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Erwerb eines neuen Fahrzeugs nach wirtschaftlichem Totalschaden, oder: Ersatzfähige Ausfallzeit

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Und an zweiter Stelle der Bericherstattung heute dann das LG Saarbrücken, Urt. v. 23.12.2020 – 13 S 82/20.

Gestritten wurde um restliche Nutzungsausfallentschädigung nach einem Verkehrsunfall. Ausweislich eines Schadensgutachtens lag an dem durch den Unfall beschädigten Ford Grand C-Max der Klägerin ein wirtschaftlicher Totalschaden vor (Bruttoreparaturkosten 8.594,51 EUR, Wiederbeschaffungswert 6.150 EUR, Restwert 2.606 EUR). Die Wiederbeschaffungsdauer schätzte der Sachverständige auf 8 Tage. Unter dem 14.09.2019 bestellte die Klägerin einen neuen Dacia Sandero Stepway zu einem Preis von 13.730 EUR mit einer voraussichtlichen Lieferzeit von ca. 3 Wochen. Nachdem es bei der Lieferung zu Verzögerungen kam, entschloss sich die Klägerin ein von der Verkäuferin angebotenes Ersatzfahrzeug gleichen Fahrzeugtyps zu erwerben, welches nach weiteren Verzögerungen am 26.11.2019 auf sie zugelassen werden konnte. Die Beklagte zahlte u.a. ausgehend von einem unstreitigen Tagessatz von 50 EUR an die Klägerin eine Nutzungsausfallentschädigung von 950 EUR (19 Tage).

Mit der Klage hat die Klägerin u.a. restliche Nutzungsausfallentschädigung von 3.000 EUR  begehrt. Das Amtsgericht  ist von einer fiktiven Abrechnung ausgegangen und hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die hatte keinen Erfolg:

„1. Dem Ansatz des Amtsgerichts, es handele sich vorliegend um eine fiktive Schadensabrechnung, weshalb auf die objektiv erforderliche Nutzungsausfalldauer abzustellen sei, vermag die Kammer allerdings nicht zu folgen.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt auch der vorübergehende Verlust der Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs einen ersatzfähigen Schaden im Sinne der §§ 249 ff BGB dar, wenn der Geschädigte sich für die Zeit des Nutzungsausfalls keinen Ersatzwagen beschafft hat (st. Rspr., vgl. BGHZ 40, 345, 347 ff; 56, 214, 215; BGH, Urteile vom 10.06.2008 – VI ZR 248/07, NJW-RR 2008, 1198; vom 10.03.2009 – VI ZR 211/08, NJW 2009, 1663 und vom 14.04.2010 – VIII ZR 145/09, VersR 2010, 1463, jeweils m.w.N.). Dieser Nutzungsausfall setzt neben dem Verlust der Gebrauchsmöglichkeit voraus, dass der Geschädigte ohne das schädigende Ereignis zur Nutzung des Fahrzeugs willens und fähig gewesen wäre (Nutzungswille und hypothetische Nutzungsmöglichkeit; st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18.12.2007 – VI ZR 62/07, VersR 2008, 370, und vom 14.04.2010 aaO, jeweils m.w.N.), und besteht für die erforderliche Ausfallzeit, d.h. für die notwendige Reparatur- bzw. Wiederbeschaffungsdauer zuzüglich der Zeit für die Schadensfeststellung und gegebenenfalls einer angemessenen Überlegungszeit (vgl. BGH, Urteil vom 05.02.2013 – VI ZR 363/11, VersR 2013, 471).

b) Einigkeit besteht, dass diese erforderliche Ausfallzeit grundsätzlich entscheidend durch die Art der vom Geschädigten gewählten Schadensabrechnung beeinflusst wird. Rechnet der Geschädigte seinen Schaden fiktiv ab, kommt es maßgeblich auf die objektiv erforderliche Dauer an (vgl. BGH, Urteil vom 15.07.2003 – VI ZR 361/02, NJW 2003, 3480 f.; Kammer, Urteil vom 15.05.2015 – 13 S 12/15, NZV 2015, 547 m.w.N.). Rechnet der Unfallgeschädigte seinen Schaden demgegenüber konkret ab, ist Nutzungsausfall grundsätzlich für die gesamte erforderliche Ausfallzeit zu leisten, d.h. für die im konkreten Fall notwendige Wiederbeschaffungsdauer zuzüglich der Zeit für die Schadensfeststellung und ggfls. einer angemessenen Überlegungszeit. Auch konkret eingetretene Verzögerungen wie sie etwa durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens entstanden sind, muss der Schädiger jedenfalls im üblichen zeitlichen Rahmen hinnehmen (vgl. Kammer, Urteil vom 23.09.2016 – 13 S 53/16, NJW-RR 2017, 355 für Mietwagenkosten). Denn er trägt im Rahmen des Üblichen grundsätzlich das Risiko, dass sich die Wiederbeschaffung verzögert. Dies gilt regelmäßig auch bei einer zunächst fehlgeschlagenen Ersatzbeschaffung („Prognoserisiko“, vgl. Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, 1. Aufl., § 249 BGB Rn. 76 m.w.N.). Eine Grenze besteht jedoch, wenn und soweit sich der Nutzungsausfall verlängert, weil der Geschädigte seiner Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB nicht nachkommt (vgl. Kammer, Urteil vom 10.11.2017 – 13 S 97/17, NJW-RR 2018, 27 m.w.N.).

c) Entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung ist vorliegend von einer konkreten Schadensabrechnung auszugehen. Unstreitig hat die Klägerin ein Ersatzfahrzeug zum Preis von 13.730,01 € (brutto) erworben und dies der Beklagten auch mitgeteilt. Weder dass die Klägerin ihrer Schadensabrechnung zunächst das Gutachten des vorgerichtlich tätigen Sachverständigen … zugrunde gelegt hatte – ein Übergang von fiktiver zu konkreter Schadensabrechnung im Falle einer kostenintensiveren konkreten Ersatzbeschaffung ist jederzeit möglich (vgl. BGH, Urteil vom 02. Oktober 2018 – VI ZR 40/18, NJW-RR 2019, 144) – noch, dass sie ein Neufahrzeug einer anderen Fahrzeugmarke statt eines Gebrauchtwagens der gleichen Marke erworben hat, ändert etwas an ihrer zum Ausdruck gebrachten Entscheidung sowie der Möglichkeit, den Schaden konkret abzurechnen.

2. a) Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Fahrzeugschäden neben der Reparatur der beschädigten Sache nur die Anschaffung einer „gleichwertigen“ oder „gleichartigen“, also vergleichbaren und verfügbaren Ersatzsache als Möglichkeit der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes i.S.d. § 249 Abs. 1 BGB in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 02. März 2010 – VI ZR 144/09, NJW 2010, 212 m.w.N.), ist damit nicht gemeint, dass dem Eigentümer eines unfallbeschädigten Gebrauchtwagens die konkrete Ersatzbeschaffung durch Ankauf eines Neuwagens einer anderen Fahrzeugmarke verwehrt ist. „Vergleichbar“ ist im Sinne gleicher Funktionserfüllung, also nicht im engen Sinne eines Fahrzeugs gleichen Alters oder Zustands zu verstehen, weshalb auch die Wiederbeschaffung durch ein Neufahrzeug oder durch Ersatz eines anderen Fahrzeugtyps erfolgen kann (vgl. Freymann, „Fiktive Schadensabrechnung“, Zfs 1/19, S. 4 ff.; Kammerurteil vom 21. Mai 2010 – 13 S 5/10, juris, vgl. auch BGH, Urteil vom 01. März 2005 – VI ZR 91/04 „TDI-Trendline“, Kauf eines teureren Ersatzfahrzeugs anderen Typs).

b) Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, welche Art der Ersatzbeschaffung aus wirtschaftlicher Sicht zur Herstellung des früheren Zustands erforderlich war und deshalb als ersatzfähig i.S.v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen ist. Übersteigen, wie vorliegend, die Kosten der konkreten Ersatzbeschaffung die in dem Sachverständigengutachten ermittelten Kosten, so ist der Schadensersatzanspruch auch bei konkreter Schadensabrechnung auf den sich aus dem Sachverständigengutachten ergebenden, dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechenden (Brutto-)wert der Wiederherstellung begrenzt. Für den Fall, dass der Geschädigte neben dem Betrag sachverständig ermittelter Reparaturkosten die bei einer tatsächlich vorgenommenen, kostenintensiveren Ersatzbeschaffung angefallene Umsatzsteuer in der Höhe ersetzt verlangt, wie sie bei Durchführung der kostengünstigeren Wiederherstellung im Wege der Reparatur angefallen wäre, hat der Bundesgerichtshof insoweit bereits festgestellt, dass keine unzulässige Kombination von konkreter und fiktiver Abrechnung, sondern eine konkrete Schadensabrechnung auf der Grundlage einer Ersatzbeschaffung vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2013 – VI ZR 363/11, NJW 2013, 1151; Kammer Urteil vom 03. Juli 2020 – 13 S 45/20,NJW-RR 2020, 1423 mwN). Nichts Anderes kann nach Auffassung der Kammer gelten, wenn beim Vorliegen eines wirtschaftlichen Totalschadens eines Gebrauchtwagens der Geschädigte statt eines anderen Gebrauchtfahrzeugs, das in etwa Alter, Laufleistung und Fahrzeugklasse des beschädigten Fahrzeugs entspricht, ein teureres Neufahrzeug erwirbt, sich bei der Schadensabrechnung aber auf den Brutto-Wiederbeschaffungsaufwand laut Gutachten beschränkt.

c) Soweit die erstinstanzliche Entscheidung auf das Urteil der Kammer vom 15. Mai 2015 – 13 S 12/15, NJW-RR 2015, 1437 hinweist, kann dieser weder entnommen werden, dass es sich im Falle einer Ersatzbeschaffung in Form eines Neufahrzeugs anderen Fahrzeugtyps zwangsläufig um eine fiktive Schadensabrechnung handeln muss, noch, dass die Geltendmachung konkreter Verzögerungen im Rahmen der Ersatzbeschaffung zu einer unzulässigen Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung führt.

3. Dies bedeutet für die hier streitgegenständliche Nutzungsausfallentschädigung, dass zwar von einer konkreten Schadensabrechnung auszugehen ist, die ersatzfähige konkrete Nutzungsausfalldauer jedoch begrenzt ist auf die objektiv erforderliche Zeitspanne, welche für die Beschaffung eines nach dem Gutachten als wirtschaftlich vergleichbar anzusehenden Ersatzfahrzeugs erforderlich ist. Denn im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass der Geschädigte unter mehreren möglichen Wegen des Schadensausgleichs im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg zu wählen hat. Das gilt nicht nur für die eigentlichen Reparatur- oder Wiederbeschaffungskosten, sondern gleichermaßen für die Mietwagenkosten und ebenso für die Nutzungsausfallentschädigung. Kauft der Geschädigte also in frei gewählter Abkehr vom Wirtschaftlichkeitsgebot einen höherwertigen Neuwagen, obwohl er nach den Grundsätzen des Schadensrechts nur Anspruch auf die Reparatur oder die Kosten eines Gebrauchtwagens hat, so kann er Nutzungsausfall auch nur bis zu dem Zeitpunkt beanspruchen, der für eine Unfallreparatur oder die Ersatzbeschaffung eines gleichwertigen Gebrauchtwagens angefallen wäre (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. Juli 2019 – 5 U 696/19, Rn. 26, juris mwN). Vorliegend hat sich die Klägerin ein Neufahrzeug bestellt, dessen Lieferzeit von vorneherein bereits auf drei Wochen angelegt war. Diese gegenüber der Ersatzbeschaffung eines vergleichbaren Gebrauchtwagens verlängerte Wartezeit kann nicht zu Lasten des Schädigers gehen, weil sie auf der freien Disposition der Geschädigten beruht (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 – VI ZR 62/07, NJW 2008, 915). Gleiches muss dann aber auch für Verzögerungen gelten, die sich an diese längere Wartezeit anschließen und zwar unabhängig davon, ob – wie vorliegend nicht – der Klägerin diesbezüglich ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht i.S.v. § 254 BGB vorzuwerfen ist.

4. Damit beläuft sich der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung der Klägerin auf die erforderliche Ausfallzeit, d.h. die notwendige Reparatur- bzw. Wiederbeschaffungsdauer zuzüglich der Zeit für die Schadensfeststellung und gegebenenfalls einer angemessenen Überlegungszeit. Angesichts einer Begutachtungszeit von 4 Tagen (Erhalt des Gutachtens am 13.09.2019), einer gutachterlich ermittelten Wiederbeschaffungsdauer von 8 Kalendertagen sowie einer angemessenen Überlegungszeit ist die seitens der Beklagten bereits erstattete Nutzungsausfalldauer von 19 Tagen jedenfalls nicht zu kurz bemessen. Ein über die bereits geleistete Zahlung von 950 € hinausgehender Zahlungsanspruch besteht daher nicht, so dass die angefochtene Entscheidung im Ergebnis zutreffend ist.“