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OWi II: Bußgeldbescheid mit zu weiter Belehrung , oder: Die Verwaltungsbehörde will mehr als der Gesetzgeber

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In der zweiten Entscheidung geht es um einen verspäteten Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid.

Gegen den Betroffenen ist ein Bußgeldbescheid wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes erlassen worden. Dieser Bescheid wurde dem Betroffenen am 05.11.2022 zugestellt. Der Bußgeldbescheid enthält in der Kopfzeile u.a. die folgenden Angaben:

„Rechtsbehelfsbelehrung

Der Bußgeldbescheid wird rechtskräftig und vollstreckbar, wenn Sie nicht innerhalb von zwei Wochen nach seiner Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift bei der im Briefkopf genannten Behörde Einspruch einlegen. Bei schriftlicher Erklärung ist die Frist nur gewahrt, wenn der Einspruch vor Ablauf der Frist dort eingeht. Die Erklärung muss in deutscher Sprache abgefasst sein.

Wichtige Hinweise bei einem Einspruch

Ein per E-Mail eingelegter Einspruch ist nur zulässig, wenn dieser bei mir unverzüglich mit Ihrer Unterschrift per Post oder Fax eingeht.“

Der Betroffene erhob mit E-Mail vom 09.11.2022 Einspruch gegen den Bußgeldbescheid. Diese E-Mail wurde durch die Zentrale Bußgeldstelle am 19.12.2022 ausgedruckt und in ausgedruckter Form zur Akte genommen. Mit Bescheid vom 25.11.2022 verwarf die Bußgeldstelle den Einspruch. Sie stützt diesen Bescheid darauf, dass eine Einlegung per E-Mail formwidrig sei. Die E-Mail wahre mangels Unterschrift nicht die von § 67 OWiG vorgesehene Schriftform.

Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Das Aschersleben hat im AG Aschersleben, Beschl. v. 02.01.2023 – 6 OWi 301/22 – aufgehoben und hat die Sache an die Bußgeldstelle zur Entscheidung über einen konkludent vom Betroffenen gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgegeben. Zu dme Antrag führt das AG aus, dass die Wiedereinsetzung zur gewähren sein dürfte:

„Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dürfte aller Voraussicht nach begründet sein, denn die verwendete Rechtsbehelfsbelehrung der zentralen Bußgeldstelle dürfte unrichtig sein.

§ 50 OWiG verlangt bei der Bekanntmachung eines Bescheides der Verwaltungsbehörde, der durch einen befristeten Rechtsbehelf angefochten werden kann, dass die Person, an die sich die Maßnahme richtet, über die Möglichkeit der Anfechtung und die dafür vorgeschriebene Frist und Form zu belehren ist.

Eine fehlende oder in einem wesentlichen Punkt unvollständige oder unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung beeinträchtigt die Wirksamkeit eines Bußgeldbescheides, seine Zustellung sowie den Beginn der Einspruchsfrist zwar nicht (BGH NStZ 1984, 181 und 329; BayObLG Beschl. v. 7.6.1984, DAR 1985, 248 [Rü]). Derartige Fehler sind jedoch in aller Regel Gründe für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 44 S. 2 StPO iVm § 52 Abs. 1 OWiG (KK-OWiG/Lampe, 5. Aufl. 2018, OWiG § 50 Rn. 20).

Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 02.11.2022 ist hinsichtlich der Einreichung als E-Mail unrichtig. Danach ist ein per E-Mail eingelegter Einspruch nur zulässig, wenn dieser bei der Bußgeldstelle unverzüglich mit der Unterschrift des Betroffenen per Post oder Fax eingeht.

aa) Der Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid ist nicht in der zuvor beschriebenen Weise per E-Mail an die Zentrale Bußgeldstelle übersandt worden und damit nicht in der von § 67 Abs. 1 S. 1 OWiG vorgesehenen Schriftform. Die Entscheidung darüber, ob eine E-Mail die Schriftform erfüllt hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung überlassen (BT-Drs. 15/4067, S. 44). Eine E-Mail erfüllt die Schriftform nur dann, wenn sie in der von der Behörde angegebenen Form übersendet wurde. Diese Gestaltungsfreiheit über die Zugangsart folgt daraus, dass die Behörde nur verpflichtet ist eine postalische Anschrift sowie eine Möglichkeit der Niederschrift vor Ort vorzuhalten. Jedenfalls seit dem 01.01.2022 muss die Verwaltungsbehörde auch den Zugang nach § 32a Abs. 2, Abs. 3 StPO i.V.m. § 110c OWiG eröffnen. Darüberhinausgehende Zugangsmöglichkeiten stehen in ihrem Belieben (BeckOK OWiG/Gertler, 31. Ed. 1.7.2021, OWiG § 67 Rn. 69).

Der Bußgeldbescheid vom 02.11.2022 enthielt, wie der Verwerfungsbescheid, eine E-Mail-Adresse. Diesen (unbeschränkten) Zugang für Einsprüche beschränkte die Bußgeldstelle jedoch prinzipiell zulässigerweise (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 10. November 2017 – 1 OLG 145 SsBs 49/16, Rn. 26, juris; KK-OWiG/Ellbogen, 5. Aufl. 2018, OWiG § 67 Rn. 65a m.w.N.; BeckOK OWiG/Gertler, 31. Ed. 1.7.2021, OWiG § 67 Rn. 69). Unter der Überschrift „Wichtige Hinweise bei einem Einspruch“ unmittelbar nach der Rechtsbehelfsbelehrung weist der Bußgeldbescheid darauf hin, dass ein per E-Mail eingelegter Einspruch nur zulässig ist, wenn dieser bei der Zentralen Bußgeldstelle unverzüglich mit der Unterschrift des Betroffenen per Post oder Fax eingeht.

Diesen Hinweis musste ein verständiger Durchschnittsadressat auch wahrnehmen. Allein aus dem Vorhandensein einer E-Mail-Adresse im Bescheidkopf kann der Betroffene noch nicht unmittelbar darauf schließen, dass dieser Zugangskanal auch ohne weiteres zur Einspruchserhebung eröffnet ist. Andernfalls würde auch die Telefonnummer einen unbeschränkten Zugang eröffnen, was jedoch ebenfalls von weiteren Voraussetzungen abhängig ist (tatsächliche Niederschrift erforderlich KK-OWiG/Ellbogen, 5. Aufl. 2018, OWiG § 67 Rn. 70). Er hat daher den gesamten Bußgeldbescheid aufmerksam und vollständig zu lesen. Dass die Beschränkung des Einspruchs per E-Mail nicht unmittelbar in der Rechtsbehelfsbelehrung enthalten ist, sondern in einem weiteren Zusatz, ist unschädlich. Neben der fettgedruckten Überschrift „Rechtsbehelfsbelehrung“ enthält der Bescheid eine unmittelbar im Anschluss daran ebenso fett gedruckte Überschrift „Wichtige Hinweise bei einem Einspruch“.

Die Rechtsprechung des Landgerichts Mosbach (Beschl. V. 30.08.2018 – 1 Qs 22/18) steht dieser Ansicht nicht entgegen. Auch nach hier vertretener Auffassung ist die Einspruchserhebung per E-Mail möglich. Die Zentrale Bußgeldstelle hat auch nicht, wie das Regierungspräsidium Karlsruhe im Fall des Landgerichts Mosbach, die inhaltlich möglichen Erklärungen des Betroffenen per E-Mail beschränkt.

bb) Der Ausdruck der E-Mail vom 09.11.2022 am 19.12.2022 konnte die Einspruchsfrist (BGH NJW 2019, 2096 (2097); OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 10324; Thüringer Oberlandesgericht Beschluss vom 10. November 2017 – 1 OLG 145 SsBs 49/16) nicht mehr wahren, da diese am 21.11.2022 ablief (der 19.11.2022 war ein Sonnabend).

cc) Die von der Behörde vorgenommene Beschränkung des E-Mail-Zugangs geht jedoch über das von § 110c OWiG i.V.m. § 32a Abs. 3 StPO vorgesehene Maß hinaus, was der Verwaltungsbehörde nicht zusteht. Dem Betroffenen wird suggeriert, er müsse den Einspruch zusätzlich per Post oder Fax mit Unterschrift übersenden, obwohl es jedenfalls seit 2022 ausreichend ist den Einspruch als elektronisches Dokument, wozu auch die E-Mail zählt (BT-Drs. 18/9416, 45), zu erheben. Der Betroffene muss sich danach lediglich eines sicheren Übermittlungsweges bedienen, § 110c OWiG i. V.m. § 32a Abs. 4 StPO.

dd) Die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist ist auch unverschuldet, § 44 S. 2 StPO, denn die Fristversäumung dürfte auch auf dem Belehrungsmangel beruhen (OLG Düsseldorf NStZ 1986, 233; OLG Koblenz NStZ 1991, 42; Krenberger/Krumm Rn. 10; KK-OWiG/Lampe Rn. 18; BeckOK OWiG/A. Bücherl, 36. Ed. 1.10.2022, OWiG § 52 Rn. 15).

Der Betroffene erklärte in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, dass er die fehlende Unterschrift übersehen habe und diese nachtragen hätte können. Er ging mithin davon aus, die strengen Anforderungen der Rechtsbehelfsbelehrung erfüllen zu müssen, welche er übersehen habe. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene bei richtiger Rechtsbehelfsbelehrung die – geringeren – Anforderungen des § 110c OWiG i.V.m. § 32a Abs. 3 StPO erfüllt hätte. Es kann gleichsam nicht angenommenen werden, dass der Betroffene auch die Hinweise einer unterstellten richtigen Rechtsbehelfsbelehrung nicht befolgt hätte.

Ob auf diese Fälle § 110c OWiG i.V.m. § 32a Abs. 6 StPO anzuwenden ist, kann offenbleiben.“