Das AG hat daraufhin Durchsuchung und Beschlahnahme angeordnet. Dagegen dann – nach Vollzug – die Beschwerde, die beim LG Würzburg keinen Erfolg hatte:
„Die Beschwerde des Beschuldigten hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage.
……
Zum Zeitpunkt der ermittlungsrichterlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung bestand aufgrund der durchgeführten Ermittlungen und der dabei zutage getretenen Unstimmigkeiten der Verdacht, dass der Beschuldigte zwischen dem 28.11.2021 und dem 01.12.2021 seiner Arbeitgeberin einen sich zuvor verschafften, inhaltlich unrichtigen Impfausweis vorgelegt hatte, um die Arbeitgeberin gezielt über seinen tatsächlich nicht vorhandenen Impfstatus zu täuschen.
Seit dem 24.11.2021 und damit zum Zeitpunkt der angegriffenen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung galten die §§ 277 bis 279 StGB in ihrer jeweiligen Fassung vom 22.11.2021, davor in ihrer jeweiligen Fassung vom 13.11.1998.
Folglich lag der Zeitpunkt der „Verwendung“ des Impfausweises nach der Gesetzesänderung, der Zeitpunkt des sich Verschaffens dagegen aus Sicht des erkennenden Gerichts möglicherweise bereits davor.
Gemäß Art. 103 Abs. 2 GG bzw. § 1 StGB kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt, § 2 Abs. 1 StGB. Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen, § 8 S. 1 StGB. Wann der Erfolg eintritt, ist dagegen nicht maßgeblich, § 8 S. 2 StGB.
Sofern sowohl der Zeitpunkt des sich Verschaffens, als auch der des Verwendens nach dem 24.11.2021 gelegen haben (sollten), bestünde gegen den Beschuldigten unabhängig davon, wie er in den Besitz des unrichtigen Impfausweises gelangt ist, jedenfalls der Anfangsverdacht einer Urkundenfälschung in der dritten Variante des § 267 Abs. 1 StGB.
Mit dem Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22.11.2021 wurden die §§ 275, 277 bis 279 und 281 StGB inhaltlich überarbeitet. Nach der alten Rechtslage enthielt § 277 StGB drei Tatbestandsvarianten. Die erste Variante erfasste das Ausstellen eines Zeugnisses unter der nicht zutreffenden Bezeichnung des Ausstellers als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson. Diese Variante stellte eine schriftliche Lüge unter Strafe, da nicht über die Person des Ausstellers, sondern dessen berufliche Qualifikation getäuscht wurde. Die zweite Variante betraf das unberechtigte Ausstellen eines Gesundheitszeugnisses unter dem Namen einer solchen Person, die dritte Variante das Verfälschen eines ursprünglich echten Gesundheitszeugnisses. Die zweite und dritte Variante des § 277 StGB stellten somit lediglich Spezialfälle der Urkundenfälschung nach § 267 StGB dar. Soweit sich § 277 StGB in der zweiten und dritten Variante mit § 267 StGB inhaltlich überschnitten, führte dies zu einer nicht nachvollziehbaren Privilegierung. Der geringere Strafrahmen, die fehlende Versuchsstrafbarkeit und die zwingende Zweiaktigkeit führten zur Straflosigkeit von Taten nach § 267 Abs. 1 Var. 1 und Var. 2 StGB, wenn sie sich auf Gesundheitszeugnisse bezogen (str.; Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 68. Auflage, 2021 § 277 Rn. 1). Aus diesem Grund wurden mit der Gesetzesänderung diejenigen Handlungsmodalitäten aus § 277 StGB gestrichen, die grundsätzlich schon von § 267 StGB oder § 269 StGB erfasst sind. Gesundheitszeugnisse sind regelmäßig Urkunden im Sinne der §§ 267 und 269 StGB. Die §§ 277 bis 279 StGB entfalten nach der gesetzlichen Neufassung keine Sperrwirkung für die §§ 267 ff. StGB, sondern stellen darüber hinaus spezielle Konstellationen unter Strafe. So erfasst § 277 StGB nur noch die Fälle, in denen der Täter zur Täuschung im Rechtsverkehr ein Gesundheitszeugnis erstellt und dabei nicht über seine Identität sondern seine berufliche Qualifikation täuscht. Eine derartige Qualifikationstäuschung unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des § 267 StGB, da es sich hierbei „lediglich“ um eine „schriftliche Lüge“ handelt. Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, durch die Neufassung der §§ 277 bis 279 StGB, dass das Herstellen unechter, Verfälschen echter und/oder gebrauchen unechter oder verfälschter Impfausweise in den Anwendungsbereich des § 267 StGB fällt und eine Privilegierung dieser Handlungsvarianten ausscheiden soll (BT-Drucks. 20/15 S. 33).
Der auf den Beschuldigten ausgestellte Impfausweis stellt (als Gesundheitszeugnis) eine Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB dar (von OLG Bamberg v. 17.01.2022 – 1 Ws 732-733/21 ausdrücklich offen gelassen). Eine Urkunde ist eine verkörperte menschliche Gedankenerklärung, die den Aussteller erkennen lässt und zu Beweiszwecken im Rechtsverkehr bestimmt ist. Die von einer eintragungsberechtigen Person vorgenommene Eintragung im Impfausweis gibt Auskunft darüber, wann und durch wenn der Inhaber des Ausweises welche Impfstoffe erhalten hat. Sie lässt den Aussteller der Eintragung erkennen und dient dem Beweis des Impfstatus einer Person. Unecht ist eine derartige Urkunde, wenn der aus ihr ersichtliche Inhalt nicht vom dem auf ihr ersichtlichen Aussteller herrührt. Vorliegend wies der vom Beschuldigten bei seiner Arbeitgeberin vorgelegte Impfausweis zwei Eintragungen vom 19.07.2021 und 13.08.2021 auf, die dem Beschuldigten eine vollständige Impfung mit den Chargen pp. und pp. des Impfstoffes C durch einen Angestellten des Impfzentrums pp. in G bestätigten. Aufgrund der Mitteilung des Gesundheitszentrums G besteht jedoch der Verdacht, dass der Beschuldigte dort nicht geimpft wurde und demzufolge die Eintragungen im Impfausweis des Beschuldigten von keinem der dortigen Angestellten stammen. Wie das Amtsgericht zutreffend annimmt, besteht der Verdacht, dass der Beschuldigte den unechten Impfausweis seiner Arbeitgeberin vorgelegt hat, um über seinen Impfstatus zu täuschen und ohne Testung seiner Arbeit nachgehen zu können.
Doch auch wenn der Zeitpunkt des Verschaffens vor dem 24.11.2021 gelegen haben sollte, wäre dies in der vorliegenden Fallkonstellation unschädlich.
Das Verschaffen des „gefälschten“ Impfausweises mag zwar nach der bis zum 23.11.2021 geltenden Rechtslage straflos gewesen sein. Dies liegt darin begründet, dass Impfausweise ein Gesundheitszeugnis im Sinne der §§ 277 ff. StGB darstellen und die §§ 277 ff. StGB a.F. nach der bis zum 23.11.2021 geltenden Rechtslage eine abschließende Sonderregelung für Gesundheitszeugnisse darstellten, die im Falle einer fehlenden Strafbarkeit einen Rückgriff auf die „allgemeinen“ Urkundendelikte ausschlossen (str., OLG Bamberg v. 17.01.2022, 1 Ws 732-733/21). Dementsprechend lag kein Anfangsverdacht für eine Strafbarkeit wegen Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse vor, da Täter des § 278 StGB a.F. nur Ärzte oder andere approbierte Medizinalpersonen sein konnten, der Beschuldigte jedoch kein Angehöriger dieser Berufsgruppen war. Daneben schied ein Anfangsverdacht für eine Strafbarkeit wegen der Fälschung von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB a.F. oder des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 279 StGB a.F. aus, da die Fälschung beziehungsweise der Gebrauch zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften erfolgen musste und die Arbeitgeberin des Beschuldigten eine GmbH ist, die ein Schwimmbad betreibt. Schließlich war ein Rückgriff auf die allgemeinen Urkundendelikte nach den §§ 267 ff. StGB aufgrund der Sperrwirkung der §§ 277 ff. StGB a.F. ausgeschlossen, sodass auch kein Anfangsverdacht für eine (täterschaftliche) Beteiligung an einer Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 Var. 1 oder Var. 2 StGB vorlag.
Allerdings darf nicht übersehen werden, dass der Beschuldigte auch in dieser Sachverhaltskonstellation den sich straflos verschafften unrichtigen Impfausweis nach dem 24.11.2021 bei seiner Arbeitgeberin vorgelegt hat. Dieses Verwenden stellt eine eigenständige Tathandlung dar, deren Strafbarkeit zwingend nach neuer Rechtslage zu beurteilen ist. Insoweit lag – wie bereits dargestellt – der Anfangsverdacht einer Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB vor (s. o.). Allein die Tatsache, dass sich der Beschuldigte diesen unrichtigen Impfausweis straflos verschafft hat, führt nicht dazu, dass er ihn trotz zwischenzeitlich geänderter Rechtslage weiter straflos verwenden darf……“