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Nutzungsausfall für ein Wohnmobil, oder: Nutzung im Alltagsgebrauch

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Author Björn Seifert

Die heute im „Kessel Buntes“ als erste vorgestellte Entscheidung passt noch ganz gut in die Jahreszeit.

Es geht im LG Frankfurt am Main, Urt. v. 25.04.2019 – 2-01 S 283/18 – nämlich um die Höhe des Nutzungsausfalls bei einem Wohnmobil. Allerdings wird nicht Nutzungsausfall für das Vorenthalten des Wohnmobils als Urlaubswagen, sondern für den alltäglichen Gebrauch verlangt. Das LG meint dazu: Dann muss die Tauglichkeit des Wohnmobils auch an der Geeignetheit für die tägliche Nutzung gemessen werden. Das LG sagt: Zwar unhandlich, aber neuwertig. Also Bemessungsgrundlage wie bei einem großen SUV oder Van:

„Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen die Höhe des durch das Erstgericht angesetzten Tagessatzes von 23 €. Seine Einwendung ist begründet. Zur Überzeugung der Kammer ist ein Nutzungsausfall von 79 € pro Tag zu gewähren.

Nachvollziehbar hat das Amtsgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Celle vom 8.1.2004, 14 U 100/03 (zitiert nach Juris) berücksichtigt, dass das Wohnmobil für den täglichen Gebrauch eher unkomfortabel, unhandlich und unpraktisch ist. Es kann daher nicht ohne Weiteres mit einem normalen PKW verglichen werden. Das Wohnmobil hat nach der Recherche der Kammer eine Länge von fast 7 Metern, eine Breite von rund 2,20 Metern, eine Höhe von 2,75 Metern und einen Wendekreis von 13,5 Metern. Da der Kläger Nutzungsausfall nicht für das Vorenthalten des Wohnmobils als Urlaubswagen, sondern für den alltäglichen Gebrauch verlangt, muss seine Tauglichkeit auch an der Geeignetheit für die tägliche Nutzung gemessen werden.

Indes bedeutete das zur Überzeugung der Kammer nicht, dass Wohnmobile, sofern sie für den alltäglichen Gebrauch genutzt werden und Nutzungsausfallentschädigung für diesen Bereich gefordert wird, stets gemäß dem OLG Celle in der niedrigsten Klasse nach der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch eingeordnet werden müssen. Vielmehr ist stets der Einzelfall zu betrachten und die Eigenschaften und Besonderheiten des jeweiligen Wohnmobils zu berücksichtigen.

Vorliegend ist zu beachten, dass das klägerische Wohnmobil zum Zeitpunkt des Unfalls erst gut anderthalb Jahre alt war und einen erheblichen Wiederbeschaffungswert von 50.000 € hatte. Als neuwertiges Fahrzeug hatte es daher Komfortmerkmale, die ein altes Wohnmobil nicht aufweisen kann, sei es in Bezug auf die Funktionsfähigkeit von Heizung, Lüftung, Musikanlage, Türen und Fenstern, Motorisierung, Neuwertigkeit der Innenausstattung etc. Unabhängig von den für den Gebrauch im städtischen Straßenverkehr wenig komfortablen Abmessungen hatte das im Jahr 2015 erstmals zugelassene Fahrzeug des Klägers zum Unfallzeitpunkt daher Komfortmerkmale, die mit der niedrigsten Eingruppierung nach Sanden/Danner/Küppersbusch nicht angemessen abgebildet werden können.

Der Kammer erscheint es daher angemessen, den Nutzungsausfall mit dem eines großen SUV oder Vans gleichzusetzen. Der Vergleich mit einem VW Multivan, der mit über 5 Metern Länge, knapp 2 Metern Höhe und Breite im innerörtlichen Straßenverkehr für alltägliche Verrichtung ebenfalls eingeschränkt handlich ist, ist berechtigt. Die Einordnung in die Gruppe J erscheint daher im vorliegenden Fall angemessen.“

Fünf kluge Köpfe haben es überlesen, oder: Auch beim BGH kocht man nur mit Wasser

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Und wenn wir schon einen „Fehlertag“ (vgl. Klassischer Fehler XXXV: „Du bist trotzig und unbelehrbar“, also höhere Strafe.. und Unverständlicher Verteidigerfehler, oder: Wer das nicht kann, sollte keine Revisionen machen) machen, dann aber auch richtig. Und dann auch der Hinweis auf einen Fehler von „ganz oben, der also dem BGH unterlaufen ist. Und zwar in seiner Wohnmobilentscheidung, dem BGH, Beschl. v.  11.10.2016 –  1 StR 462/16. Es ging/geht um die Frage, ob Wohnmobile und Wohnwagen Wohnungen i.S. des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB sind, es sich also bei einem Einbruch um einen Wohnungseinbruchsdiebstahl mit der höheren Strafdrohung des § 244 StGB handelt. Der BGH hat das in der zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmten Entscheidung bejaht, „jedenfalls dann, wenn sie Menschen zumindest vorübergehend zur Unterkunft dienen“. Soweit so gut und auch an sich sehr schön begründet diese Rechtsauffassung.

Allerdings ist dem BGH in der Begründung dann ein Fehler unterlaufen, wenn er ausführt:

„(aa) Der Wohnungseinbruchdiebstahl wurde mit dem 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164, 178) aus dem Katalog der Regelbeispiele des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB aF herausgenommen und zum Qualifikationstatbestand aufgewertet. Der Einbruchdiebstahl aus Wohnungen ist seither gegenüber den übrigen Einbruchdiebstählen mit einer im Mindestmaß doppelt so hohen Strafe bedroht und kann nicht mehr mit Geldstrafe geahndet werden. Das Geringfügigkeitsprivileg des § 243 Abs. 2 StGB findet auf Wohnungseinbruchdiebstähle keine Anwendung mehr. Eine Regelung für minder schwere Fälle sieht § 244 StGB nicht vor. Diese mit einer deutlichen Strafschärfung einhergehende Gesetzesänderung erfordert deshalb eine sorgfältige Abgrenzung des Begriffs der Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB von den übrigen Räumlichkeiten, die weiterhin dem Schutzbereich des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB unterfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2008 – 4 StR 126/08, NStZ 2008, 514). Der Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist dabei eigenständig und anhand des besonderen Schutzzwecks der Vorschrift zu bestimmen (vgl. Vogel in LK-StGB, 12. Aufl., § 244 Rn. 75).“

Der Satz: „Eine Regelung für minder schwere Fälle sieht § 244 StGB nicht vor.“ ist m.E. falsch (vgl. dazu auch schon der Kollege Vetter in: Fünf Richter, keiner hat was gemerkt). Denn in § 244 Abs. 3 StGB heißt es: „(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.“, jedenfalls in meinem Gesetzestext. Und ich habe auch sonst keine Änderungen gefunden und mir sind auch keine Änderungen des § 244 StGB aus der letzten Zeit bekannt.

Tja, da kann man nun wirklich sagen: Fünf ganz kluge Köpfe und keiner hat es bemerkt bzw. jeder hat es beim Unterschreiben des Urteils überlesen. Also hat an der Stelle ein „10-Augen-Prinzip“ nichts gebracht. Man fragt sich natürlich: Wie kann das passieren? Ja, es kann passieren, darf natürlich nicht. Vielleicht hat man sich auf den Vorsitzenden und den Berichterstatter verlassen. Und dann rutscht es durch 🙂 .

Was nun? Ich bin – ebenso wie der Kollege Vetter – gespannt, was der BGH macht. M.E. wird er den Beschluss berichtigen müssen. Man wird den Satz getrost streichen können, ohne dass das Auswirkungen auf die getroffene Entscheidung hat. Denn die Argumentation zum „Wohnmobil/wagen als Wohnung „bricht damit nicht zusammen. Ich denke, man wird es auch berichtigen, denn die Entscheidung soll in BGHSt, also in die „Hauspostille“ aufgenommen werden. Das sind solche Fehler „unschön“.

Man sehen, wann der Berichtigungsbeschluss erscheint – es sei denn, es handelt sich nicht um einen Fehler. Aber ich wüsste nicht, warum. Ich habe übrigens oben nicht auf die Homepage des BGH verlinkt, sondern ausnahmsweise auf meine Seite, obwohl es sich um einen BGH-Beschluss handelt. Man weiß ja nie, ob man die Ursprungsentscheidung da stehen lässt 🙂 .

Und jetzt hoffe ich nur, dass mir hier nicht irgendwo ein Fehler unterlaufen ist 🙂