Der BGH, Beschl. v. 26.04.2017 – 1 StR 32/17 – enthält m.E. für die Praxis des Strafverteidigers eine doch recht wichtige Aussage zur sog. Widerspruchslösung, die man als Verteidiger „auf dem Schirm haben“ sollte. Ergangen ist die Entscheidung in einem Verfahren mit dem Vorwruf des schweren Raubes. Deswegen hatte das LG die beiden Angeklagten auch verurteilt. Dagegen hat der Angeklagte S mit seiner Revision geltend gemacht, dass Art. 6 Abs. 1, 3 lit. d) EMRK verletzt sei. Zur Begründung hat er vorgetragen: Das LG habe seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten u.a. auch darauf gestützt, dass S seine Tatbeteiligung gegenüber einem Zeugen zugegeben habe. Der Angeklagte habe keine Möglichkeit gehabt, diesen Zeugen konfrontativ zu befragen oder durch seinen Verteidiger an der Vernehmung überhaupt teilzunehmen, und zwar weder im Ermittlungsverfahren noch in der Hauptverhandlung. Die Angaben des Zeugen seien nur mittelbar durch Vernehmung der Vernehmungsperson, des vernehmenden Polizeibeamten, eingeführt worden. Das sei ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens „in der Ausprägung des Konfrontationsrechts.
Die Revision hatte keinen Erfolg. In dem Beschluss hat der BGH (erneut) die Frage offen gelassen, ob eine Verletzung des völkerrechtlich gewährleisteten Konfrontationsrechts im innerstaatlichen Recht lediglich auf der Ebene der Beweiswürdigung zu besonders strengen Beweis- und Begründungsanforderungen führe oder die Unverwertbarkeit auf einen nicht konfrontativ befragten Zeugen zurückgehender Informationen bewirke. Denn gehe man davon aus, dass die Verletzung von Art. 6 Abs. 3 lit. d) EMRK grundsätzlich zur prozessualen Unverwertbarkeit derjenigen Informationen führe, die ursprünglich von einer Person stammten, die durch den Angeklagten oder seinen Verteidiger nicht hatte konfrontativ befragt werden können, könne die Rüge ggf. nur dann zulässig erhoben werden, wenn die Unverwertbarkeit in der Tatsacheninstanz geltend gemacht und dort rechtzeitig der Verwertung widersprochen worden sei.
In dem Zusammenhang heißt es dann:
„Führte die Verletzung von Art. 6 Abs. 3 Buchst. d) EMRK grundsätzlich zur prozessualen Unverwertbarkeit derjenigen Informationen, die ursprünglich von einer Person stammen, die durch den Angeklagten oder seine Verteidigung nicht hat konfrontativ befragt werden können, kann die Rüge möglicherweise nur dann zulässig erhoben werden, wenn die Unverwertbarkeit in der Tatsacheninstanz geltend gemacht und dort rechtzeitig (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 225 f.) der Verwertung widersprochen worden ist. Für die Notwendigkeit eines solchen Widerspruchs könnte auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den meist sog. unselbständigen Beweisverwertungsverboten sprechen, dass das Konfrontationsrecht individualschützenden Charakter zugunsten des Angeklagten hat (vgl. Weigend, Festschrift für Wolter, 2013, S. 1145, 1150 f.; Esser JR 2005, 247, 249 „Kernelement effektiver Verteidigung“ jeweils mwN) und er über die Verwertbarkeit der unter Verstoß gegen dieses Recht gewonnenen Informationen disponieren kann (siehe Esser aaO S. 251 mwN sowie Mahler, Das Recht des Beschuldigten auf konfrontative Befragung der Belastungszeugen, 2011, S. 55 f. jeweils bzgl. des Verzichts auf das Recht). Dies kann jedoch offenblei-ben. Denn im Ergebnis hat die Nichtgewährung des Rechts auf konfrontative Befragung eines Belastungszeugen gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchst. d) EMRK vor-liegend nicht dazu geführt, dass sich das Verfahren insgesamt als nicht mehr fair erweist (vgl. zum Maßstab EGMR, Urteil vom 15. Dezember 2015 – 9154/10 „Schatschaswilli ./. Deutschland“ Rn. 100 mwN).“
Soweit der BGH jedoch in diesem obiter dictum die Notwendigkeit eines rechtzeitigen Widerspruchs gegen die jeweilige Aussage erörtert, macht er sich inzidenter für die Unverwertbarkeit einer unter Verletzung des Konfrontationsrechts eingeführten Aussage stark. Für den Verteidiger bedeutet diese Erörterung, dass er bei Angaben von Zeugen, die mittelbar über einen Dritten, meist den Vernehmungsbeamten, eingeführt werden sollen, in jedem Falle der Verwertung der Angaben in der Hauptverhandlung widersprechen sollte (vgl. zur „Widerspruchslösung“ grundlegend BGHSt 38, 214 und einige dazu bei Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 8. Aufl., 2016, Rn, 3433). Dies schon deshalb, um dann, wenn der BGH demnächst ggf. in einer Entscheidung tragend auf die Erhebung des Widerspruchs abstellen sollte, nichts versäumt zu haben.