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Richtig oder falsch – jedenfalls kann es um viel Geld gehen, oder: Folgen eines Umzugs

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Manchmal muss man eine Entscheidung zweimal lesen, und dann ist man sich immer noch nicht sicher, ob sie richtig ist oder nicht. So m.E. den AG Tiergarten, Beschl. v. 06.09.2012 – (283 Ds) 1 OP Js 1265/10 (246/10), der eine gebührenrechtliche Frage behandelt, die – und da hat der Kollege, der mir den Beschluss geschickt hat, Recht – bisher in der Rechtsprechung noch nicht entschieden ist.

In der Sache ging es um einen Pflichtverteidiger, der in Berlin seinen Kanzleisitz hat, dort beigeordnet wird, dann aber seinen Sitz nach Köln verlegt. Er vertritt den Angeklagten weiter, reist von Köln an und macht die Reisekosten als Auslagen geltend. Der Rechtspfleger setzt sie ab, das AG gewährt sie dem Pflichtverteidiger mit der Begründung:

„Hiergegen wendet sich der Pflichtverteidiger mit seiner sofortigen Beschwerde vom 27.06.2012. Diese ist als fristgerecht eingelegte Erinnerung zu behandeln (§ 56 RVG) und hat im wesentlichen Erfolg, da der Ausschlusstatbestand der Vorbemerkung 7 Abs. 3 Satz 2 VV-RVG auf den Auslagenersatzanspruch eines Pflichtverteidigers unanwendbar ist. Die Auslegung der Vorbemerkung 7 VV-RVG belegt eindeutig, dass diese von einem zivilrechtlichen Auftragsverhältnis zwischen Anwalt und Auftraggeber ausgeht. Dies zeigt Absatz 1 der  Vorbemerkung in dem auf die Aufwendungsersatzvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches Bezug genommen wird. Das Verhältnis des Staates zum Pflichtverteidiger ist jedoch kein zivilrechtliches Auftragsverhältnis sondern ein öffentlich-rechtliches Pflichtverhältnis.

Auch eine analoge Anwendung des Vorbemerkung 7 VV-RVG auf das Pflichtverteidigerverhältnis kommt nicht in Betracht. Die vom Pflichtverteidiger geltend gemachten Auslagen für Reisekosten etc. sind nach dem RVG grundsätzlich erstattungsfähig . Der Ausschlusstatbestand der Vorbemerkung 7 Abs. 3 VV-RVG stellt damit eine Ausnahmeregel dar. Zwar können auch Ausnahmeregeln grundsätzlich analogiefähig sein. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Analogie sich in den Grenzen der Wertung des Grundtatbestandes bewegt und dass mit ihr die Ausnahme nicht zur Regel erhoben wird. Das zivilrechtliche Auftragsverhältnis Mandant — Rechtsanwalt unterscheidet sich aber grundlegend vom öffentlich— rechtlichen Pflichtverhältnis Staat — Pflichtverteidiger. Dies zeigt sich bereit bei Begründung und Beendigung beider Verhältnisse. Während der Mandant in der Wahl seines Vertragspartners völlig frei ist und sowohl Anwalt wie auch Mandant das Verhältnis grundsätzlich jederzeit durch Kündigung beenden können verhält es sich bei der Pflichtverteidigung anders. Schon bei deren Begründung können dem Auswahlermessen des beiordnenden Richters durch die Benennung eines Anwaltes durch den Angeschuldigten enge Grenzen gesetzt werden. Auch die Beendigung einer Pflichtverteidigung ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Auch die Höhe der Vergütung des Anwaltes fällt in beiden Konstellationen unterschiedlich aus. Insgesamt unterscheiden sich beide Verhältnisse daher derart, dass keine Möglichkeit einer analogen Anwendung der Vorbemerkung 7 VV-RVG auf das Pflichtverteidigerverhältnis möglich ist.“

Richtig oder falsch, das ist die Preisfrage. Die Argumentation des AG ist m.E. nicht zwingend. Aus dem Wortlaut der Vorbem. 7 VV RVG ergibt sich m.E. auch nicht, dass die Regelung nur für das Zivilrecht pp. gilt. M.E. muss man hier doch wohl anders argumentieren/vorgehen: Wenn der Pflichtverteidiger nach Beiordnung seinen Sitz verlegt, dann stellt sich die Frage, ob er ggf. zu entpflichten ist, was nicht ganz einfach sein dürfte. Wenn er aber nicht entpflichtet wird, dann sind ihm auch die Fahrt-/Reisekosten für die Anfahrt von seinem (nun auswärtigen) Kanzleisitz zum Gerichtsort zu erstatten (§ 46 RVG).

Bin gespannt, was das LG Berlin aus der Sache macht. Denn die Staatskasse wird den Beschluss wohl kaum rechtskräftig werden lassen. Denn es kann um viel Geld gehen. Man stelle sich nur vor, dass die Hauptverhandlung an mehreren Tagen stattfindet, zu denen der Verteidiger anreist…