Ich stelle dann heute hier im Blog seit längerer Zeit mal wieder (drei) Haftentscheidungen vor.
Den Opener mache ich mit dem OLG Oldenburg, Beschl. v. 17.11.2021 – 1 Ws 437/21, der eine Problematik der sog. Hauptverhandlungshaft (§ 127b StPO) zum Gegenstand hat.
Es geht umd drei Beschuldigten, georgische Staatsangehörige mit jeweils dem Status eines Asylbewerbers. Die Beschuldigten sind dringend verdächtig, in den Geschäftsräumen einer Firma 30 Packungen Zigaretten im Wert von insgesamt 343,90 Euro entwendet zu haben. Unter dem 14.07.2021 hatte die Staatsanwaltschaft die Anordnung von Hauptverhandlungshaft gegen die zu diesem Zeitpunkt weiterhin in Polizeigewahrsam befindlichen Beschuldigten beantragt. Mit jeweils gleichlautenden Beschlüssen vom selben Tage hatte das AG den Erlass von Haftbefehlen gemäß § 127b Abs. 1 StPO gegen die Beschuldigten abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine „sofortige Verhandlung“ aufgrund der Arbeitsauslastung des Gerichts und der Gesamtumstände des Verfahrens nicht möglich sei. Der Unterzeichner sei überwiegend austerminiert und auch aus persönlichen Gründen gehindert, im beschleunigten Verfahren zu terminieren und zu entscheiden. Im Übrigen sei auch die personelle Ausstattung des Gerichts mit Protokollkräften nicht oder kaum in der Lage eine derartige Verhandlung innerhalb der kurzen Frist zu realisieren. Auch die „Corona-Bestimmungen“ des Gerichts würden eine kurzfristige Verhandlung erschweren, da nur unter Zurückstellung von Bedenken eine Verhandlung mit mindestens zehn Beteiligten durchzuführen sei.
Das LG hat die sofortige Beschwerde verworfen. Dagegen die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die beim OLG keinen Erfolg hatte:
„3. Indessen fehlt es an der weiter erforderlichen Voraussetzung, dass eine unverzügliche Entscheidung im beschleunigten Verfahren wahrscheinlich ist (§ 127b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 StPO).
Dabei kann dahinstehen, ob der Erwartung der Durchführung der Hauptverhandlung binnen einer Woche nach der Festnahme (§ 127b Abs. 2 Satz 1 StPO) tatsächlich die in den ablehnenden Entscheidungen des Amtsgerichts und den angefochtenen Beschlüssen des Landgerichts angeführten Gründe, namentlich die Terminslage, anderweitige Verhinderung des zuständigen Richters und gerichtsorganisatorische Einschränkungen, entgegenstehen.
Denn eine Entscheidung im beschleunigten Verfahren kann vorliegend nicht (mehr) ergehen. Das Amtsgericht hat nämlich mit Beschlüssen vom 14. Juli 2021 nicht allein die Anordnung der Hauptverhandlungshaft nach § 127b gegen die Beschuldigten abgelehnt, sondern auch den gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft Oldenburg vom 14. Juli 2021 auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist gemäß § 419 Abs. 2 Satz 2 StPO unanfechtbar und hat zur Folge, dass über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu entscheiden (§ 419 Abs. 3 StPO) und die Sache gegebenenfalls im Regelverfahren fortzusetzen ist. Die Wiederholung des Antrags auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren ist ausgeschlossen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 419 Rz. 9 a.E.).
Zur Sicherung der Durchführung des danach allein noch möglichen Regelverfahrens darf aber die Haft nach § 127b Abs. 2 StPO nicht angeordnet werden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O, § 127b Rz. 9; LR-Gärtner, StPO, 27. Aufl., § 127b Rz. 12).“.
Ich denke, vom beschleunigten Verfahren werden wir bei Anhalten der Corona-Proteste und der „Spaziergänge“ ggf. in nächster Zeit noch mehr hören. Und bitte: Nein, das sind dann keine „Standgerichte“.