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Gibt es für eine Hauptverhandlungsdauer von 11 bzw. 8 Minuten die Mittelgebühr?

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Über Jurion bin ich auf den gebührenrechtlichen LG Potsdam, Beschl. v. 15.08.2013 – 24 Qs 77/13 gestoßen, der sich zur Bemessung der Terminsgebühr im Bußgeldverfahren verhält. Der Verteidiger hatte die Mittelgebühr der Nr. 5110 VV RVG – also 215,00 € – geltend gemacht, die Rechtspflegerin hatte nur 100 € festgesetzt. Das LG hat das „gehalten“ und stellt auf folgende Umstände ab:

Ausgangspunkt ist die grundsätzlich zu gewährende Mittelgebühr:

Ausgangspunkt für die Gebührenbemessung, die der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bei Rahmengebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen vorzunehmen hat, ist – auch in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeld verfahren – nach überwiegend vertretener Auffassung, die von der Kammer in ständiger Rechtsprechung geteilt wird, grundsätzlich die Mittelgebühr des jeweils in Betracht kommenden Gebührenrahmens (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 20. Auflage, § 14, Rdn. 10; Hartmann, Kostengesetze, 42. Auflage, W 5100, Vorbem. Rdn. 5; Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 16. Auflage, vor § 105, Rdn. 42b; LG Düsseldorf JurBüro 2007, 84; LG Saarbrücken, Beschluss vom 7. November 2012, 2 Qs 40/12 [bei […]]; LG Potsdam JurBüro 2013, 189; aA LG Osnabrück, Beschluss vom 21. März 2012, 15 Qs 12/12 [bei […]], das dem Verteidiger bei Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich nur Gebühren unterhalb der Mittelgebühr zugesteht).“

(Mindernd) zu berücksichtigen sind dann aber folgende Umstände:

  • einfache Sach- und Rechtslage, die sich in beiden HV-Terminen jeweils auf die Frage beschränkte, ob der Betroffene der Fahrer des gemessenen Fahrzeugs war oder nicht.
  • kurze Dauer der Verhandlungen von elf bzw. acht Minuten.
  • Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen ebenfalls unterdurchschnittlich. In der Sache ging es lediglich um eine Geldbuße von 120,00 €und einen Punkt im Verkehrszentralregister; die Verhängung eines Fahrverbotes stand nicht im Raum.
  • Das in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG genannten Kriterium der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers bliebt außer Betracht,  da zu den wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen nach Aktenlage keine Feststellungen getroffenen wurden.

Nun, angesichts der weitgehend gebührenmindernden Umstände wird man den Ansatz der Mittelgebühr schon bezweifeln können, ob allerdings die dargelegten Umstände so stark mindernd sind, dass nur 100 € als angemessen anzusehen sind, ist m.E. fraglich. Zudem halte ich es für nicht zutreffend, wenn die Sach- und Rechtslage als einfach angesehen wird. M.E. spricht das eingeholte Gutachten eher dagegen.

„Burhoff (in: RVG, 3. Aufl., Nr. 5115 VV Rn. 10) empfiehlt zu Recht….“, das liest man als Autor gerne

Im JurBüro 2013, 189 bin ich auf den LG Potsdam., Beschl. v. 26.11.2012 – 24 Qs 118/11 gestoßen. Und beim Lesen kommt dann große Freude auf. In dem „gebührenrechtlichen Beschluss“ heißt es im Zusammenhang mit der Frage nach der anwaltlichen Mitwirkung i.S. der Nr. 5115 VV RVG:

Burhoff (in: RVG, 3. Aufl., Nr. 5115 VV Rn. 10) empfiehlt zu Recht, dass der Verteidiger seine erste Eingabe im Bußgeldverfahren mit einen Einstellungsantrag verbinden solle, weil dann seine Mitwirkung an einer späteren Einstellung kaum zu widerlegen sein dürfte.“

So etwas liest man als Herausgeber/Autor/Kommentator natürlich gerne. Es beweist das, was ich schon immer gesagt habe: An Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2012, kommt man bei der Abrechnung im Straf- oder Bußgeldverfahren, aber auch bei Teil 6 VV RVG, nicht vorbei. So, das war jetzt Werbung :-).

Dabei war diese Passage in dem LG-Beschluss gar nicht notwendig, da m.E. so oder „Mitwirkung“ vorgelegen hat, denn:

Im vorliegenden Fall ergibt sich eine Mitwirkung des Verteidigers aus den Akten. Der ist danach schon im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde umfassend für den Betroffenen tätig geworden. Er hat für diesen nicht nur Einspruch eingelegt und erfolgreich eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist erreicht, sondern mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2010 an die Verwaltungsbehörde auch vorgetragen, dass ein anderer als sein Mandant der Fahrzeugführer gewesen sein könnte, weil der betreffende Pkw üblicherweise von mehreren Mitarbeitern genutzt werde. Das vorhandene Lichtbild lasse weder seinen Mandanten noch einen seiner Mitarbeiter zweifelsfrei erkennen. Diese Argumentation hat die zuständige Amtsrichterin zumindest auch veranlasst, der Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 6. Mai 2011 mitzuteilen, dass die Fahrereigenschaft des Betroffenen „sehr zweifelhaft“ sei. Gleichzeitig regte sie an, einer Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG zuzustimmen. Nach Zustimmung der Staatsanwaltschaft wurde dann das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt.

Im Übrigen hat sich das LG der h.M. in Rechtsprechung und Literatur (auch von Burhoff/Burhoff, RVG ;-)) angeschlossen, wonach dem Rechtsanwalt bei der Bestimmung der angemessenen Gebühr ein Ermessensspielraum von 20 % zugebilligt wird.