Schlagwort-Archive: Geschwindigkeitsmessung

eso ES 3.0, immer wieder – heute mit der Fotolinie

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Geschwindigkeitsmessungen mit dem Lichtschrankenmessgerät eso ES 3.0 beschäftigen im Moment die Praxis und vor allem auch die Rechtsprechung. Frage: Standardisiert, ja oder nein? Fehlerfrei oder Fehleranfällig, verwertbar oder nicht?.

Die Frage hat sich auch das OLG Hamm gestellt und im OLG Hamm, Beschl. v. 02.08.2012 – III 3 RBs 178/12 zu den Anforderungen an die Urteilsausführungen Stellung genommen. Der Verteidiger hatte nämlich offenbar gefordert, dass Angaben zum Abstand zwischen dem gemessenen Fahrzeug und der Fotolinie erforderlich seien.

Das OLG sagt nein:

Die Gegenerklärung des Verteidigers auf die Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 5. Juni 2012 gibt zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist hinreichend geklärt, dass das Tatgericht bei standardisierten Messverfahren wie dem hier verwendeten ES 3.0 lediglich Feststellungen zu dem verwendeten Messgerät, der verwendeten Messmethode, dem zu berücksichtigenden Toleranzwert sowie der gültigen Eichung des Messgeräts im Zeitpunkt der Messung treffen muss. Soweit der Betroffene den Zulassungsgrund zur Fortbildung des Rechts damit zu begründen sucht, dass bei dem Messverfahren ES 3.0 Angaben zum Abstand zwischen dem gemessenen Fahrzeug und der Fotolinie erforderlich seien, liegt hierin ein Zulassungsgrund daher nicht. Im Übrigen stellt die Fotolinie bei der Geschwindigkeitsmessung mit dem Geschwindigkeitsüberwachungsgerät ES 3.0 lediglich ein Mittel der eindeutigen Zuordnung der Messung zu einem bestimmten Fahrzeug dar, ist aber — anders als die Messlinie — selbst kein Fixum für die Messung (vgl. OLG des Landes Sachsen-Anhalt, 1. Senat für Bußgeldsachen, Az.: 1 Ss (B) 76/10 vom 25.10.2010 — juris.de; AG Landstuhl, Urteil vom 10.02.2011 — Az.: 4286 Js 12300/10, veröffentlicht bei BeckRS 2011, 06033; Schmuck, Steinbach: Neues von der Geschwindigkeitsmessanlage ESO, Steinbach, NZV 2010, 285). Da die Fotolinie lediglich für die Frage der Zuordnung von Relevanz ist, kommt es auf sie nur an, wenn tatsächlich Verwechslungsgefahr bzw. Zuordnungszweifel bestanden. Soweit — wie hier — auf andere Weise, etwa durch einen aufmerksamen Messbetrieb, sichergestellt werden kann, dass nur ein Fahrzeug in Frage kommt, dem der Geschwindigkeitsmesswert zuzuordnen ist, entbehrt die Fotolinie jeglicher Relevanz (OLG des Landes Sachsen-Anhalt, a.a.O., Zitate wie vor).

 

Immer wieder ESO – fehlerhaft? Auch bei Oliver Kahn?

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2009 hatte es ein Verfahren gegen Oliver Kahn wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung gegeben. Vorgeworfen worden war ihm Tempo 163 km/h an einer Stelle, an der nur 80 km/h erlaubt waren. Von dem Vorwurf ist Oliver Kahn frei gesprochen worden (vgl. hier unseren Bericht „Raser Kahn?“).

Jetzt bin ich über LTO auf eine Spiegel-Vorab-Meldung gestoßen, die sich mit der und anderen Messungen auseinandersetzt. Da heißt es bei LTO:

„Die Überprüfung einer Geschwindigkeitsmessung des Wagens von Ex-Nationaltorwart Oliver Kahn entlarvt die Tempokontrolle auf deutschen Straßen als unzuverlässig. Kahn war 2009 am Chiemsee mit 163 km/h gemessen worden, an der Stelle galt Tempo 80. Wie der SPIEGEL in seiner neuesten Ausgabe berichtet, stellten drei Gutachter danach fest, dass nicht Kahns 650 PS starker Mercedes, sondern ein vorauseilender Lichtreflex das Messgerät ausgelöst hatte. Die tatsächliche Geschwindigkeit konnte deshalb nicht mehr präzise festgestellt werden; das Bußgeldverfahren gegen Kahn wurde deshalb eingestellt. Eine Analyse ergab, dass an diesem Tag rund 40 weitere Autos bei der Messung nicht korrekt erfasst wurden. Gutachter vermuten, dass viele Bußgeldbescheide nicht die korrekte Geschwindigkeit wiedergeben und deshalb ungültig sind. Voraussetzung für die Fehlmessung ist, dass Sonnenlicht in einem bestimmten Winkel auf das Fahrzeug trifft und von dort zum Messsensor reflektiert wird. Der Hersteller Eso bestreitet jeden Gerätefehler.“

Zum letzten Satz kann man nur sagen: Natürlich.

Und dann nochmals: Es gibt kein „Vier-Augen-Prinzip“

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Nun hat auch der 1. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 13.09.2012, 1 RBs 112/12 entschieden:

Ein Vier-Augen-Prinzip zur Überprüfung des Messergebnisses gibt es nicht. Eine entsprechende ausdrückliche verfahrensrechtliche Vorschrift sei nicht existent. Das Prinzip ergebe sich auch nicht aus anderen Vorschriften oder Grundsätzen. Existiere – wie bei dem Lasermessgerät „Riegl FG 21-P“ – keine von dem technischen Messsystem selbst hergestellte fotografisch-schriftliche Dokumentation des Messergebnisses, seien die Fragen nach dem vom Gerät angezeigten Messwert und nach der Zuordnung des Messergebnisses zu einem bestimmten Fahrzeug unter Heranziehung der hierfür im jeweiligen Einzelfall vorhandenen Beweismittel (z. B. Zeugenaussagen der beteiligten Polizeibeamten, Messprotokoll) nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu klären.

Das hatten wir schon zweimal vom OLG Hamm und einmal vom OLG Düsseldorf, letzteres mit der Frage: Widerspruch in der Hauptverhandlung: Ja oder Nein. Vorsorglich meine ich: Ja

Messung mit ESO ES 3.0 – ein oder zwei „Lübecker Hütchen“?

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Geschwindigkeitsmessungen mit dem System eso ES 3.0 sind immer „interessant“ bzw. beschäftigen derzeit die Rechtsprechung. So auch beim AG Lüdinghausen. Dort hatte der Verteidiger gegen die Ordnungsgemäßheit der Messung mit ESO ES 3.0 eingewendet, es sei erforderlich, dass die sog. Fotolinie durch zwei sog. Lübecker Hütchen markiert werde. Das hat das AG Lüdinghausen, Urt. v. 05.03.2012 – 19 OWi-89 Js 102/12-12/12 – nicht gelten lassen und dazu ausgeführt:

„Dem ist jedoch zu widersprechen. Die Bedienungsanleitung des genannten Messgerätes sieht ausdrücklich nur zumindest eine Markierung der Linie z.B. durch ein Lübecker Hütchen vor. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die Dokumentation der Fotolinie für die Frage der Richtigkeit der Messung, d.h. der Richtigkeit des Messergebnisses ohne Relevanz ist. Vielmehr ist die Dokumentation der Fotolinie nur notwendig für die richtige Zuordnung des Messergebnisses, und zwar dann, wenn mehrere Fahrzeuge unmittelbar hintereinander her fahren. Hier ist jedoch auf das Messfoto Bl. 1 d.A. unten zu verweisen (auch hierauf wird nach § 267 I S. 3 StPO Bezug genommen), auf dem sich gerade nur das von der Betroffenen geführte Fahrzeug erkennen lässt. Zuordnungsschwierigkeiten sind damit nicht einmal ansatzweise ersichtlich.

Aus diesem Messfoto ergibt sich im Übrigen auch die von dem Messgerät gemessene Geschwindigkeit. Das Gericht hat nicht nur das Foto der Fotolinie und das Messfoto in Augenschein genommen, sondern auch das Datenfeld des Messfotos urkundsbeweislich verlesen. Hieraus ergab sich eine von dem Messgerät festgestellte Geschwindigkeit von 100 km/h, von der ein Sicherheitsabschlag von 3 km/h vorzunehmen war, so dass sich eine vorzuwerfende Geschwindigkeit von 97 km/h ergab.“

Ein Versuch war es wert, hat allerdings wohl zu Recht keinen Erfolg gebracht. Allerdings: Damit ist ESO ES 3.0 aber sicherlich nicht aus der Diskussion.:_)

Ja, aber, oder: Messwinkelabweichung bei Traffipax, aber verwertbar

Messfehler bei (Geschwindigkeits)Messungen führen nicht unbedingt zur Unverwertbarkeit der Messung. Vielmehr kann die Messung ggf. verwertet werden, dann aber mit einem höheren Sicherheitsabschlag. Das macht der OLG Hamm, Beschl. v. 05.04.2012 – III 3 RBs 41/12 – in einem Zusatz noch einmal deutlich. Da heißt es:

Das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung mit dem Radarmessgerät Traffipax speedophot ist entgegen der Auffassung des Betroffenen verwertbar. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat zwar – unter Berücksichtigung der „Schrägfahrt“ des vom Betroffenen geführten Fahrzeuges zum Messzeitpunkt – eine Messwinkelabweichung zuungunsten des Betroffenen von 2,1° (tatsächlicher Messwinkel 17,9°, vorgeschriebener Messwinkel 20°) festgestellt (vgl. allgemein zu den Auswirkungen von Messwinkelabweichungen auf das Messergebnis bei Radarmessgeräten Böttger in: Burhoff [Hrsg.], Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2. Aufl. [2009], Rdnr. 1397 ff). Diese Messwinkelabweichung führt indes nicht zu einer Unverwertbarkeit des Messergebnisses. Das sachverständig beratene Amtsgericht hat diese Abweichung dadurch berücksichtigt, dass es von der vom Messgerät angezeigten Geschwindigkeit von 103 km/h zunächst 2 km/h wegen der Messwinkelabweichung in Abzug gebracht und sodann den „allgemeinen“ Toleranzabzug von 3% (vgl. Böttger, a.a.O., Rdnr. 1395) – hier zu Gunsten des Betroffenen aufgerundet auf 4 km/h – berücksichtigt hat, so dass es seiner Entscheidung im Ergebnis eine gefahrene Geschwindigkeit von nur 97 km/h zugrundegelegt hat. Ein Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen liegt hierin nicht.“

Anmerkung: Es freut mich als Herausgeber natürlich, dass das OLG auf „unser“ OWi-Handbuch verweist: Nur: Ist das Land NRW denn so klamm, dass es dem OLG Hamm noch nicht mal die aktuelle Auflage zur Verfügung stellen kann? Das sollte doch dran sitzen :-). Und die Vorlage 🙂 nehme ich dann gern für Werbung.