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Wenn der Steuerberater Unterlagen nicht herausgibt, oder: Geldbuße und Verweis

Und auch die zweite Entscheidung im Kessel Buntes ist nicht „Alltags-Geschäft, sondern „mal was anderes“. Es handelt sich um das LG Frankfurt a. M., Urt. v. 24.06.2018 – 5-35 StL 4/16, in dem gegen einen Steuerberater eine Geldbuße festgesetzt worden und ihm ein Verweis erteilt worden ist, weil dieser Unterlagen nicht herausgegeben hat.

Nach dem Sachverhalt hatte ein Mandant des Steuerberaters das zunächst diesem erteilte Mandat Mitte 2014 auf den Steuerberater B übertragen. Steuerberater B schrieb dann an den Steuerberater nach mehrfachen vergeblichen Kontaktversuchen eine Mail, in der er um Auskunft und Datenübertragung bat. Nachdem weitere Kontaktversuche gescheitert waren, setzte Steuerberater B in einer Mail unter Hinweis darauf, dass vom Steuerberater zuvor angekündigte Schritte, insbesondere die Freigabe von Unterlagen, unterblieben seien, dem Steuerberater eine Erledigungsfrist und drohte die Einschaltung der Berufskammer an. Es ging dann noch hin und her, jedenfalls ist es – auch nach Einschaltung der Steuerberaterkammer – nicht zur Herausgabe der Unterlagen gekommen.

Das führte dann jetzt zu den berufsrechtlichen Maßnahmen:

„Der Steuerberater hat seine Berufspflichten nach §§ 57 Abs. 1, 80 Abs, 2 StBerG schuldhaft verletzt.

Der Steuerberater hat übernommene Beratungsaufträge nach den Grundsätzen pflichtgemäßer Berufsausübung auszuführen(§ 13 Abs. 1 BOStB).

Bei Beendigung des Auftrags hat der Steuerberater auf Aufforderung die Unterlagen seiner Mandanten i.S. v. § 66 StBerG herauszugeben (§§ 675 Abs. 1, 667 2. Alt. BGB, § 13 Abs. 4 BOStB). Die Herausgabepflicht bezieht sich auch auf Unterlagen mit vorbereitenden Arbeitsergebnissen, etwa Buchführungsbestandteilen bzw. die entsprechenden elektronischen Daten. Die Unterlagen sind herauszugeben, wenn dem Steuerberater keine fälligen und offenen Honoraransprüche mehr zustehen bzw. die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts im Hinblick auf die Interessen des Mandanten treuwidrig wäre (§ 66 Abs. 2 StBerG).

Dagegen hat der Steuerberater, der sich dem Mandanten gegenüber nicht ausdrücklich auf Gegenansprüche in einer gemessen an der Beeinträchtigung der Interessen des Mandanten nicht unverhältnismäßig geringen Höhe berufen hat, nachhaltig und vorwerfbar verstoßen.

Es entspricht nicht den Anforderungen an ein berufswürdiges Verhalten (§ 7 BOStB), wenn der Steuerberater gegenüber dem früheren Mandanten, gegenüber dem ihm nachfolgenden Steuerberater, gegenüber dem Gerichtsvollzieher und der Steuerberaterkammer wahrheitswidrige Ankündigungen und Erklärungen abgibt.

Es liegt zudem auf der Hand, dass die berufsrechtliche Pflicht zur Begründung einer beruflichen Niederlassung mit Eröffnung ausreichender Kommunikationsmöglichkeiten die Anforderung umfasst, auch tatsächlich in eine berufsbezogene Kommunikation mit Interessenten zu treten. Es war standeswidrig, dass der Steuerberater eine Vielzahl von Kontaktversuchen ohne Reaktion ließ.

Zudem hat der Steuerberater seine Auskunftspflicht gegenüber der Steuerberaterkammer nach § 80 StBerG schuldhaft verletzt.“

Vollstreckung II: Haftaufschub, oder: Was muss die StA prüfen?

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Die zweite Entscheidung des heutigen Tages stammt vom Kollegen T. Hein aus Bad Vilbel. Es handelt sich um den LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 12.09.2018 – 5-28 KLs 1/15. Entscheidungsgegenstand: Antrag auf Haftaufschub und die insoweit bestehende Prüfungspflicht der Staatsanwaltschaft. Dazu meint das LG:

„Der nach §§ 458 Abs. 2, 455 StPO zulässige Antrag hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Nach dem Vorbringen des Verurteilten dürfte sich ein Strafaufschub vorliegend allenfalls auf § 455 Abs. 3 StPO stützen lassen. Danach kann die Strafvollstreckung aufgehoben werden, wenn sich der Verurteilte in einem körperlichen Zustand befindet, bei dem eine sofortige Vollstreckung mit der Einrichtung der Strafanstalt unverträglich ist. Gemeint ist ein Zustand, der einen Strafaufschub sowohl im Interesse der Strafanstalt, der Schwierigkeiten beim Vollzug erspart werden sollen, als auch im Interesse des Verurteilten geboten erscheinen lässt, etwa wenn die nötige ärztliche Behandlung im Vollzug nicht möglich wäre (Meyer¬Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage 2018, § 455 Rn. 6). Strafaufschub nach § 455 Abs. 3 StPO weiter setzt voraus, dass die sofortige Vollstreckung unverhältnismäßig ist.

Die Entscheidung über die Gewährung von Vollstreckungsaufschub steht im Ermessen der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde und kann gerichtlich folglich nur auf Ermessensfehler überprüft werden (OLG Koblenz, Beschluss vom 17.02.2014, Az. 2 Ws 22/14; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a,O. Rn. 3), also darauf, ob sie insbesondere auf einer nachvollziehbaren Abwägung der entscheidungserheblichen Umstände beruht. Die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde muss deshalb eine für das Gericht nachvollziehbare Darlegung und Abwägung dieser Umstände enthalten. Wird demzufolge ein Antrag auf Aufschub der Strafvollstreckung gestellt, muss    die Entscheidung der Strafvollstreckungsbehörde in der Regel Ausführungen enthalten über die Schwere der Erkrankung, die Dauer und die Art und Weise einer erforderlichen Behandlung, die Möglichkeit der Behandlung in einer Strafanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus sowie über die Erwartung des Fortbestands der Erkrankung für eine erhebliche Zeit. Zu berücksichtigen ist auch, welche konkreten Maßnahmen und Rücksichtnahmen im Vollzug aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Verurteilten unerlässlich und ob die damit verbundenen Belastungen für alle Beteiligten in Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer baldigen Strafvollstreckung zumutbar sind. Fehlt es daran, unterliegt die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde bereits deshalb der Aufhebung. So liegt der Fall hier. Als wesentliche Umstände wären hier unter anderem die vom Verurteilten vorgelegten medizinischen Stellungnahmen und ‚Gutachten, einschließlich der amtsärztlichen Stellungnahme zur aktuellen Prozessunfähigkeit, näher zu berücksichtigen und mit der anstaltsinternen medizinischen Betreuung abzugleichen gewesen. Es kann dahingestellt bleiben, ob neben einer Anhörung der Justizvollzugsanstalt auch die ergänzende und/oder gesonderte Begutachtung durch die Vollstreckungsbehörde in Betracht gezogen werden sollte. Der Verurteilte hat eine entsprechende Schweigepflichtsentbindungserklärung abgegeben. Überdies wären die fier alle Beteiligten entstehenden Belastungen gegeneinander abzuwägen gewesen. Die genannten Aspekte hat die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde in ihre Entscheidung miteinzubeziehen, die Kammer hat, wie ausgeführt, hierbei nur einen eingeschränkten Prüfungsumfang. Denn wenn die gerichtliche Prüfung zur Feststellung führt, dass das Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde, steht es dem Gericht grundsätzlich nicht zu, anstelle der Vollstreckungsbehörde Vollstreckungsaufschub zu gewähren oder zu versagen (OLG Koblenz, Beschluss vom 25.06.2003, Az. 1 Ws 387/03; StraFo 2003, 434). Dem gleichzusetzen ist der Fall, dass der Entscheidung der Vollstreckungsbehörde – wie hier keine ausreichende Abwägung der entscheidungserheblichen Umstände entnommen und deshalb schon nicht geprüft werden kann, ob das Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt wurde.