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StGB III: Geldwäsche: Nicht nur Vorbereitung?, oder: Die sichere Kenntnis des Zivilanwalts und mehr

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Und zum Schluss des Tages dann noch zwei Entscheidungen zur Geldwäsche, und zwar:

Die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für eine  Strafbarkeit des Strafverteidigers nach § 261 Abs. 2 StGB erforderliche sichere Kenntnis von der bemakelten Herkunft des von ihm angenommenen Geldes ist auch für eine Strafbarkeit eines Rechtsanwalts in Zivilsachen erforderlich.

Voraussetzung für die Annahme einer Geldwäsche ist, dass die Tathandlung nicht lediglich die Vorbereitung einer späteren, noch gesondert herbeizuführenden Gefährdung darstellt. Allen Geldwäschehandlungen des § 261 Abs. 1 u. 2 StGB ist nämlich nach dem Wortlaut der Vorschrift gemein, dass ein aus einer qualifiziert rechtswidrigen Tat nach § 261 Abs. 1 S. 2 StGB stammender Gegenstand bei der Tathandlung schon vorhanden gewesen sein muss.

Corona II: „Corona-Masken-Attest“ aus dem Internet, oder: „Falsches“ = strafbares Gesundheitszeugnis?

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Und als zweite Entscheidung zum Komplex „Corona“ dann – jetzt richtig, war gestern etwas verfrüht online gegangen – mal etwas Materielles, nämlich die Frage: Ist ein sog. Masken-Attest ein Gesundheitszeugnis im Sinn der §§ 277 ff. StGB. Das LG Frankfurt am Main hat die Frage im LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 06.04.2021 – 5/26 Qs 2/21 (8920 Js 200274/21) – bejaht:

„Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main wirft dem oben genannten Angeschuldigten vor, am 16.09.2020 ein unrichtiges Gesundheitszeugnis gem. § 279 StGB gebraucht sowie eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 1a Abs. 1 S. 1, S. 2, 8 Nr. 5 der Verordnung zur Beschränkung von sozialen Kontakten und des Betriebes von Einrichtungen und von Angeboten aufgrund der Corona-Pandemie begangen zu haben.

Nach den Ermittlungen bot der Arzt Dr. med. pp. auf einer Internetseite ein von ihm vorunterzeichnetes ärztliches Attest zum Download an. Das Attest bestätigt, dass das Tragen eines Mundschutzes für o.g. Person aus medizinischen Gründen nicht ratsam sei. Links oben auf dem Attest heißt es: „To whom it may concern – An den, der ein berechtigtes Interesse daran hat“. Der Name des vorgeblichen Patienten wird durch diesen selbst eingetragen. Neben dem Namen und der Adresse des vermeintlichen Patienten findet sich ein Sternchen. Im unteren Drittel des Attests wiederholt sich das Sternchen mit folgender Ausführung: „Mit der Eintragung meines Namens und meiner Adresse bestätige ich, dass ich nicht an einer Krankheit leide, die das Tragen eines Mundschutzes gebietet, des weiteren, dass ich dieses Attest nicht an Orten verwenden werde, an denen ein Mundschutz allgemein vorgeschrieben ist (z.B. Labors, Isolationszimmer, OP-Saal). In das Attest ist die Kopie einer Approbationsurkunde eingefügt. Eine Anamnese oder Behandlung durch Dr. med. pp. findet nicht statt.

Der oben genannte Angeschuldigte soll am Tattag, dem 16.09.2020, ein solches heruntergeladenes und mit seinem Namen versehenes Attest im Rahmen einer Polizeikontrolle am Flughafen Frankfurt am Main genutzt haben, um den Kontrolleinheiten eine Befreiung von der Maskenpflicht aus medizinischen Gründen vorzutäuschen.

Die Staatsanwaltschaft leitete gegen den oben genannten Angeschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse gemäß § 279 StGB u.a. ein. In der Folge beantragte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Frankfurt am Main den Erlass eines Strafbefehls. Das Amtsgericht Frankfurt am Main lehnte den Erlass des beantragten Strafbefehls mit Beschluss vom 16.03.2021 ab. Zur Begründung führte es aus, es handele sich bei dem verfahrensgegenständlichen Schriftstück nicht um ein Gesundheitszeugnis im Sinne des § 279 StGB.

Die Staatsanwaltschaft hat gegen diesen Beschluss am 18.03.2021 sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig und begründet.

1. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist der für den Erlass eines Strafbefehls erforderliche hinreichende Tatverdacht im Sinne des § 408 Abs. 2, Abs. 3 StPO hinsichtlich § 279 StGB sowie §§ 1a Abs. 1 S. 1, S. 2, 8 Nr. 5 der Verordnung zur Beschränkung von sozialen Kontakten und des Betriebes von Einrichtungen und von Angeboten aufgrund der Corona-Pandemie gegeben.

Es handelt sich bei dem verfahrensgegenständlichen „Attest“ um ein Gesundheitszeugnis i.S.d. § 279 StGB.

a) Gesundheitszeugnisse im Sinne des § 279 StGB sind Bescheinigungen über den gegenwärtigen Gesundheitszustand eines Menschen, über frühere Krankheiten sowie ihre Spuren und Folgen oder über Gesundheitsaussichten, wobei auch Angaben tatsächlicher Natur, so etwa über erfolgte Behandlungen bzw. deren Ergebnis, erfasst sind (Zieschang in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage, § 277 Rn. 2; Cramer/Heine in Schönke/Schröder, 28. Auflage, § 277 Rn. 2 jeweils m.w.N.). Nicht erforderlich ist, dass die Bescheinigung eine Diagnose enthält (so schon BGH, Urteil vom 29. Januar 1957 – 1 StR 333/56, BGHSt 10, 157, 158; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11. Januar 2006 – 1 Ss 24/05 –, Rn. 22 ff., juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 25. September 2013 – 2 Ss 519/13 –, Rn. 15, juris). Für die Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung durch ein ärztliches Attest ist nicht notwendig, dass in dem Attest die Befundtatsachen benannt werden (so auch: VG Kassel, Beschluss vom 13. November 2020 – 6 L 2098/20.KS –, juris).

b) Das Argument, dass „medizinische Gründe“ ohne jeden Bezug zu einer Person und zu einem Gesundheitszustand einer Person gegen das Tragen von Masken sprechen könnten und diese sich daher von „gesundheitlichen Gründen“ unterscheiden würden, verfängt nicht (so aber AG Kempten, Beschluss vom 07. Oktober 2020 – 13 Cs 210 Js 12406/20 –, Rn. 6, juris). So finden sich auf der Internetseite der Ärztekammer Berlin Hinweise für Ärztinnen und Ärzte zur Bescheinigung eines medizinischen Grundes hinsichtlich der Ausnahme von der Pflicht zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske/einer Mund-Nasen-Bedeckung. Dabei führt die Ärztekammer Berlin aus, dass, um aus medizinischen Gründen von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung oder einer medizinischen Gesichtsmaske ausgenommen zu sein, nach der Ausnahmevorschrift in der Berliner Infektionsschutzmaßnahmenverordnung gesundheitliche Beeinträchtigungen vorliegen müssen, aufgrund derer keine medizinische Gesichtsmaske oder Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden kann.

c) Insbesondere genügt es, dass das Attest bei oberflächlicher Betrachtung oder bei Betrachtung ohne ausreichenden Bildungs- oder Informationshintergrund für ein gültiges Dokument gehalten werden kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 19. Oktober 2007 – 32 Ss 90/07 –, Rn. 38, juris). Dies ist vorliegend der Fall. Das vermeintliche Attest lässt sich nicht auf den ersten Blick als „offensichtliches Fantasieschriftstück“ erkennen. Das verfahrensgegenständliche Dokument wurde durch die kontrollierenden Polizeibeamten lediglich aufgrund einer zuvor erfolgten Sensibilisierung, also auf Grundlage eines speziellen Informationshintergrundes, als ungültiges Dokument erkannt. Den Beamten war zum Zeitpunkt der Kontrolle bereits bekannt, dass diese Atteste des Dr. med. pp. frei im Internet heruntergeladen werden konnten. Auch die – völlig unüblich – in das Attest eingebettete Kopie einer Approbationsurkunde spricht nicht gegen die Qualifikation des verfahrensgegenständlichen Attests als Gesundheitszeugnis im Sinne des § 279 StGB. Diese soll gerade die (vermeintliche) Echtheit des Attestes bestätigen und Zweifel daran, ob es sich bei dem Aussteller tatsächlich um einen Arzt handelt, ausräumen. Die Passage „To whom it may concern“ links oben auf dem Schriftstück spricht auch nicht dafür, dass das verfahrensgegenständliche Dokument auf den ersten Blick als „Fantasieurkunde“ erkennbar wäre. Diese Formulierung ist im internationalen Sprachgebrauch bei Bescheinigungen üblich und wird auch von Behörden verwendet. Dass der Erklärende selbst seinen Namen einträgt und erklärt, er leide nicht an einer Krankheit, die das Tragen eines Mundschutzes gebiete, bedeutet nicht, dass es sich lediglich um eine Erklärung des vermeintlichen Patienten, nicht aber des Arztes handele. Von außen wird nicht erkennbar, ob der Patient dies beispielsweise vor Ausstellung des Attests dem Arzt gegenüber versichert hat. Jedenfalls gibt der Arzt pp. für den sich selbst eintragen Patienten eine entsprechende Erklärung ab….“

Auswertung von Daten(Trägern), oder: Wann können „SV-Kosten“ gegen den Verurteilten festgesetzt werden?

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Heute am „RVG-Tag“ dann zunächst mal wieder eine Entscheidung zur Kostentragungspflicht des Verurteilten, und zwar betreffend Sachverständigenkosten. Die waren nach der Verurteilung des Angeklagten gegenüber dem geltend gemacht worden. Es ging in einem Verfahren mit dem Vorwurf des Betruges um Kosten eines externen Dienstleisters, der in dem Verfahren Daten(träger) ausgewertet hatte. Das LG Frankfurt am Main hat die im LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 10.07.2029 – 5129 KLs – 7580 Js 245179/06 (16/14) hat die (auch) nicht angesetzt:

„Die unter dem 15. März 2019 neu erstellte Kostenrechnung ist nicht rechtmäßig. Anzusetzen sind nicht die Kosten des EDV-Sachverständigenbüros „pp.1″, später unter „pp.2″ firmierend, sprich die Tätigkeit des Sachverständigen T in dessen schriftlichen Stellungnahmen.

Wie auch schon der Erinnerungsführer ausführt, war die Tätigkeit des genannten (später umfirmierten) Sachverständigenbüros allein wegen des Umfangs nicht von den Ermittlungsbehörden selbst zu leisten gewesen. Insoweit war die Heranziehung von externen Dienstleistern möglich und zulässig. Die Sachverständigenbürotätigkeit wurde zudem im Urteil verwertet. Für die Anwendung von § 21 GKG ist kein Raum.

Nach § 464a Abs. 1 S. 2 StPO gehören zu den vom Verurteilten K mitunter zu tragenden Kosten des Verfahrens die Auslagen für eine — auch vorgerichtliche — Sachverständigentätigkeit nach § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 9005, 9015 KV GKG. Gleichwohl ist eine Sachverständigenvergütung für die genannten Büros nicht in Ansatz zu bringen, da es sich bei den Leistungen der Büros nicht um eine Sachverständigenleistung im Sinne des JVEG handelt. Sachverständiger kann nur sein, wer auf Grund einer besonderen Sachkunde tätig wird, vgl. schon BGH NJW 1951, 771. Vorliegend wurden die Sachverständigenbüros nicht mit der Bewertung von Tatsachen beauftragt, sondern allein mit deren Sichtbarmachung und Strukturierung. Kann eine derartige Tätigkeit ohne besondere, vertiefte EDV-Fachkenntnisse vorgenommen werden, wobei der Einsatz nicht frei zugänglicher Software ein Indiz hierfür sein mag, handelt es sich folgerichtig nicht um eine Sachverständigentätigkeit, vgl. OLG Saarbrücken, BeckRS 2018, 23869; OLG Schleswig BeckRS 2017, 101351. Erstattet wurden auftragsgemäß drei Gutachten. Im ersten Gutachten vom 22. August 2008 wurde — schon ausweislich S. 2 — lediglich eine Internetrecherche durchgeführt und weder kam eine besondere Software zum Einsatz, noch waren vertiefte EDV-Kenntnisse für die Gutachtenerstattung erforderlich gewesen. Das Gutachten enthält lediglich eine Beschreibung und Einordnung der kurzerhand auffindbaren Daten.

Weiter wurden zwei — zutreffend — mit „Bericht“ betitelte Dokumente unter 2. Juli 2013 versandt, die insgesamt mehr als hundert Seiten ausnehmen, jedoch in Vorgehensweise und Aufbau identisch sind. Es werden je einzelne Internetseiten beschrieben und bloß mit vorherigen Versionen verglichen, wobei hierfür übliche wie freizugängliche Software wie „archive.org“ oder „google“ eingesetzt wurde. Die Erstattung jener Berichte mag zeitaufwendig gewesen sein — für sie war aber kein vertieftes EDV-Fachwissen erforderlich.“

Die Entscheidung liegt auf der Linie der h.M. Die Frage ist für dne Verurteilten ggf. wirtschaflich von erheblicher Bedeutung, da die SV-Kosten in diesen Fällen i.d.R. sehr hoch sind.

Nutzungsausfall für ein Wohnmobil, oder: Nutzung im Alltagsgebrauch

entnommen wikimedia.org
Author Björn Seifert

Die heute im „Kessel Buntes“ als erste vorgestellte Entscheidung passt noch ganz gut in die Jahreszeit.

Es geht im LG Frankfurt am Main, Urt. v. 25.04.2019 – 2-01 S 283/18 – nämlich um die Höhe des Nutzungsausfalls bei einem Wohnmobil. Allerdings wird nicht Nutzungsausfall für das Vorenthalten des Wohnmobils als Urlaubswagen, sondern für den alltäglichen Gebrauch verlangt. Das LG meint dazu: Dann muss die Tauglichkeit des Wohnmobils auch an der Geeignetheit für die tägliche Nutzung gemessen werden. Das LG sagt: Zwar unhandlich, aber neuwertig. Also Bemessungsgrundlage wie bei einem großen SUV oder Van:

„Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen die Höhe des durch das Erstgericht angesetzten Tagessatzes von 23 €. Seine Einwendung ist begründet. Zur Überzeugung der Kammer ist ein Nutzungsausfall von 79 € pro Tag zu gewähren.

Nachvollziehbar hat das Amtsgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Celle vom 8.1.2004, 14 U 100/03 (zitiert nach Juris) berücksichtigt, dass das Wohnmobil für den täglichen Gebrauch eher unkomfortabel, unhandlich und unpraktisch ist. Es kann daher nicht ohne Weiteres mit einem normalen PKW verglichen werden. Das Wohnmobil hat nach der Recherche der Kammer eine Länge von fast 7 Metern, eine Breite von rund 2,20 Metern, eine Höhe von 2,75 Metern und einen Wendekreis von 13,5 Metern. Da der Kläger Nutzungsausfall nicht für das Vorenthalten des Wohnmobils als Urlaubswagen, sondern für den alltäglichen Gebrauch verlangt, muss seine Tauglichkeit auch an der Geeignetheit für die tägliche Nutzung gemessen werden.

Indes bedeutete das zur Überzeugung der Kammer nicht, dass Wohnmobile, sofern sie für den alltäglichen Gebrauch genutzt werden und Nutzungsausfallentschädigung für diesen Bereich gefordert wird, stets gemäß dem OLG Celle in der niedrigsten Klasse nach der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch eingeordnet werden müssen. Vielmehr ist stets der Einzelfall zu betrachten und die Eigenschaften und Besonderheiten des jeweiligen Wohnmobils zu berücksichtigen.

Vorliegend ist zu beachten, dass das klägerische Wohnmobil zum Zeitpunkt des Unfalls erst gut anderthalb Jahre alt war und einen erheblichen Wiederbeschaffungswert von 50.000 € hatte. Als neuwertiges Fahrzeug hatte es daher Komfortmerkmale, die ein altes Wohnmobil nicht aufweisen kann, sei es in Bezug auf die Funktionsfähigkeit von Heizung, Lüftung, Musikanlage, Türen und Fenstern, Motorisierung, Neuwertigkeit der Innenausstattung etc. Unabhängig von den für den Gebrauch im städtischen Straßenverkehr wenig komfortablen Abmessungen hatte das im Jahr 2015 erstmals zugelassene Fahrzeug des Klägers zum Unfallzeitpunkt daher Komfortmerkmale, die mit der niedrigsten Eingruppierung nach Sanden/Danner/Küppersbusch nicht angemessen abgebildet werden können.

Der Kammer erscheint es daher angemessen, den Nutzungsausfall mit dem eines großen SUV oder Vans gleichzusetzen. Der Vergleich mit einem VW Multivan, der mit über 5 Metern Länge, knapp 2 Metern Höhe und Breite im innerörtlichen Straßenverkehr für alltägliche Verrichtung ebenfalls eingeschränkt handlich ist, ist berechtigt. Die Einordnung in die Gruppe J erscheint daher im vorliegenden Fall angemessen.“