Am Samstag dann mal wieder Zivilrecht, nun ja, einen Touch Strafrecht hat das Ganz für mich auch. Es geht um den Abgasskandal bei VW und die sich daraus ergebenden rechtlichen Folgen, über die ich hier ja schon häufiger berichtet habe (vgl. hier das LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 – I-2 O 425/15 und das LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 11 O 341/15 und dazu: VW-Abgasskandal: Hier dann LG Bochum/LG Münster zur „VW-Schummelsoftware“ und das LG München I, Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15 und dazu VW-Abgasskandal – beim LG München I geht es „käuferpositiv“….). Jetzt gibt es zu der Problematik auch eine Entscheidung des OLG Celle, nämlich den OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16. Der ist im PKH-Verfahren ergangen. Grundlage ist die beabsichtigte Klage einer Käuferin eine Pkw Skoda Yeti 2,0 l TDI, die sich gegen den Händler und die VW-AG richtet. Der Pkw der Klägerin ist von dem sog. VE-Abgasskandal betroffen ist. Das LG hatte Pkw nicht bewilligt. Das OLG hat ihm nun aufgegeben, von seinen „dargelegten Bedenken Abstand zu nehmen und unter Berücksichtigung der nachfolgenden Gründe erneut über den Prozesskostenhilfeantrag der Antragstellerin zu entscheiden.“ Begründung des OLG: Der Abgasskandal, von dem unzählige Fahrzeuge betroffen sind, werfe diverse schwierige Tatsachen- und Rechtsfragen auf, die bislang in der Rechtsprechung nicht geklärt seien. Für einen derartigen Fall gelte, dass es verfassungsrechtlich unzulässig sei , schwierige und nicht geklärte Rechtsfragen im PKH-Verfahren durchzuentscheiden. Diese Fragen müssten vielmehr einer Klärung im Hauptsacheverfahren zugeführt werden (vgl. etwa Musielak, ZPO, 12. Auflage, § 114, Rdnr. 20). Hinreichende Erfolgsaussicht für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung sei deshalb bereits dann zu bejahen, wenn der Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung zumindest vertretbar erscheint. Und das hat das OLG hinsichtlich des Rücktritts- und Schadensersatzbegehrens der Antragstellerin anzunehmen. Und das begründet das OLG dann wie folgt:
„Die Antragstellerin kann die Antragsgegnerin zu 1 gemäß §§ 346, 323, i.V.m. §§ 433, 434, 437 BGB auf Rückabwicklung des in Rede stehenden Fahrzeugs in Anspruch nehmen, wenn die Kaufsache mit einem Sachmangel behaftet ist und die Nacherfüllungsphase erfolglos durchlaufen ist. Die Antragstellerin hat indes davon Abstand genommen, die Antragsgegnerin zu 1 nach § 439 BGB auf Nacherfüllung in Anspruch zu nehmen, sondern hat unmittelbar mit Anwaltsschreiben vom 4. Februar 2016 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, weil sie der Ansicht ist, dass eine Nachbesserung des Mangels unmöglich sei (s. Anlage K2)
Fahrzeuge mit einer manipulierten Abgassoftware sind im Sinn des § 434 Abs. 1 BGB mangelbehaftet (vgl. etwa LG Frankenthal, 8 O 208/15, Urteil vom 12.05.2016). Ungeklärt ist indes die Frage, ob dieser Mangel etwa mittels eines Software-Updates folgenlos für das Fahrzeug beseitigt werden kann.
Allgemein gilt, dass eine objektive Unmöglichkeit der Nachbesserung auch dann anzunehmen ist, wenn der Mangel als solcher einschließlich seiner Ursache zwar beseitigt werden kann, dies aber nur unter Zurückbleiben einer technischen und/oder merkantilen Wertminderung möglich ist (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Auflage, Rdnr. 938). Hierauf hat sich die Antragstellerin bereits in ihrem Klageentwurf berufen. Sie hat unter Darlegung im Einzelnen und unter Bezugnahme auf Unterlagen vorgebracht, dass eine Nachbesserung nachteilige Auswirkungen auf das Fahrzeug haben werde (Bl. 13ff. GA), was sie in der Beschwerdeinstanz insbesondere durch Vorlage eines Gutachtens (Anlage BF9) vertieft hat (Bl. 169ff., 230ff. GA). Ferner ist von ihr bereits in dem Klageentwurf im Einzelnen unter Verweis auf Anlagen ausgeführt worden, dass Fahrzeuge, die von dem Abgasskandal betroffen seien, dauerhaft mit einem Makel behaftet seien, was zu einem merkantilen Minderwert führe (Bl. 23ff. GA). Da die von der Antragstellerin als solche schlüssig vorgebrachten und unter Sachverständigenbeweis gestellten Behauptungen, wonach eine Behebung des Mangels ohne das Auftreten von Folgeproblemen nicht möglich sei und es trotz der von den Antragsgegnern angedachten Nachbesserungsmaßnahmen bei dem Fahrzeug zu einer dauerhaften Wertminderung kommen werde, grundsätzlich nur mittels eines Sachverständigengutachtens auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden können (vgl. hierzu den Beweisbeschluss des LG Traunstein vom 10.06.2016, 6 O 1267/18, Anlage BF13), kann vorliegend der beabsichtigen Klage eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO nicht abgesprochen werden. Denn sollte eine Nachbesserung wegen des Verbleibs nachteiliger Folgen für das Fahrzeug objektiv unmöglich sein, wäre grundsätzlich sowohl das Rücktrittsbegehren gegenüber der Antragsgegnerin zu 1 als auch das Schadensersatzbegehren gegenüber der Antragsgegnerin zu 2 begründet.
Anzumerken ist, dass für den Fall, dass der Mangel folgenlos behoben werden kann, sich das Rücktrittsbegehren der Antragstellerin mit dem Landgericht als derzeit unbegründet darstellt. Denn die Antragstellerin muss sich dann auf das Durchlaufen der Nacherfüllungsphase verweisen lassen. Entgegen ihrer Ansicht ist mit dem Landgericht eine Nachbesserung unbeschadet eines längeren Zuwartens weder unzumutbar noch wegen arglistiger Täuschung entbehrlich. Denn die Antragsgegnerin zu 1 muss sich eine etwaige arglistige Täuschung der Antragsgegnerin zu 2 nicht zurechnen lassen. Demzufolge kommt hier zugunsten der Antragstellerin eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB nicht in Betracht. Der Vertragshändler muss sich das Wissen des Herstellers nicht zurechnen lassen (vgl. Reinking/Eggert, aaO, Rdnr. 4339).“