VW-Abgasskandal – beim LG München I geht es „käuferpositiv“….

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Bisher hat es im VW-Abgasskandal nur Urteile zugunsten von VW gegeben (vgl. u.a. das LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 – I-2 O 425/15 und das LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 11 O 341/15 und dazu: VW-Abgasskandal: Hier dann LG Bochum/LG Münster zur „VW-Schummelsoftware“). Inzwischen gibt es dann aber auch eine „käuferpositive“ Entscheidung, nämlich das LG München I, Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15. Gestritten wurde um einen im Mai 2014 gekauften Seat gekauft, in dem ein VW-Dieselmotor (Typ EA 189) verbaut war, dessen Schadstoffausstoß deutlich über den Nennwerten lag. Der Käufer hatte Seat bzw. das Autohaus am 29. 10. 2015 zur Nachbesserung bis zum 13.11.2015 aufgefordert; andernfalls werde er vom Kaufvertrag zurücktreten. Am 02.11.2015 teilte Seat mit, dass an dem Problem gearbeitet werde. Der Käufer hat dann am 02.03.2016 die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt.

Das LG München I hat dem Käufer sowohl die Rückzahlung des Kaufpreises – natürlich abzüglich des Wertverlustes für die Zeit, in der er das Fahrzeug genutzt hatte – als auch den Ersatz seiner sonstigen Kosten – Zulassung, Garantieverlängerung, Zusatzausstattung – zugesprochen. Begründung: Der niedrige Schadstoffausstoß des Fahrzeugs sei Teil der Vereinbarung zwischen den Parteien und für den Kläger maßgebliches Verkaufsargument gewesen. Das Wissen über die manipulierten Abgaswerte seitens VW müsse das beklagte Autohaus sich aufgrund seiner Stellung als hundertprozentige VW-Konzerntochter auch zurechnen lassen. Es habe sich in der Außendarstellung ausdrücklich als Teil des VW-Konzerns präsentiert und dessen werbliche Aussagen, unter anderem zum Kraftstoffausstoß der Fahrzeuge, als eigene übernommen.Interessant die Ausführungen des LG zur „Nachbesserungsfrist“, die nach Auffassung des LG auf keinen Fall mehr angemessen sei:

3. Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil jedenfalls eine angemessene Frist zur Nachbesserung ungenutzt verstrichen ist, § 323 Abs. 1 BGB.

In Anbetracht der Umstände dürfte zwar die ursprünglich von dem Kläger mit Schreiben vom 29.10.2015 gesetzte Frist von rund zwei Wochen zu knapp bemessen gewesen sein. Dies führt aber nur zur Ingangsetzung einer angemessenen Frist.

Im Rahmen von § 308 BGB ist eine Nachbesserungsfrist von mehr als 6 Wochen oder mehr als 2 Monaten als Verstoß gegen die grundsätzliche gesetzgeberische Wertung unzulässig (vgl. Palandt/Grüneberg, 74. Auflage 2015, § 308 Rdnr. 13). Diese Frist hat die Beklagte ungenutzt verstreichen lassen.

Jedenfalls ist aber eine Frist von über einem halben Jahr nach der freien Überzeugung des Gerichts auf keinen Fall mehr angemessen. Selbst mit Schriftsatz vom 04.05.2016 (dort Bl. 75 d. A.) hat die Beklagte lediglich vorgetragen, dass der Beginn der technischen Maßnahmen an dem streitgegenständlichen Motortyp für die 39. Kalenderwoche vorgesehen sei. Mit einer Mangelbeseitigung wäre damit frühestens am 26.09.2016 zu rechnen, ohne dass die Beklagte – die gleichzeitig die hohe Anzahl der betroffenen Fahrzeuge betont – einen konkreten Termin für das streitgegenständliche Fahrzeug benennt.

Eine Nachbesserungsfrist von mehr als sechs Monaten oder hier fast einem Jahr (bei Durchführung gleich zu Beginn der Maßnahme in der 39. Kalenderwoche) ist aber mit der gesetzgeberischen Grundentscheidung zur Kaufgewährleistung im allgemeinen und dem Verbraucherkauf im besonderen auch unter Berücksichtigung der hier vorliegenden besonderen Umstände nicht mehr vereinbar. Das Kaufrecht ist – gerade für Verbraucher – auf eine zeitnahe Regulierung von Gewährleistungsrechten ausgerichtet. Dies gilt auch für das Nachbesserungsrecht des Verkäufers. Der Gesetzgeber verfolgt damit sowohl die Gewährung effektiver Gewährleistungsrechte als auch die zeitnahe Herbeiführung von Rechtsfrieden. Dies zeigt sich insbesondere an der verkürzten Verjährungsfrist von 2 Jahren ab Ablieferung der Sache. Ohne den Verjährungsverzicht der Beklagten wären daher vorliegend Gewährleistungsansprüche aus dem Kaufvertrag vom 28.05.2014 mit Auslieferung im August 2014 im Zeitpunkt des mitgeteilten frühest möglichen Nachbesserungstermins im September 2016 bereits verjährt.

4. Die Pflichtverletzung ist unter Würdigung aller Umstände auch nicht unerheblich im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB….“

Man wird sehen, wie es weitergeht. VW kommt ja nun wohl endlich mit den Nachbesserungen „in die Pötte“…..

2 Gedanken zu „VW-Abgasskandal – beim LG München I geht es „käuferpositiv“….

  1. VW-Fahrer

    Was Sie hier als Auszug aus der Entscheidung des LG München wiedergeben (Dauer der Nachbesserung von mehr als einem Jahr nicht mehr „angemessen“), ist der uninteressanteste (weil selbstverständliche) Aspekt der Entscheidung. Nachdem die Landgerichte Münster und Bochum gerade die Erheblichkeit i.S.v. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB verneint haben, ist doch vor allem von Interesse, mit welchen Überlegungen das LG München hier zu gegenteiligen Ergebnis kommt.

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