerichts zumindest grob fahrlässig missachtet, so dass im vorliegenden Fall aus den genannten Gründen von einem Beweisverwertungsverbot bzgl. der Messfotos auszugehen ist.

Davon abgesehen, hat das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass im vorliegenden Fall überhaupt eine hoheitliche Messung bzw. Auswertung vorliegt. Denn letztlich ist nach Auffassung des Gerichts nicht mit der hinreichenden Sicherheit festzustellen, ob die Auswertung der Daten überhaupt noch hoheitlich erfolgt und die Messfotos im vorliegenden Fall unverändert sind.“

Die vom AG Neunkirchen entschiedene Sache war inzwischen übrigens auch schon beim OLG Saarbrücken. Das hat im OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.09.2016 – Ss RS 21/16 – den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch des Betroffenen verworfen. Allerdings nicht deshlab, weil es auch von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen ist, sondern aus den Gründen des Rechtsbeschwerderechts. Denn es erfolgt keine Zulassung bei formellen (Verfahrens)Fragen:

„Bei den hier in Rede stehenden und auch von der Staatsanwaltschaft zur Begründung ihres Zulassungsantrags formulierten Fragen, wie die Ordnungsbehörde bei der Hinzuziehung eines privaten Unternehmens zur Auswertung der bei einer Verkehrsüberwachung (hier: Geschwindigkeitsmessung) erlangten Messdaten ihre Verantwortung auszufüllen hat, um Herrin des Verfahrens zu bleiben, unter welchen Voraussetzungen ihr diesbezügliches Handeln rechtswidrig (gesetz- und/oder erlasswidrig) ist und ob in einem solchen Fall eines rechtswidrig erhobenen Beweises ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist, handelt es sich nicht um Fragen des materiellen Rechts, sondern um solche des Verfahrensrechts. Zum Verfahrensrecht gehören die Vorschriften, die den Weg bestimmen, auf dem der Richter zur Entscheidungsfindung berufen und gelangt ist; alle anderen Vorschriften sind dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 337 Rn. 8; Göhler/Seitz, a. a. O., § 80 Rn. 16f). Vorliegend geht es um die Rechtmäßigkeit des der Entscheidung vorangegangenen Verfahrens, nämlich um die Frage, ob im ordnungsbehördlichen Bußgeldverfahren erhobene Beweise rechtmäßig erlangt worden sind. Hierbei handelt es sich ebenso wie bei der Frage, ob aus einem etwaigen Verstoß ein Beweisverwertungsverbot folgt, um eine verfahrensrechtliche Frage, zumal die Erörterung, ob ein Beweisverwertungsverbot vorliegt, von der Frage des Vorliegens eines Beweiserhebungsverbots nicht getrennt werden kann (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 05.10.2009 — 3 Ss OWi 764/09, juris Rn. 6; Beschl. v. 11.11.2009 — 3 Ss OWi 856/09, juris Rn. 6; OLG Stuttgart, Beschl. v. 03.01.2011 — 5 Ss 732/10, BI. 164 ff. d. A.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.10.2014 — 3 (4) SsRs 259/14 — P.K 78/14, BI. 168 d. A.; OLG Bamberg, Beschl. v. 04.08.2015 — 3 Ss OWi 874/15, juris).“

Den Betroffenen wird das nicht interessieren. Denn er ist/bleibt frei gesprochen 🙂 .