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Durchsuchung I: Verneinter Anfangsverdacht, oder: KiPo-Fall und legales Verhalten

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Bei mir haben sich einige Entscheidungen zum Ermittlungsverfahren angesammelt, die ich heute dann vorstellen möchte.

Ich beginne mit zwei Postings zu Entscheidungen zu Durchsuchungsfragen, und zwar hier zunächst Entscheidungen, in den die Anordnung der Durchsuchung abgelehnt bzw. nachträglich in der Beschwerdeinstanz die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung festgestellt worden ist. Von den Beschwerdegerichten ist jeweils ein Anfangsverdacht verneint worden, und zwar einmal in einem der sog. KiPo-Fällen und einmal in einem BtM-Fall.

 

Es handelt sich um folgende Entscheidungen und Leitsätze:

Zum (verneinten) Anfangsverdacht für die Anordnung einer Durchsuchung in den sog. KiPo-Fällen.

Das LG meint:

„Aufgrund der polizeilichen Ermittlungen konnte lediglich festgestellt werden, dass die zwei gegenständlichen Bilddateien über den Intemetanschluss des Beschuldigten hochgeladen wurden. Unter dessen Wohnanschrift sind jedoch weitere sechs Personen amtlich gemeldet, die potentiell alle als Tatverdächtige in Betracht kommen. Hinzu kommt, dass die Zugangsnummer der Tatzeit generierten IP-Adresse lautete. Das Kürzel pp. könnte jedoch auf den Nachname und damit auf eine mit diesem Nachnamen unter der Wohnanschrift des Beschuldigten gemeldete Person hindeuten. Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beschuldigte — immerhin bereits 75 Jahre alt und daher mit Hentai-Pornografie vermutlich eher weniger vertraut — bislang weder strafrechtlich noch kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten ist.“

Der für die Anordnungen einer Durchsuchung erforderliche Anfangsverdacht kann grundsätzlich auch aus legalem Verhalten erwachsen, falls weitere Umstände hinzutreten. Ein solcher Umstand kann u.a.  einem kriminalistischen Erfahrungssatz liegen. Erforderlich ist jedoch, dass der kriminalistische Erfahrungssatz im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bezogen auf das jeweilige Delikt hinreichend konkretisiert ist. Es ist nicht ausreichend, dass bei bestimmten Handlungen nach kriminalistischer Erfahrung lediglich die Möglichkeit besteht, dass das Verhalten des Beschuldigten einen strafbaren Hintergrund hat.

Das LG meint:

„Auch gemessen an diesen Grundsätzen begründet das Verhalten des Beschuldigten zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung keine zureichenden Anhaltspunkte, die eine Durchsuchung seiner Wohnräume rechtfertigen könnten. Auf der Online-Plattform „www…“, auf der die synthetischen Substanzen „1cP-LSD“ und „2F-Ketamin“ zum Verkauf angeboten werden und die Rufnummer des Beschuldigten unter der Rubrik „Barverkauf“ angegeben ist, wurden zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung ausschließlich zu diesem Zeitpunkt legale Substanzen angeboten. Dass die Internetseite unter der Domain „www…“ zu finden ist, begründet ebenso wenig wie das Veräußerungsgeschäft von „1cP-LSD“ – auch wenn „1P-LSD“ unter das Neue-Psychoaktive-Stoffe-Gesetz fällt und ein Handeltreiben nach § 4 NpSG unter Strafe gestellt ist – einen Anfangsverdacht, da auf der Online-Plattform bzw. Internetseite unter den gegenständlichen „1cP-LSD“ Blotter 100 µg in der Beschreibung der Substanz ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich der Domaininhaber darüber bewusst ist, dass ein Handeltreiben mit „1P-LSD“ nunmehr verboten ist und deshalb ausschließlich zu diesem Zeitpunkt legales „1cP-LSD“ zum Verkauf angeboten wird.“