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Gerichtskosten für das Revisionsverfahren, oder: Insolvenzforderung?

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Am Gebührenfreitag gibt es dann von Borkum aus im Verfahren 4 StR 36/19 etwas Kostenrechtliches vom BGH. Gibt es ja nichts so häufig.

Der BGH hatte mit Beschluss vom 04.07.2019 auf die Revision des Verurteilten ein Urteil des LG Halle (Saale) mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen (hier der BGH, Beschl. v. 04.07.2019 – 4 StR 36/19). Im zweiten Rechtsgang hat das LG den Verurteilten dann rechtskräftig zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und ihm die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten seines Rechtsmittels auferlegt.

Daraufhin sind mit Kostenansatz vom 14.12.2020 Gebühren für das Revisionsverfahren in Höhe von insgesamt 840 EUR gegen den Verurteilten festgesetzt worden. Hiergegen wendet er sich mit der Erinnerung. Er macht sinngemäß geltend, der Kostenansatz sei unzulässig, da im Jahr 2016 das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden sei. Die Gebühren hätten daher zur Insolvenztabelle angemeldet werden müssen.

Das sieht der BGH im BGH, Beschl. v. 23.07.2021 – 4 StR 36/19 – anders:

a) Zu Recht hat die Kostenbeamtin nach § 19 Abs. 2 Satz 4, § 3 Abs. 2 GKG eine Gebühr in Höhe von 840 Euro für das Revisionsverfahren angesetzt. Diese bemisst sich auf den 2,0-fachen Satz des Festbetrages von 420 Euro, der zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Kostenentscheidung (vgl. § 71 Abs. 2 GKG) für eine rechtskräftig erkannte Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vorgesehen war. Die Höhe der Gebühr ergibt sich gemäß § 3 Abs. 2 GKG aus der Vorbemerkung 3.1 sowie den Nummern 3130 und 3112 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung).

b) Dem Kostenansatz steht die Regelung des § 87 InsO nicht entgegen, da es sich bei dem Anspruch der Staatskasse auf Zahlung der durch die Revision des Angeklagten veranlassten Verfahrenskosten nicht um eine Insolvenzforderung, sondern um eine Neuforderung handelt. Die Staatskasse ist insoweit nicht Insolvenzgläubigerin im Sinne des § 38 InsO.

Insolvenzgläubiger sind diejenigen persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§ 38 InsO). Eine solche Insolvenzforderung liegt vor, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, mag sich eine Forderung des Gläubigers daraus auch erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergeben. Nur die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs muss schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sein. Unerheblich ist, ob die Forderung selbst schon entstanden oder fällig ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. September 2011 – IX ZB 121/11, ZVI 2011, 408 mwN; vom 6. Februar 2014 – IX ZB 57/12, WM 2014, 470; BFH, Beschluss vom 2. November 2010 ? I E 8/10, ZIP 2011, 1066).

Nach diesem Maßstab handelt es sich bei der verfahrensgegenständlichen Kostenforderung nicht um eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO. Denn der Anspruch auf Zahlung der Kosten des strafprozessualen Revisionsverfahrens wird im insolvenzrechtlichen Sinne erst mit der Einlegung der Revision begründet. Erst mit der Revisionseinlegung wird die Grundlage für den später durch die Kostengrundentscheidung entstehenden Anspruch der Staatskasse geschaffen, die durch das Prozessverhalten des Rechtsmittelführers nicht mehr beseitigt werden kann. Da der Beschwerdeführer die Revision gegen das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil des Landgerichts erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingelegt hatte, war der Kostenanspruch zum Eröffnungszeitpunkt noch nicht begründet.“

Ist die Kostenforderung eine Insolvenzforderung?, oder: Aufschiebende Bedingung

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Celle, Beschl. v. 10.02.2020 – 2 Ws 43/20. Er behandelt die Frage, ob es sich eigentlich mit einer aus einem Strafverfahren resultierenden Kostenforderung um eine Insolvenzforderung handelt; eine Frage mit der man es vielleicht – hoffentlich nicht – demnächst vermehrt zu tun haben wird.

Das AG hatte den Verurteilten, über dessen Vermögen durch Beschluss des AG im Juli 2014 das Privatinsolvenzverfahren eröffnet worden ist, mit Urteil vom 26.01.2018 wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung verurteilt und ihm zugleich die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die Entscheidung ist seit dem 03.02.2018 rechtskräftig.

Im Rahmen des gegen den Verurteilten geführten Ermittlungsverfahrens hatte die Staatsanwaltschaft bereits vor Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens Bankauskünfte und ein Sachverständigengutachten eingeholt; die insoweit von der Landeskasse beglichenen Forderungen wurden dem Verurteilten mit Kostenrechnung der Staatsanwaltschaft vom 10. 4. 2018 in Höhe von 17.493 EUR sowie 132,50 EUR in Rechnung gestellt. Die gegen diese Kostenrechnung gerichtete Erinnerung des Verurteilten hat das AG zurückgewiesen. Seine Beschwerde hiergegen hat das LG, nachdem der Einzelrichter das Verfahren gem. § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG wegen dessen grundsätzlicher Bedeutung auf die Wirtschaftsstrafkammer als Beschwerdekammer übertragen hatte, verworfen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner weiteren Beschwerde, die das LG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage gem. § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG zugelassen hat. Er macht geltend, bei den Kosten für das im Ermittlungsverfahren erstellte Gutachten sowie die eingeholten Bankauskünfte handele es sich um Insolvenzforderungen im Sinne von § 38 InsO, da die anspruchsbegründenden Tatbestände bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen gewesen seien. Die Landeskasse habe bereits vor der Insolvenzeröffnung im Juli 2014 eine mit einer sog. „gesicherten Anwartschaft“ vergleichbare Rechtsposition erlangt.

Das Rechtsmittel hatte beim OLG keinen Erfolg:

„3.) Der Umstand, dass durch Beschluss des Amtsgerichts Syke vom 30. Juli 2014 (Az: 15 IN 148/14) über das Vermögen des Verurteilten das Privatinsolvenzverfahren eröffnet wurde, steht der Pflicht des Beschwerdeführers, die zur Vorbereitung der öffentlichen Klage im Ermittlungsverfahren entstandenen Kosten zu tragen, nicht entgegen.

Bei den unter den lfd. Ziffern Nr. 4 und 5 in der Kostenrechnung der Staatsanwaltschaft Verden vom 10. April 2018 aufgeführten Beträgen handelt es sich entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers nicht um Insolvenzforderungen i.S.v. § 38 InsO.

Insolvenzgläubiger ist nur derjenige, dessen Vermögensanspruch im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch begründet war (BeckOK InsO/Jilek, 16. Ed. 15.10.2019, InsO § 38 Rn. 20). Begründet i.S.d. § 38 InsO ist ein Vermögensanspruch dann, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits abgeschlossen war (BGH, Beschluss vom 07.04.2005 – Az.: IX ZB 129/03, BeckRS 2005, 05085).

Vorliegend ist es zwar zutreffend, dass sowohl die infolge der Einholung von Bankauskünften, als auch durch das in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten entstandenen finanziellen Verpflichtungen bereits vor der Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Verurteilten begründet wurden; diese trafen indes allein das Land Niedersachsen, mit dem gem. § 1 ff. JVEG ein Auftragsverhältnis zustande gekommen war. Die Zahlungsverpflichtung des Beschwerdeführers selbst entstand erst durch die Kostengrundentscheidung der Verurteilung vom 26. Januar 2018 unter der aufschiebenden Bedingung ihrer Rechtskraft (KG Berlin, Beschluss vom 16. März 2015 – 1 Ws 8/15 –, juris).

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Landeskasse könne nicht bessergestellt werden, als jeder andere Gläubiger, bei dem eine aus einem Lebenssachverhalt vor der Insolvenzeröffnung resultierende Forderung auch dann eine Insolvenzforderung bleibe, wenn diese erst nach der Insolvenzeröffnung gerichtlich festgestellt werde, greift der Einwand nicht durch.

Zwar wird in der Rechtsprechung in Fällen, in denen ein Gläubiger eine Rechtsposition erlangt hat, die – gleich einer gesicherten Anwartschaft – nicht mehr einseitig durch den Schuldner verhindert werden kann, in der Tat von einem begründeten Vermögensanspruch i.S.d. § 38 InsO ausgegangen (BeckOK InsO/Jilek, aaO, § 38 Rn. 20).

In Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft – wie hier – kostenpflichtige Ermittlungen in Auftrag gibt, erlangt das Land Niedersachsen allerdings gerade keinen gesicherten Anspruch auf Rückzahlung der gem. § 1 ff. JVEG durch die Landeskasse entrichteten Zahlungen zur Aufklärung der im Raume stehenden Straftat gegen den Beschuldigten. Das ergibt sich schon daraus, dass es zu diesem Zeitpunkt häufig nicht einmal einen namentlich bekannten Beschuldigten gibt, gegen den das Land einen Rückforderungsanspruch erlangen könnte, denn kostenpflichtige Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft werden häufig auch in Verfahren gegen Unbekannt in Auftrag gegeben; zu den Kosten der Vorbereitung der öffentlichen Klage, die der verurteilte Angeklagte nach § 465 Abs. 1 StPO zu tragen hat, gehören im Übrigen auch solche, die entstanden sind, während das Verfahren noch nicht gegen diesen Angeklagten, sondern gegen eine andere verdächtig gewesene Person gerichtet war (Hilger in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 464a, Rn. 13).

Selbst wenn – wie vorliegend – in dem Zeitpunkt, in dem die Staatsanwaltschaft kostenpflichtige Ermittlungen in Auftrag gibt, der Beschuldigte namentlich bekannt ist, hängt dessen spätere Zahlungsverpflichtung alleine vom Ausgang des Strafverfahrens ab; ergeben die Ermittlungen keinen hinreichenden Tatverdacht, so ist das Ermittlungsverfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen mit der Folge, dass das Land Niedersachsen die Kosten für die in Auftrag gegebenen Ermittlungen trägt. Die Annahme, dem Land Niedersachsen stünde bereits zu diesem Zeitpunkt eine gesicherte Rückzahlungsforderung gegen den Beschuldigten zu, würde im Übrigen der im Strafverfahren geltenden Unschuldsvermutung eklatant zuwiderlaufen. Selbst nach der im vorliegenden Verfahren am 13.03.2015 erfolgten Anklageerhebung und der am 15.10.2015 beschlossenen Eröffnung des Hauptverfahrens hing die Pflicht des Beschwerdeführers, die Kosten der Vorbereitung der öffentlichen Klage zu tragen, davon ab, dass sich das erkennende Gericht nach durchgeführter Beweisaufnahme ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit von der Schuld des Beschwerdeführers verschaffen und diesen schuldig sprechen würde.“