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BtM II: Das war kein „Handeltreiben“

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Als zweites Posting zum BtM – nach dem BGH, Beschl. v. 16.02. 2016 – 1 StR 525/15 und dazu BtM I: Bitte nicht nur „Vermutungen“, oder der zu „Vertuschungszwecken vorgeschobene Zahlungsempfänger“ – den BGH, Beschl. v. 10.11.2015 – 3 StR 302/15. Der befasst sich noch einmal mit der Frage des Handeltreibens:

„1. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte S. wegen der zögerlichen Zahlweise des von ihm in den Fällen II. 1. bis 3. belieferten Abnehmers vorübergehend den Kontakt zu diesem abgebrochen. Da er schließlich aber doch an einer Weiterführung der geschäftlichen Bezie-hungen interessiert war, rief der Angeklagte D. , der in die Drogenge-schäfte des Angeklagten S. eingeweiht war, den Abnehmer an und vereinbarte ein persönliches Treffen, um zu „reden und (zu) rechnen“. Mit einem vom Angeklagten D. angemieteten Fahrzeug fuhren die Angeklagten noch am selben Tag zusammen zu der verabredeten Zusammenkunft, bei der besprochen wurde, wie die Lieferbeziehung zwischen dem Angeklagten S. und dem Abnehmer würde fortgeführt werden können. Insbesondere wurde über das Zahlungsverhalten des Abnehmers gesprochen. Der Angeklagte S. machte deutlich, dass er künftig nur gegen unmittelbare Zahlung liefern werde. „Man wurde sich einig“.

2. Das festgestellte Verhalten erfüllt hinsichtlich des Angeklagten S. nicht den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

Der Begriff des Handeltreibens im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist zwar weit auszulegen. Danach ist Handeltreiben im Sinne dieser Vorschriften jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungs-mitteln gerichtete Tätigkeit (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256, 262). Ein vollendetes Handeltreiben mit Betäu-bungsmitteln liegt damit bereits vor, wenn der Verkäufer dem Kaufinteressenten ein verbindliches und ernsthaftes Verkaufsangebot unterbreitet (BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 1999 – 3 StR 479/99, NStZ 2000, 207, 208; vom 7. Juli 2006 – 2 StR 184/06, NStZ 2007, 100, 101; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 81; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 374 ff.). All-gemein sondierende Gespräche über die Möglichkeit und eventuelle Modalitä-ten künftiger Betäubungsmittelgeschäfte begründen dagegen noch kein vollen-detes Handeltreiben; bei ihnen handelt es sich lediglich um straflose Vorberei-tungshandlungen (Weber aaO, Rn. 367 mwN).

Nach diesen Maßstäben liegt im Fall II. 4. der Urteilsgründe ein strafba-res Verhalten des Angeklagten nicht vor. Ernsthafte Verkaufsverhandlungen zum Abschluss eines näher konkretisierten Betäubungsmittelgeschäfts führte der Angeklagte S. nicht. Nach den Feststellungen besprach er bei dem Treffen mit seinem früheren Abnehmer lediglich, unter welchen Bedingungen er zu einer Fortsetzung der Betäubungsmittellieferungen grundsätzlich bereit sei. Ein Verkaufsangebot unterbreitete er nicht. Der Tatbestand des Handeltreibens ist damit nicht erfüllt.

Da die Feststellungen das Vorliegen der Haupttat nicht tragen, entfällt auch die Strafbarkeit des Angeklagten D. wegen Beihilfe hierzu.“

Wegwerfen ist kein Handeltreiben, wer hätte das gedacht …

Cannabis BlattDas LG hat den zur Tatzeit 74 Jahre alten Angeklagten (also doch: Alter schützt vor Torheit nicht 🙂 ) u.a. wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Nach den Feststellungen des LG hatte der Angeklagte im Jahr 2012 eine professionelle Cannabisplantage in vier von ihm eigens dafür hergestellten Kellerräumen errichtet, um das hierdurch zu erzeugende Marihuana gewinnbringend zu veräußern. Im Februar 20132 wollte der
Angeklagte mit seinem Pkw unverwertbare und teilweise schon angeschimmelte Abfälle von Cannabispflanzen entsorgen, die zusammen mit anderen Pflanzenabfällen in großen Plastiksäcken verpackt waren. Auf seiner Fahrt wurde er von der Polizei kontrolliert, die einen anonymen Hinweis auf einen Cannabisanbau des Angeklagten erhalten hatte. Dabei fand man griffbereit im Seitenfach der Fahrerseite seines Pkw eine teleskopartig ausziehbare Stahlrute, die der Angeklagte zum eigenen Schutz vor Übergriffen mit sich führte. Das führt eben zu der Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.

Beim BGH hält das aber nicht. Der BGH hebt im BGH, Beschl. v. 28.11.2013 – 5 StR 576/13 auf, denn:

„Der Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus, dass der Täter den gefährlichen Gegenstand bei der Tatbegehung bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Setzt sich die Tat aus mehreren Einzelakten zusammen, so reicht es nach ständiger Rechtsprechung zur Tatbestandserfüllung aus, wenn der qualifizierende Umstand auch nur bei einem Einzelakt verwirklicht ist. Demgemäß sind die Voraussetzungen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG schon als erfüllt angesehen worden in Fällen, in denen dem Handel treibenden Täter eine Waffe bei Drogenverkaufsfahrten, in seinem Vorratslager oder beim Strecken und Portionieren griffbereit zur Verfügung stand, da es sich hierbei um eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeiten handelt (vgl. BGH, Urteile vom 28. Februar 1997 – 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 10 f., und vom 22. August 2012 – 2 StR 235/12, NStZ-RR 2013, 150; Beschluss vom 14. November 1996 – 1 StR 609/96, NStZ 1997, 137, jeweils mwN). Hier war die Entsorgung des Pflanzenabfalls durch den Angeklagten jedoch keine mit dem beabsichtigten Umsatz von Betäubungsmitteln dergestalt zusammenhängende Bemühung, dass sie als ein Teilstadium des Handeltreibens angesehen werden könnte (vgl. zur Abgrenzung auch Patzak in Körner, BtMG, 7. Aufl., § 30a Rn. 81). Feststellungen des Landgerichts dazu, ob der Angeklagte die Teleskopstahlrute auch bei Teilakten des Handeltreibens wie etwa seinen unmittelbar der Aufzucht von Cannabispflanzen dienenden Anbautätigkeiten (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2012 – 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514; BGH, Beschluss vom 3. August 2011 – 2 StR 228/11, NStZ 2012, 43) mit sich führte, fehlen.

Anpflanzung von Cannabis – Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge?

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Eine interessante betäubungsmittel -rechtliche Frage hat der BGH mit dem für eine Veröffentlichung in BGHSt vorgesehenen Beschl. v. 20.12.2012 – 3 StR 407/12 – entschieden. Nämlich die Frage, ob die Anpflanzung von Cannabis mit dem Ziel späterer Ernte und gewinnbringenden Weiterverkaufs „Handeltreiben“ i.S. des BtMG darstellt und wann ein Handeltreiben mit Betäunbungsmitteln in nicht geringer Menge vorliegt.

Dazu sagt der BGH:

  • Das „Handeltreiben“ mit Betäubungsmitteln umfasst jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit, soweit es sich nicht lediglich um typische Vorbereitungen handelt, die weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes liegen. Für ein vollendetes „Handeltreiben“ kann es daher ausreichen, dass Cannabissetzlinge mit dem Ziel einer späteren Ernte und des gewinnbringenden Weiterverkaufs angepflanzt werden, auch wenn es dazu letztlich nicht mehr kommt.
  • In einem solchen Fall kommt es für die Frage nach der nicht geringen Menge nicht darauf an, welchen Wirkstoffgehalt die angebauten Pflanzen konkret haben, sondern auf welchen geplanten Umsatz die Aufzucht gerichtet ist. Maßgeblich ist die Menge , die mit der bereits begonnenen Aufzucht der Pflanzen letztlich erzielt und gewinnbringend veräußert werden soll.

In solchen Verfahren wird man zur Bestimmung der geringen Menge wahrscheinlich kaum ohne einen Sachverständigen auskommen.

Hinweis: Die Entscheidung des BGH ist aus zwei weiteren Gründen von Bedeutung/lesenswert, nämlich

  • im Hinblick auf das Handeln als „Bande“
  • und die Frage der Zweier/Dreierbesetzung der großen Strafkammer.

Auf den letzten Punkt komme ich noch mal zurück.

 

 

Marihuana-Indoor-Plantage im Einfamilienhaus – ist der Gärtner Gehilfe?

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Marihuanaplantage im Einfamilienhaus, sicherlich eine besondere Art der Nutzung eines Hauses. So aber betrieben von einem Angeklagten, der dafür vom LG Kleve wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist. Dieser Angeklagte hat die Verurteilung hingenommen. Nicht aber sein Bruder, der vom LG ebenfalls verurteilt worden ist, und zwar wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln. Die Beihilfehandlung hatte das LG darin gesehen, dass der Angeklagte, der von der Marihuanaaufzucht seines Bruders wusste, in Kenntnis dieses Umstandes regelmäßig zu dessen Haus gefahren ist dort Gartenarbeiten durchgeführt, die auch von den Nachbarn wahrgenommen wurden. Dass der Angeklagte auch bei der Aufzucht der Marihuanapflanzen geholfen habe, hat die Strafkammer nicht festgestellt.

Der BGH, Beschl. v. 15.11.2012 – 3 StR 355/12 hat das landgerichtliche Urteil aufgehoben, der BGh hat Bedenken hinsichtlich des Gehilfenvorsatzes;

„Nach der vom Landgericht vorgenommenen Wertung lag in den Gartenpflegearbeiten allein deshalb ein Unterstützen der Haupttat, weil der Angeklagte – in Kenntnis der Marihuanaaufzucht – dadurch seinem Bruder geholfen ha-be, den Schein aufrecht zu erhalten, dass das Grundstück – wenn auch nicht zum Bewohnen – in üblicher Weise genutzt werde. Dass der Angeklagte diese Arbeiten, die für den eigentlichen Betrieb der Plantage im Inneren des Hauses oder für den späteren Absatz der Betäubungsmittel ersichtlich keinen Nutzen hatten, in dem Bewusstsein erbrachte, dadurch die Haupttaten seines Bruders zu fördern, ergibt sich hingegen nicht. Dies versteht sich angesichts der geringen Bedeutung dieses Beitrags für das Gelingen der Haupttat an sich auch nicht von selbst, zumal nach den Ausführungen der Strafkammer unklar bleibt, worin sie die „übliche“ Nutzung eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks erblickt – wenn es denn erkennbar nicht bewohnt wird – und warum der Angeklagte angesichts dessen gemeint haben sollte, er werde durch die Gartenpflege zur Aufrechterhaltung des Scheins einer solchen Nutzung beitragen.

Bewaffnetes Handeltreiben – das Klappmesser mit einer Klingenlänge von 7,5 cm

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Nach den Feststellungen des LG fuhr der Angeklagte in die Niederlande und erwarb dort 50,9 g Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von 3,25 g Heroinhydrochlorid sowie 9,6 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 4,9 g Kokainhydrochlorid. Nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik wurde  der Angeklagte einer polizeilichen Personenkontrolle unterzogen, bei der die Betäubungsmittel, die zumindest überwiegend zum gewinnbringenden Weiter-verkauf bestimmt waren, bei ihm sichergestellt wurden. Außerdem führte der Angeklagte in seiner Jackentasche griffbereit ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von 7,5 cm mit sich. Er wird vom LG wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) verurteilt. Zu Recht?

Der BGH, Beschl. v. 06.11.2012 – 2 StR 394/12 – sagt: Keine ausreichenden Feststellungen:

„2. Die Verurteilung wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wird von den Feststellungen des Landgerichts nicht getragen.

Der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus, dass der Täter den bei der Tatbegehung mit sich geführten Gegenstand, der keine Schusswaffe ist, zur Verletzung von Personen bestimmt hat. Die Strafkammer hat zwar zur subjektiven Seite des Tatbestands zunächst zutreffend ausgeführt, dass der Angeklagte das Messer in seiner Jackentasche bewusst gebrauchsbereit mit sich führte. Jedoch ist damit noch nicht festgestellt, dass es sich bei dem Messer um einen zur Verletzung von Personen bestimmten Gegenstand im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. BtMG gehandelt hat. Aus seiner Beschreibung als Klappmesser mit einer Klingenlänge von 7,5 cm ergibt sich lediglich, dass das Messer objektiv zur Verletzung von Personen geeignet war. Dies reicht allerdings noch nicht aus, um auch die zur Verwirklichung des Qualifikationstatbestands notwendige subjektive Zweckbestimmung des Gegenstands durch den Täter zu belegen (vgl. BGHSt 43, 266, 267; BGH, NStZ 2011, 98; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 30a Rn. 87 f.; Weber, BtMG, 3. Aufl., § 30a Rn. 117 f.), zu der sich die Urteilsgründe nicht näher verhalten. Das beschriebene Messer ist weder eine Waffe im technischen Sinne, noch unterfällt es – wie sich aus der fehlenden Erwähnung dieses Messertyps in der Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 2.1 zu § 1 Abs. 4 WaffG ergibt – der Kategorie der sog. gekorenen Waffen i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG, bei denen die subjektive Zweckbestimmung zur Verletzung von Personen regelmäßig auf der Hand liegt. Vielmehr handelt es sich hier um einen Gebrauchsgegenstand, bei dem die Annahme, dass der Täter ihn (auch) zur Verletzung von Menschen bestimmt habe, der ausdrücklichen Feststellung und Begründung bedarf.“