Schlagwort-Archive: LG Limburg

Im Moment ein wenig aus dem Focus: Die Durchsuchung

Manche Fragen beschäftigen die Rechtsprechung „wellenweise“. Dazu gehören auch Durchsuchung und Beschlagnahme. Die damit zusammenhängenden Porbleme haben vor einigen Jahren ja die obergerichtliche Rechtsprechung „beherrscht“, in der letzten Zeit ist ein wenig Ruhe eingekehrt. Aber die ein oder andere Entscheidung gibt es zu der Problematik schon noch.

Bei meiner Suche nach für den Blog interessanten Entscheidungen bin ich dann auf  LG Limburg, Beschl. v. 15.02.2011 – 1 Qs 6/11 gestoßen, der die Durchsuchung bei einem Dritten betrifft. Dort sind zwei interessante Fragen behandelt:

  1. Bei einem unverdächtigen Dritten darf eine Durchsuchung grundsätzlich nur angeordnet werden, wenn bestimmte Tatsachen vermuten lassen, dass sich bestimmte als Beweismittel dienende Gegenstände in dessen Räumen befinden; allein die pauschale, allgemeine Erwartung , irgendein relevantes Beweismittel zu finden, rechtfertigt einen solchen Eingriff in die Rechte eines Dritten hingegen nicht.
  2. Um der Funktion einer vorbeugenden Kontrolle einer Durchsuchung und ihrer Umgrenzung gerecht zu werden, darf sich die Entscheidung im Abhilfeverfahren auch nicht auf Gründe stützen, die dem Ermittlungsrichter im Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses nicht bekannt waren.

Ohne Akte tue ich nichts – Richter arbeitet nicht ohne Akte

Da gibt es mal wieder eine Entscheidung, die sich mit der Frage des Richtervorbehalts bei § 81a StPO auseinandersetzt: LG Limburg, Beschl. v. 04.08.2009, 2 Qs 30/09. An sich nichts Besonderes. Denn man wird in der Tat trefflich darum streiten können, ob in Limburg ein nächtlicher richterlicher Eildienst erforderlich ist (vgl. dazu OLG Hamm, Urt. v. 18. 8. 2009, 3 Ss 293/08 für Bielefeld). „Interessanter“ finde ich dann schon die Ausführungen des LG zur Frage: Brauche ich eine Akte?. Dazu heißt es:

„Hinzu kommt, dass die Richterinnen und Richter des Amtsgerichts L. – jeder in einer eigenen richterlichen Entscheidung zur Verfahrensgestaltung – übereinstimmend mündliche Entscheidungen aufgrund mündlichen Sachvortrages ablehnen. Entgegen der Verteidigung liegt hierin keine Weigerung der Richter, eine Rechtsnorm anzuwenden. Eine mündliche Entscheidung ohne Akte wäre zwar auch prozessordnungsgemäß (vgl. BGHSt 51, 285 ) und begründet bei entsprechender amtsgerichtlicher Praxis (etwa AG Essen – Beschl.v. 11.10.2007 – 44 Gs 4577/07 – iuris) auch die Verpflichtung der Polizeibeamten zu versuchen, eine mündliche Anordnung einzuholen (vgl. OLG Hamm, Beschl.v. 25.8.2008 – 3 Ss 318/08 – iuris). Im Amtsgerichtsbezirk L. liegt der Fall aber anders. Die hier in richterlicher Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) getroffene Entscheidung zur Verfahrensgestaltung ist, weil mit der Prozessordnung im Einklang stehend, zu respektieren. Eine Verpflichtung zur mündlichen Entscheidung besteht nicht. Im Übrigen ist eine Entscheidung auf der Grundlage eines schriftlich unterbreiteten Sachverhalts, einer Akte, auch sachgerecht. Die Durchsetzung der vorbeugenden Kontrolle und die Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebieten eine solche Verfahrensweise, soll der Richtervorbehalt seine Funktion einer verstärkten Sicherung der Grundrechte genügen. Anzunehmen, es könne „im Idealfall binnen einer Viertelstunde“ (so etwa OLG Stuttgart NStZ 2008, 238, Zopfs NJW 2009, 244) eine mündliche richterliche Anordnung eingeholt werden, wahrt den Richtervorbehalt nur formal.

Einer solchen Entwertung richterlicher Tätigkeit verbunden mit einem Vertrauensverlust die Seriosität richterlicher Arbeit betreffend ist entgegen zu treten. So hat auch das LG Hamburg (aaO) eine Anordnung ohne schriftliche Entscheidungsgrundlage schlicht als „unzumutbar“ angesehen. Zu Recht verweisen die Richter des Amtsgerichts L. darauf, dass bei einem mündlichen Sachvortrag die tatsächliche Entscheidungsgrundlage nicht nachvollzogen werden kann. Das gesprochene Wort ist flüchtig und birgt zudem die Gefahr, dass gerade in Grenzfällen, in denen sich die richterliche Kontrolle zu bewähren hat, entscheidungserhebliche Details nicht in gebotener Sorgfalt dargestellt und abgewogen werden können. Zudem verschieben sich Verantwortlichkeiten. Mit der von den Ermittlungsbehörden zu fordernden schriftlichen Dokumentation eines vorläufigen Ermittlungsergebnisses geht ein höheres Maß an Verantwortung einher als dies in einem mündlichen Vortrag der Fall ist. Dies gilt insbesondere, wenn im Anfangsstadium von Ermittlungen richterliche Entscheidungen beantragt werden. Bei schriftlicher Unterbreitung der Ermittlungsergebnisse ist auch ausgeschlossen, dass Ermittlungsrichter und Polizeibeamter sich unterschiedlich an Details der Entscheidungsgrundlage erinnern. Schon die Gefahr derartiger Missverständnisse ist angesichts des Gewichts der Entscheidung zu vermeiden, schwächen solche Missverständnisse auch das Vertrauen in die Zuverlässigkeit richterlicher Entscheidungen. Mit guten Gründen fordern daher die Amtsrichter in L., dass die richterliche Entscheidungsgrundlage – auch für den Beschuldigten – nachvollziehbar ist.“

Na ja, das kann man auch anders sehen. Und: Wird mit einer vorab abgegebenen Erklärung, nicht auf „mündlichen Zurif“ tätig werden zu wollen, nicht vorab für jeden Fall nächtlichen Tätigwerdens „Gefahr im Verzug“ en bloc bejaht. Das BVerfG verlangt aber eine Einzelentscheidung und eine eigenverantwortliche Prüfung des Einzelfalls. So brauchen die Polizeibeamten doch gar nicht erst zu versuchen, einen Richter zu erreichen. Oder?