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Gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung, oder: Die Verurteilung ist nicht einfach

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Die zweite BGH-Entscheidung, der BGH, Beschl. v. 13.09.2017 – 2 StR 161/17, betrifft den „Dauerbrenner“ der gefährlicher Körperverletzung (§ 22 StGB) in der Form der gemeinschaftlichen Begehung. Grundlage waren folgende Feststellungen:

„Nach den Feststellungen trafen am Abend des 20. Dezember 2015 der Mitangeklagte D. S. , der ältere Bruder des Angeklagten, und der stark alkoholisierte Nebenkläger an der U. in S. aufeinander. Möglicherweise kam es zwischen den beiden Männern zu einer verbalen Auseinandersetzung.

In der Folge erhielt der Angeklagte von D. S. einen Anruf, in dem dieser ihn aufforderte, ihm den Baseballschläger zu bringen, den er, D. S. , im Ankleidezimmer seiner Wohnung aufbewahre. Der Angeklagte folgte dem Ansinnen und begab sich mit dem Baseballschläger zu dem wenige Meter entfernten Kinderspielplatz an der U. . Er traf dort, wie verabredet, auf seinen Bruder und übergab ihm den Baseballschläger, damit dieser ihn gegen den Nebenkläger verwenden konnte. Über den geplanten Einsatz des Baseballschlägers hatte D. S. den Angeklagten zuvor am Telefon informiert.

Nachdem der Angeklagte seinem Bruder den Baseballschläger übergeben hatte, schlug dieser mit voller Wucht einmal auf den Kopf des Nebenklä-gers, der sofort zu Boden ging. Der Angeklagte und sein Bruder verließen den Tatort. D. S. veranlasste kurze Zeit später die Zeugin W. , einen Krankenwagen zu verständigen.

Der Schlag mit dem Baseballschläger war potentiell lebensgefährlich. Der Nebenkläger erlitt durch den Schlag eine Trümmerfraktur des Gehirn- und Gesichtsschädels sowie den dauerhaften Verlust des linken Augenlichts. Er musste längere Zeit stationär behandelt und mehrfach operiert werden. Bis heute leidet er physisch und psychisch unter den Folgen der Tat.“

Dazu der BGH zur Frage der „Gemeinschaftlichkeit“:

Der Schuldspruch wegen „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5, 226 Abs. 1 Nr. 1, 1. Var., 25 Abs. 2, 52 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objekti-ven Tatbeitrag leisten muss. Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen. Wesentliche Anhaltspunkte können dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betroffenen abhängt (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 11. Juli 2017 – 2 StR 220/17, juris Rn. 6; BGH, Beschlüsse vom 23. Mai 2017 – 4 StR 617/16, juris Rn. 13; vom 22. März 2017 – 3 StR 475/16, juris Rn. 12; vom 2. Juli 2008 – 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26; Urteil vom 17. Oktober 2002 – 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254).#

2. Gemessen hieran begegnet die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar weist die Strafkammer zutreffend darauf hin, dass in dem Überbringen und der Übergabe des als Tatwerkzeug verwendeten Baseballschlägers durch den Angeklagten ein wesentlicher Tatbeitrag zu sehen ist, der die anschließende Tatausführung durch D. S. überhaupt erst ermöglichte und maßgeblich prägte. Zudem war der Angeklagte am Tatort anwesend. Beides vermag aber, auch unter Berücksichtigung des tatrichterlichen Beurteilungsspielraumes (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Mai 2017 – 4 StR 617/16, juris Rn. 13), die Annahme von Mittäterschaft nicht zu rechtfertigen. Denn der Angeklagte hat weder die Tat initiiert, noch hat er an der unmittelbaren Tatausführung mitgewirkt. Auf die Auswahl des Tatopfers bzw. die Art der Tatausführung hatte er keinen Einfluss. Ein maßgebliches Tatinteresse ist nicht festgestellt.

Soweit die Strafkammer die Mittäterschaft mit dem „gemeinsamen Tatplan“ begründet, wird diese Annahme nicht durch die Feststellungen belegt. Denn der Mitangeklagte D. S. hatte im Zeitpunkt des Anrufes beim Angeklagten den Tatplan bereits gefasst und begehrte lediglich die Unterstüt-zung seines Bruders durch Übergabe des Tatwerkzeugs.

Die Annahme der Kammer ein weiterer, die bisherige Tathandlung ergänzender, mittäterschaftlicher Tatbeitrag des Angeklagten habe darin gelegen, seinen Bruder am Tatort psychisch zu unterstützen, wird durch die Feststellungen ebenfalls nicht getragen. Die psychische Unterstützung eines Tatgenossen setzt voraus, dass die Tatbegehung objektiv gefördert oder erleichtert wird und dass dies dem unterstützenden Tatgenossen bewusst ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2014 – 5 StR 2/14, NStZ 2014, 351, 352; vom 30. April 2013 – 3 StR 85/13, NStZ-RR 2013, 249; Senat, Beschluss vom 17. März 1995 – 2 StR 84/95, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 14). Zum Beleg einer psychischen Unterstützung bedarf es genauer Feststellungen, insbesondere zur objektiv fördernden Funktion der Handlung sowie zu der entsprechenden Willensrichtung des Tatgenossen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2014 – 5 StR 2/14, NStZ 2014, 351, 352; vom 25. Oktober 2011 – 3 StR 206/11, NStZ 2012, 316).

Den Feststellungen ist weder zu entnehmen, dass die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort die Tathandlung seines Bruders psychisch förderte, noch, dass der Angeklagte mit einer entsprechenden Willensrichtung am Tatort verblieb. Es versteht sich keineswegs von selbst, dass D. S. von seinem jüngeren Bruder jenseits der Übergabe des Baseballschlägers eine weitere Unterstützung erbeten hätte. Denn der mit einem Baseballschläger bewaffnete D. S. brauchte angesichts des hochgradig alkoholisierten Nebenklägers, der „ein leichtes“ und „weitgehend schutzloses Opfer“ war, für die geplante körperliche Attacke erkennbar keine weitergehende Unterstützung…..“

Die in meinen Augen große Zahl von Aufhebungen von Verurteilungen wegen „gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung“ zeigt, dass der Tatbestand „nicht einfach“ ist und an der Stelle Verteidigungspotential steckt.

Mittäterschaft III: Keine gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung des „Abwesenden“

GruppeHeute sind hier im Blog schon zwei Entscheidungen zur Abgrenzung Mittäterschaft/Beihilfe gelaufen, und zwar der BGH, Beschl. v. 14.07.2016 – 3 StR 129/16 (dazu: Mittäterschaft I: Hilfe beim Ausspähen, das ist nur Beihilfe zur räuberischen Erpressung….) und der BGH, Beschl. v. 04.02.2016 – 1 StR 344/15 (und dazu Mittäterschaft II: Mittäter oder Gehilfe beim Mord?, oder: Hier passt beides nicht).  Die kleine Serie schließe ich dann ab mit dem BGH, Beschl. v. 26.06.2016 – 3 StR 165/16 – mit einer „klassischen Problematik, nämlich dem Klassiker der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, als „gemeinschaftlich“. Das ist eine Begehungsform, die den BGH immer wieder beschäftigt, so auch hier, und zwar mit einem für die Angeklagte positiven Ergebnis:

„Der Schuldspruch gegen die Angeklagte Y. wegen täterschaftlich begangenen besonders schweren Raubes weist keinen Rechtsfehler auf. Derjenige wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung hält jedoch materiellrechtlicher Prüfung nicht stand; denn die Voraussetzungen der § 224 Abs. 1 Nr. 4, § 25 Abs. 2 StGB sind – anders als bei der Angeklagten M. – durch die Feststellungen nicht belegt.

a) Danach planten die Angeklagten sowie drei männliche Mitangeklagte, den Geschädigten in die Wohnung der Zeugin M. zu locken und ihn dort „abzuziehen“. Der Zeuge sollte schnellstmöglich überwältigt werden; dabei nahmen alle Angeklagten eine körperliche Verletzung des Opfers zumindest billigend in Kauf. Die Angeklagte Y. zog sich noch vor dem Eintreffen des Geschädigten in die Küche der Wohnung zurück, um die Ausführung der Tat den übrigen Angeklagten zu überlassen. Die Angeklagte M. öffnete dem Geschädigten die Wohnungstür, ließ ihn in die Diele eintreten, sicherte die Wohnungstür mit einer Kette, gab das vereinbarte Kommando „Er kommt“ und begab sich in das Schlafzimmer. Daraufhin sprangen die männlichen Mitangeklagten aus ihren Verstecken und überwältigten das Opfer, zerrten es in das Wohnzimmer, bedrohten es u.a. mit einem Messer, fügten ihm Verletzungen zu und nahmen ihm Bargeld sowie mehrere Mobiltelefone ab. Während dieser Zeit ging die Angeklagte M. in das Treppenhaus und versuchte, durch den Lärm aufmerksam gewordene Nachbarn zu beruhigen.

b) Der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB macht sich schuldig, wer die Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Für eine gemeinschaftliche Tatbegehung ist es nicht erforderlich, dass jeder der Mittäter eigenhändig an der Körperverletzungshandlung teilnimmt; auch kann ein Mittäter (orts-)abwesend sein, vorausgesetzt, dass mindestens zwei weitere Täter dem Opfer gegen-überstehen (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1999 – 4 StR 312/99, NStZ 2000, 194, 195). Ob ein in diesem Sinne Abwesender Tatbeteiligter der ge-meinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung anderer ist, richtet sich nach den allgemeinen Regeln der Mittäterschaft, der Anstiftung oder der Beihilfe (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 3 StR 68/12, NStZ-RR 2012, 270). Somit ist Mittäter im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kernge-schehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung för-dernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Ge-samtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Be-treffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 – 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; Beschlüsse vom 2. Juli 2008 – 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26; vom 29. September 2015 – 3 StR 336/15, NStZ-RR 2016, 6, 7).

Nach diesen Maßstäben scheidet die Annahme der Mittäterschaft bei der Angeklagten Y. aus. Wenn sie auch billigend in Kauf genommen hatte, dass der Geschädigte bei dem Geschehen körperlich verletzt wird, so galt ihr Tatinteresse doch in erster Linie der Wegnahme des Geldes und sonstiger Wertgegenstände, von der sie wirtschaftlich zu profitieren hoffte, nicht aber den Körperverletzungen des Opfers. Maßgebend kommt hinzu, dass sie an den Körperverletzungshandlungen in keiner Weise beteiligt war, insoweit keine Tat-herrschaft hatte und auch ein Wille hierzu nicht festgestellt ist. Die Durchführung und der Ausgang der Tat hingen – bezogen auf die gefährliche Körperver-letzung – ebenfalls nicht von ihrem Willen ab.

Demgegenüber beteiligte sich die Angeklagte M. zwar ebenso wenig an den unmittelbaren Körperverletzungshandlungen. Sie leistete jedoch im Gegensatz zu der Angeklagten Y. wesentliche objektive Tatbeiträge auch zu der gefährlichen Körperverletzung, indem sie das Opfer in die Wohnung einließ, die Wohnungstür sicherte, den männlichen Mitangeklagten das vereinbarte Startkommando gab sowie versuchte, die Nachbarn zu beruhigen und damit die Entdeckung der Tat zu verhindern. Dies rechtfertigt bei ihr – bei im Übrigen vergleichbarer Interessenlage – auch insoweit die Annahme der Mittäterschaft.“